Das Foto zeigt vertriebene Frauen in Kamerun.

Kamerun Zerrieben zwischen den Konflikten

Stand: 08.06.2025 15:55 Uhr

Über eine Million Binnenflüchtlinge, seit Jahren bewaffnete Konflikte: Die Hilfsorganisation NRC bezeichnet die Lage in Kamerun als die "am meisten vernachlässigte Vertreibungskrise" - und moniert fehlende internationale Gelder.

Die Hoffnung nicht zu verlieren - das ist für Aktivistin Esther Omam immer wieder eine Herausforderung. Seit mehr als 30 Jahren setzt sie sich in Kamerun für Flüchtlinge ein. Besonders für Frauen. In dem westafrikanischen Land gibt es mehr als eine Million Binnenvertriebene.

Eine Zahl, die seit Jahren nicht besser wird. Im Südwesten des Landes kämpfen Regierungstruppen und Separatisten gegeneinander. Vergewaltigung wird als Kriegswaffe eingesetzt.

Esther Omam bietet mit ihrer Organisation "Reach Out" Zufluchtsstellen für die Opfer. Friedenshäuser würden die genannt, erzählt sie.

"Die Frauen haben sexuelle Gewalt erlebt. Wir bieten ihnen Traumatherapie an." Die Frauen blieben mehrere Monate, solange wie sie für den Heilungsprozess brauchten.

"Wir steuern auf den Abgrund oder sogar Untergang zu"

Der Konflikt im Süd- und Nordwesten ist nur einer von mehreren. Im Norden Kameruns leidet die Bevölkerung unter der Terrororganisation Boko Haram aus dem benachbarten Nigeria.

Viele Flüchtlinge kommen über die Grenze. Im Osten des Landes wiederum suchen Vertriebene aus der Zentralafrikanischen Republik Schutz. Alles Krisen, die international kaum Beachtung finden. Kamerun werde dazwischen zerrieben, sagt Menschenrechtsanwalt Joseph Awah Fru.

"Wir steuern unaufhaltsam auf den Abgrund oder sogar auf den Untergang zu. Wenn sich niemand darum kümmert, kann leicht die ganze Region oder sogar der Kontinent mit hineingezogen werden."

Der Jurist vertritt mehr als 3.500 Aktivisten vor Gericht, die in Kamerun wegen ihrer Arbeit inhaftiert wurden.

"Die Welt guckt dabei zu"

Die Regierung von Präsident Paul Biya duldet keinen Widerspruch. Der 92-Jährige regiert seit mehr als 40 Jahren. Bei den nächsten Wahlen im Oktober wird er vermutlich wieder antreten. Für Joseph Awah Fru eine düstere Aussicht:

Das geht schon so seit 1982. Die gleichen Akteure, das gleiche Umfeld, der immer gleiche Präsident. Aber inzwischen wird es immer schlimmer. Und die Welt guckt dabei zu.

Weniger als ein Dollar pro Woche

Der Norwegische Flüchtlingsrat hat die Situation in Kamerun nicht zum ersten Mal als die am stärksten vernachlässigte Vertreibungskrise der Welt eingestuft. Doch die Sprecherin der Organisation für die Region, Christelle Huré, klagt darüber, dass es nur noch wenig finanzielle Unterstützung gebe. Im vergangenen Jahr hätten etwa 200 Millionen Dollar gefehlt. 

Das sei weniger als der Fußballspieler Ronaldo in einem Jahr verdient habe, fügt Huré hinzu, "oder ein Bruchteil dessen, was Taylor Swift mit ihrer Tournee eingenommen hat. Verglichen damit ist das, was wir für die Vertriebenen in Kamerun brauchen, gar nichts."

Statt den erforderlichen 371 Millionen US-Dollar sind laut NRC im vergangenen Jahr nur etwa 168 Millionen Dollar für Kamerun zusammengekommen. Größter Spender dabei waren mit Abstand die USA. Pro Bedürftigem sei das weniger als ein Dollar pro Woche gewesen.

Entwicklungsgelder weltweit rückläufig

Jetzt, wo die USA weltweit ihr Engagement zurückfahren, werden aber eher noch weniger als mehr Gelder fließen. So hat die Regierung unter Donald Trump die Entwicklungshilfe USAID direkt zu Beginn seiner Amtszeit massiv eingekürzt.

Aktivistin Esther Omam hofft, dass zumindest der Willen zur Versöhnung im Land wächst. Zusammen mit anderen hat sie die Erste Nationale Frauen-Konvention für Frieden in Kamerun gegründet und ist dafür unter anderem mit dem Deutschen Afrika-Preis ausgezeichnet worden.

Ihr Motto: Damit Frieden anhält, müssen Frauen einbezogen werden. Sie kämpft weiter, dass sich in Kamerun etwas entwickelt. Auch wenn die internationale Gemeinschaft die Situation in dem westafrikanischen Land vernachlässigt.

Karte Kamerun mit der Hauptstadt Jaunde

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 03. Juni 2025 um 23:29 Uhr.