In Nuseirat, Gazastreifen, werden israelische Geiseln zu den Fahrzeugen des Roten Kreuzes geführt.

Vereinbarung zur Waffenruhe Weitere israelische Geiseln sind frei

Stand: 22.02.2025 16:40 Uhr

Im Gazastreifen haben Islamisten der Terrororganisation Hamas sechs weitere israelische Geiseln freigelassen. Es sind die letzten Freilassungen im Rahmen der ersten Phase des Waffenruhe-Abkommens.

Sechs weitere israelische Geiseln sind im Rahmen des Abkommens zur Waffenruhe zwischen der Terrororganisation Hamas und Israel freigekommen. In zwei separaten im Gazastreifen inszenierten Propagandaveranstaltungen wurden die Männer von Hamas-Terroristen an Mitarbeiter des Roten Kreuzes übergeben. Das israelische Militär nahm sie in Empfang und begleitete sie nach Israel, wo bereits ihre Familien auf sie warteten.

Zunächst wurden Tal Schoham und Averu Mengistu in Rafah freigelassen. Später folgte die Freilassung von Elija Cohen, Omer Schem-Tov und Omer Wenkert in Nuseirat. Eine sechste Geisel, Hischam al-Sajid, wurde laut Israels Armee ohne öffentliche Begleitung in Gaza-Stadt an das Rote Kreuz übergeben.

Menschen in Tel Aviv verfolgen die Geisel-Freilassung in einem Livestream.

In Tel Aviv verfolgten zahlreiche Menschen die Freilassung der Geiseln auf dem sogenannten Geisel-Platz im Zentrum der Stadt.

Geisel-Übergabe einmal mehr inszeniert

Vermummte und bewaffnete Islamisten in Uniformen inszenierten in Rafah und Nuseirat die Übergabe - wie bereits in den Wochen zuvor - mit einer Bühne, lauter Musik und palästinensischen Fahnen. Auch zahlreiche Menschen in Zivil hatten sich zu den Übergaben an beiden Orten versammelt, unter ihnen auch viele Kinder. Mitarbeitende des Roten Kreuzes mussten auf den Bühnen Dokumente unterzeichnen. In Rafah wurde Schoham gezwungen, auf der Bühne ein paar Worte zu sagen.

In Israel verfolgten zahlreiche Menschen im Zentrum von Tel Aviv, auf dem sogenannten Platz der Geiseln, die Freilassungen live mit. In einem von der israelischen Regierung veröffentlichten Video war zu sehen, wie sich Schohams Angehörige umarmten und weinten, als sie seine Freilassung verfolgten. "Wir haben gesehen, dass es Tal in Anbetracht der Umstände gut geht. Eine enorme Last ist von uns gefallen", hieß es in einer Erklärung der Familie des Deutsch-Österreichers.

Zwei Geiseln seit 10 Jahren in Hamas-Gewalt

Der 40-jährige Tal Schoham, der auch die österreichische Staatsangehörigkeit besitzt, wurde vor 16 Monaten beim Großangriff der Hamas aus Israel entführt, wie auch Omer Schem-Tov, Omer Wenkert, und Elija Cohen, 22, 23 und 27 Jahre alt. Cohens Partnerin überlebte das Massaker nach Angaben des Forums der Geisel-Familien, indem sie sich unter Leichen versteckte.

Cohen soll während seiner gesamten Geiselhaft angekettet gewesen sein, wie israelische Medien unter Berufung auf Berichte von jüngst freigelassenen Geiseln meldeten. Schoham wurde mit seiner Frau, ihren beiden Kindern und weiteren weiblichen Angehörigen entführt. Frauen und Kinder kamen im November 2023 als Teil eines damaligen Abkommens zwischen Israel und der Hamas frei.

Avera Mengistu, 39, war hingegen eine Langzeitgeisel der Hamas, ebenso wie der 36-jährige Hischam al-Sajid. Sie hatten vor einem Jahrzehnt auf eigene Faust die Grenze in den Gazastreifen überquert, beide sollen unter psychischen Krankheiten leiden. 

Freilassung teils früher als geplant

Die sechs Männer sind die letzten lebenden Geiseln, die im Rahmen der ersten Phase der Waffenruhe-Vereinbarung freigelassen werden sollten. Im Gegenzug soll Israel nach palästinensischen Angaben nun insgesamt 602 inhaftierte Palästinenser freilassen, darunter 50 mit lebenslangen Haftstrafen. Die Hamas hat zudem angekündigt, sie werde kommende Woche vier weitere Leichen übergeben, womit die erste Phase des Abkommens endgültig abgeschlossen wird.

Die Hamas ließ drei der sechs heute freigelassenen Geiseln früher frei als geplant. Das sollte gemäß dem Waffenruhe-Abkommen eigentlich erst in einer Woche passieren. Die Islamisten wollten, dass die Freilassung Dutzender hochrangiger Mitglieder der Terrororganisation aus israelischen Gefängnissen nicht in letzter Minute scheitert, berichteten mehrere Medien.

Zukunft der Waffenruhe ungewiss

Laut der US-Nachrichtenseite "Axios" gibt es sowohl aufseiten der palästinensischen Terrororganisation als auch innerhalb der israelischen Regierung Befürchtungen, dass die erste, sechswöchige Phase der Waffenruhe nicht wie verabredet bis Anfang März halten könnte - und wichtige Forderungen dann unerfüllt bleiben. 

In Israel gibt es deshalb Sorgen um das Schicksal der noch übrigen 62 Geiseln, die bei dem Terrorangriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 entführt worden waren. Von ihnen sollen nach Angaben der israelischen Armee noch 27 am Leben sein.

Leiche von Shiri Bibas identifiziert

Unterdessen wurde eine am Freitagabend von der Hamas übergebene Frauenleiche identifiziert. Der Kibbuz Nir Oz bestätigte am Morgen, es handele sich um die Leiche der verschleppten Geisel Shiri Bibas.

Die sterblichen Überreste der Deutsch-Israelin hätten eigentlich zusammen mit denen ihrer beiden kleinen Söhne am Donnerstag an Israel übergeben werden sollen. In dem Sarg, den die Hamas an dem Tag an das Rote Kreuz ausgehändigt hatte, befand sich jedoch die Leiche einer anderen, unbekannten Frau. Die Terrororganisation räumte später einen möglichen Irrtum ein. Die Vertauschung - ob wissentlich oder versehentlich - hatte in Israel große Empörung ausgelöst. 

Jan-Christoph Kitzler, ARD Tel Aviv, tagesschau, 22.02.2025 12:59 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 22. Februar 2025 um 12:00 Uhr.