Eine Plakatwand, die Hassan Nasrallah zeigt, steht an einer vielbefahrenen Straße.

Getöteter Hisbollah-Chef Nasrallah Eine Trauerfeier als Machtdemonstration

Stand: 23.02.2025 01:14 Uhr

Fast fünf Monate ist es her, dass Israels Armee Hisbollah-Chef Nasrallah getötet hat. Heute findet in einem Stadion in Beirut die Trauerfeier statt. Erwartet wird eine Zeremonie, mit der die Hisbollah ihre Macht demonstrieren will.

Zumindest etwas Geld lässt sich mit dem Toten noch verdienen. Khadija verkauft Sticker mit dem Konterfei von Hassan Nasrallah, Tassen und leicht verkitschte Bilder, auf denen der langjährige Hisbollah-Anführer gütig lächelt.

Das Geschäft läuft gut, auch wenn Khadija sagt, ums Geld gehe es ihr nicht: "Wir betreiben hier keinen Handel - ganz im Gegenteil: Wir möchten, dass Nasrallah in jedem Haus und auf der ganzen Welt präsent ist, so wie er in unseren Herzen lebt."

Mit tonnenschweren Bomben getötet

Auch Riya kauft sich ein Nasrallah-Bild. Die 30-Jährige mit offenen Haaren und Prada-Sonnenbrille sagt, politisch lag sie selten auf einer Linie mit Nasrallah. Aber seine Haltung gegenüber Israel habe ihr imponiert: "Als Person hat er sich gegen eine Macht gestellt, gegen die sich niemand sonst zu stellen wagte. Und unabhängig davon, was am Ende das Ergebnis war. Wir sind stolz darauf, dass er als Märtyrer gefallen ist. Er ist wirklich eine Legende."

Fast fünf Monate ist es her, dass die israelische Armee Nasrallah getötet hat - mit tonnenschweren Bomben, um sicherzugehen, dass er in seinem unterirdischen Bunker in einem Vorort von Beirut keine Überlebenschance hat.

Die von Nasrallah angeführte Schiitenmiliz hatte im Oktober 2023 einen weiteren Krieg mit Israel angezettelt, nach eigenen Aussagen, um sich solidarisch mit den Palästinensern im Gazastreifen zu zeigen.

In einem leeren Stadion werden Stuhlreihen vor einem großen Banner, das Hassan Nasrallah and Hashem Safieddine zeigt, aufgebaut.

In diesem Stadion im Süden Beiruts findet die Trauerfeier für den getöteten Hisbollah-Chef statt.

"Krieg war vernichtend für die Hisbollah"

Allerdings hatten nur wenige im Libanon - und vermutlich auch Nasrallah selbst nicht - damit gerechnet, wie massiv Israel zurückschlagen würde. "Der Krieg war vernichtend für die Hisbollah", sagt der Politikwissenschaftler Sami Nader von der Amerikanischen Universität Beirut.

"80 Prozent ihrer militärischen Fähigkeiten wurden zerstört und vor allem wurde die Hisbollah enthauptet, ihre Führungsschicht ausgeschaltet. Und dann ist auch ihr Rückhalt in Syrien - das Assad-Regime - zusammengebrochen.  Militärisch ist die Miliz heute isoliert", ergänzt er.

Das heiße aber nicht, dass die Hisbollah von der politischen Landkarte verschwunden sei. Und genau das solle auf der öffentlichen Trauerfeier vermittelt werden, so Nader.

"Es wird eine Machtdemonstration, um zu zeigen: 'Wir sind immer noch stark, wir sind immer noch da und eine politische Kraft mit viel Rückhalt im Libanon'", sagt er.

Zehntausende Menschen werden erwartet

Beobachter rechnen damit, dass bis zu hunderttausend Menschen zu der Trauerfeier in einem Stadion im Süden Beiruts kommen werden. Straßen werden weiträumig gesperrt und auch am Flughafen der libanesischen Hauptstadt wird sicherheitshalber für mehrere Stunden der Betrieb ausgesetzt.

Der Ort, an dem Nasrallah getötet wurde, gleicht heute einer Brache - umgeben von überlebensgroßen Plakaten des Ex-Hisbollah-Führers an den Wänden der umliegenden Häuser.

Hier wie an vielen Orten in den Vororten Beiruts wühlen sich Bagger durch die Trümmer. Gerade hier im Süden der Stadt ist die Hisbollah für viele Menschen nie nur eine bewaffnete Gruppe gewesen, sondern auch eine politische Partei, die Menschen unterstützt hat, wenn der Staat es nicht konnte. Auch deswegen kommen jetzt viele Menschen her, um zu trauern.

Als ein Mann in Tränen ausbricht, wirft eine Frau ein: "Nicht weinen - er lebt durch seine Worte in uns weiter." "Wir opfern uns für dich, Nasrallah!", rufen sie gemeinsam.

Zahlreiche Reisende befinden sich in einem Flughafenterminal.

Auf dem Flughafen in Beirut herrscht vor der Beerdigung Nasrallahs großer Andrang.

"Er hat unser Land verteidigt"

Hussein trägt ein gelbes Hisbollah-Stirnband. Der junge Mann ist mit seinen Eltern extra aus dem Saarland gekommen, um Abschied zu nehmen. "Dieser Mann hat uns Stärke gegeben. Er hat unser Land verteidigt. Ohne ihn wären wir ein Land, das besetzt wird wie Palästina. Er hat uns viel geholfen, er war ein Mann von Stärke und er hat Kinder groß gezogen und zu Männern gemacht."

Die Einwände, dass der Libanon gerade wegen Nasrallahs Handeln in Teilen zerstört und die Hisbollah besiegt sei, will Hussein nicht gelten lassen: "So lange es noch einen gibt, der dafür steht - für die Sache, für die er gestorben ist, dann wird die niemals geschwächt sein."

Seit Ende November schweigen die Waffen im Libanon weitgehend, auch wenn die israelische Armee ihren Rückzug aus dem Süden des Landes weiterhin hinauszögert.

Auch neuer Präsident kann Hisbollah nicht ignorieren

In Beirut ist ein neuer Präsident ins Amt gewählt worden, der versprochen hat, dass in Zukunft nur noch die libanesische Armee schwere Waffen besitzen soll. Doch auch Joseph Aoun könne die Hisbollah nicht ignorieren, sagt Politikwissenschaftler Nader - sie repräsentiere schließlich einen großen Teil der schiitischen Bevölkerung des Landes.

Und genau diese Botschaft solle von der öffentlichen Trauerfeier ausgestrahlt werden - an die anderen politischen Kräfte im Land: "Wir sind unumgänglich, wir sind unvermeidbare Partner. Ihr könnt nicht ohne uns regieren - nicht ohne unsere Zustimmung."

Wie genau die neue libanesische Regierung und die Hisbollah zusammenarbeiten werden, ist noch offen - auch ob es eher ein Mit oder ein Gegeneinander sein wird. Mittelfristig ein Knackpunkt werden die Waffen der Schiitenmiliz sein. Nader spricht vom "Elefanten im Raum".

"Bis heute gibt es keinen Zeitplan für die Entwaffnung der Hisbollah, das sind nur Grundsatzerklärungen: Aber wie können wir die Hisbollah tatsächlich entwaffnen? Das ist weiterhin unklar."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 23. Februar 2025 um 09:13 Uhr.