Das Gebäude der EU-Kommission in Brüssel (Archivbild).

Kampagnen für Klimapolitik EU-Gelder für Umweltaktivisten?

Stand: 07.06.2025 17:54 Uhr

Die EU-Kommission soll laut einem Medienbericht Umweltverbände für Klagen und Kampagnen gegen Firmen bezahlt haben. Ziel sei gewesen, die Öffentlichkeit von der Klimapolitik der EU zu überzeugen. NGOs wehren sich gegen die Vorwürfe.

Die Europäische Kommission hat einem Bericht zufolge Umweltverbände für Kampagnen gegen deutsche Unternehmen bezahlt. Das geht aus geheimen Verträgen hervor, die die Welt am Sonntag einsehen konnte.

Demnach stimmten sich Brüsseler Funktionäre und Aktivisten bis ins Detail miteinander ab. Ziel sei es gewesen, die Öffentlichkeit von der Klimapolitik der EU zu überzeugen - im Gegenzug seien Steuergelder in Millionenhöhe geflossen. Einzelne Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sollen bis zu 700.000 Euro erhalten haben, so die Zeitung.

Geld für Klagen gegen Kraftwerke

So sollte beispielsweise die Nichtregierungsorganisation ClientEarth deutsche Kohlekraftwerke in Gerichtsprozesse verstricken, um das "finanzielle und rechtliche Risiko" der Betreiber zu erhöhen. Insgesamt erhielt die Organisation demnach dafür 350.000 Euro.

Den Verband Friends of the Earth beauftragten Beamte der Kommission der Zeitung zufolge mit dem Kampf gegen das Freihandelsabkommen Mercosur zwischen Europa und Südamerika. Andere Gruppen bekamen Geld für die Beeinflussung von EU-Abgeordneten vor Abstimmungen zu Pflanzenschutzmitteln und Chemikalien.

Geheimverträge aus dem Jahr 2022

Die entsprechenden Geheimverträge stammen aus dem Jahr 2022. Die EU-Kommission formulierte darin, was sie von den Aktivistinnen und Aktivisten als Gegenleistung für die Fördergelder erwartete. Das waren etwa eine bestimmte Anzahl an Lobby-Briefen, Nachrichten in den Sozialen Medien und Treffen mit Abgeordneten des Europäischen Parlaments.

"Es ist bedauerlich, dass unter den ehemaligen Kommissionsmitgliedern Virginijus Sinkevičius und Frans Timmermans pauschale Zuschüsse für Organisationen gegeben wurden, die radikale Aktionen, verdecktes politisches Lobbying und die Druckausübung auf Entscheidungsträger als Ziele in ihre Arbeitsprogramme verankerten", sagte die CSU-Europaabgeordnete Monika Hohlmeier der WamS. Timmermans war in der vergangenen Legislaturperiode EU-Kommissar für Klima, Sinkevičius der Kommissar für Umwelt.

"Besonders erschreckt haben mich die subversiven Pläne, nach denen bäuerliche Betriebe bis hin zu Kohlekraftwerken durch Klagen und die massive Verschärfung von Nachweispflichten zur Aufgabe ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit gezwungen werden sollten", so Hohlmeier.

Teil der Vorwürfe schon länger bekannt

Abgesehen von dem Geheimpapier sind Teile der Vorwürfe allerings bereits länger bekannt. So hatte der Europäische Rechnungshof im April in einem Bericht mehr Offenheit gefordert. Laima Andrikienė, die als Mitglied des Rechnungshofs für das Papier verantwortlich ist, betonte damals: "Die EU-Finanzierung für NGOs ist zu undurchsichtig und leidet unter einem Mangel an Transparenz." Der Grund für unklare Summen sei, dass die Informationen über diese EU-Mittel nur bruchstückhaft und damit nicht zuverlässig seien.

"Und wir sprechen hier nicht von Peanuts. In den untersuchten drei Jahren von 2021 bis 2023 flossen über sieben Milliarden Euro an NGOs in so zentralen Politikbereichen wie Zusammenhalt, Forschung, Migration und Umwelt", erklärte Andrikienė.

NGOs wehren sich gegen Vorwürfe

Viele NGOs sehen sich im Recht und wehren sich gegen den Vorwurf, sich von der EU-Kommission instrumentalisieren zu lasse. So betont beispielsweise LobbyControl, die Anschuldigungen seien nicht belegt. Vielmehr handele es sich um eine Kampagne.

Der Verein verwies im Zuge des neuen Berichts der WamS auf ein Statement vom Februar: "Es ist empörend, wie Monika Hohlmeier, Alexander Bernhuber, Tomáš Zdechovský und viele andere konservative Politiker:innen seit Monaten mit unbelegten Behauptungen gegen NGOs Stimmung machen. Mit ihrer Diffamierungskampagne haben sie die EU-Kommission dazu gedrängt, Umweltorganisationen in Brüssel finanziell zu schwächen."

ARD-Korrespondent Michael Grytz betonte jedoch in der tagesschau, dass die nun aufgedeckten Fälle durchaus eine neue Qualität haben könnten: "Weil dort offenbar sehr konkrete Aufträge für eine Art politisches Lobbying für die EU-Kommission an Nichtregierungsorganisationen gegangen sind". Dies sei jedoch nicht die eigentliche Aufgabe der EU-Kommisson, so Grytz.

"Verstoß gegen das Prinzip der Gewaltenteilung"

Das Vorgehen der EU-Kommission wirft zudem juristische Fragen auf: Nach Ansicht des früheren Europaabgeordneten der CDU, Markus Pieper, ist es ein Verstoß gegen das Prinzip der Gewaltenteilung. Die Exekutive der EU habe mithilfe von Aktivisten verdeckt die Legislative beeinflussen wollen, sagte er der WamS.

Die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende und Europaabgeordnete Svenja Hahn sagte der Zeitung, bei den Bürgerinnen und Bürgern bliebe nun der Eindruck, die Kommission fördere mit Steuerzahlergeld nur ihr liebsame Meinungen. "Das schadet dem Vertrauen in die europäischen Institutionen massiv." Die EU-Kommission müsse mit konsequenter Aufklärung und Transparenz reagieren.

EU-Kommission: Es gibt keine geheimen Verträge mit NGOs

Die EU-Kommission wies den Bericht der WamS zurück. Ein Sprecher erklärte gegenüber tagesschau.de, es gebe keine geheimen Verträge zwischen der Kommission und Nichtregierungsorganisationen. "Die Kommission ist sehr transparent, wenn es um die Bereitstellung von Finanzmitteln für NGO geht. Informationen über die Empfänger von EU-Mitteln, einschließlich der Namen der Empfänger und der Beträge, sind auf der Website der Kommission zum Finanztransparenzsystem öffentlich zugänglich."

Die Kommission arbeitete eng mit dem EU-Parlament und dem Europäischen Rechnungshof zusammen, um diese Transparenz noch weiter zu verbessern.

Nichtregierungsorganisationen spielten etwa bei der Gestaltung, Überwachung und Durchsetzung von Gesetzen eine wichtige Rolle, so der Sprecher weiter. Sie agierten dabei "völlig unabhängig und können ihre eigene Meinung zu allen politischen Fragen äußern."

Matthias Reiche, ARD Brüssel, tagesschau, 07.06.2025 08:57 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 07. Juni 2025 um 09:50 Uhr.