
Brandkatastrophe vor sieben Jahren Grenfell Tower in London wird abgerissen
Beim Brand des Londoner Grenfell Towers starben 72 Menschen. Sieben Jahre später steht das ausgebrannte Hochhaus noch, doch nun wurde sein Abriss beschlossen. Einige Angehörige der Opfer kritisieren diese Entscheidung.
Mehr als sieben Jahre ist es her, dass bei einem verheerenden Brand im Londoner Grenfell Tower 72 Menschen ums Leben kamen. Nun haben die Behörden den Abriss des ausgebrannten Wohnturms beschlossen. Wohnungsbauministerin und Vizepremierministerin Angela Rayner habe "ihre Entscheidung bezüglich des Grenfell Towers" vor Überlebenden und Angehörigen von Opfern bekannt gegeben, gab die Opfervertretung Grenfell Next of Kin (GNK) im Onlinedienst X bekannt.
Grenfell Next of Kin sprach von einer "sensiblen Entscheidung". Zwar hätte die Gruppe es gerne gesehen, dass der Wohnturm im Stadtteil North Kensington als Mahnmal erhalten bleibt. Die Opfervertretung habe jedoch eingesehen, dass dies aus Sicherheitsgründen nicht möglich sei.
Sicht der Angehörigen nicht genügend berücksichtigt
Eine weitere Gruppe, die ebenfalls die Familien der Opfer vertritt, sieht das allerdings ganz anders: Die Gruppe Grenfell United kritisierte die Entscheidung scharf. In den "kurzen" Beratungen sei die Ansicht der Angehörigen nicht berücksichtigt worden. "Das heutige Treffen hat gezeigt, wie sehr es Hinterbliebene und Überlebende mitnimmt, dass ihre Ansichten bei dieser Entscheidung nicht gehört oder berücksichtigt wurden", erklärte Grenfell United auf X. Die "Stimmen der Hinterbliebenen" bei der Entscheidung über "die Zukunft der Grabstätte unserer Liebsten zu ignorieren", sei unverzeihlich, hieß es weiter.
Laut einem Sprecher des Bauministeriums wollte Rayner den Hinterbliebenen und Überlebenden die Entscheidung mitteilen, bevor es eine offizielle Ankündigung gibt. Nach Angaben der zuständigen Ingenieure verschlechtert sich die Struktur des Turms zunehmend. Vorsichtshalber müsse er deshalb abgerissen werden.
Am frühen Morgen des 14. Juni 2017 war in dem 24-stöckigen Wohnturm mit Sozialwohnungen ein Feuer ausgebrochen. Auslöser war ein defekter Kühlschrank in der vierten Etage. Über eine hoch brennbare Fassadenverkleidung breiteten sich die Flammen innerhalb einer halben Stunde bis zum obersten Stockwerk aus. Viele Bewohner waren so dem Feuer hilflos ausgeliefert. Es war der Brand mit den meisten Todesopfern in einem Wohngebäude in Großbritannien seit dem Zweiten Weltkrieg.

2017 ist der Grenfell Tower in London ausgebrannt. Inzwischen ist er aus Sicherheitsgründen verhüllt.
Gedenkstätte in Planung
Das Gelände um den ausgebrannten Turm ist inzwischen weiträumig mit einem Holzzaun abgesperrt. Daran sind unzählige Botschaften, Bilder und Andenken in verschiedenen Sprachen angebracht. Ursprünglich hatte die Regierung entschieden, dass am Gelände vor dem achten Jahrestag der Katastrophe in diesem Juni nichts verändert werden soll.
Eine Kommission, die sich mit einer künftigen Gedenkstätte am Ort der Katastrophe befasst, hat in ihrem Bericht für das Jahr 2023 erklärt, dass der Turm, falls er abgerissen wird, "mit Sorgfalt und Respekt" abgetragen werden sollte. Ein endgültiger Entwurf für die Gedenkstätte wird für das Frühjahr 2026 erwartet.
Alle Todesopfer "vermeidbar"
Ein im vergangenen Jahr veröffentlichter Untersuchungsbericht sah in dem Brand eine Folge von "jahrzehntelangem Versagen" der britischen Regierung und "systematischer Unehrlichkeit" von Baustofffirmen. Dem Bericht zufolge wären alle 72 Todesfälle vermeidbar gewesen. Premierminister Keir Starmer entschuldigte sich im Namen des Staates für die Tragödie.
Der Untersuchungsbericht übte auch heftige Kritik an der damaligen Regierung und wichtigen Behörden. Besonders schwer wiegen die Vorwürfe gegen die Baustofffirmen, die die Fassadenverkleidung und weitere Dämmmaterialien geliefert hatten. Ihnen werfen die Ermittler "systematische Unehrlichkeit" vor, weil sie "bewusst und andauernd" Tests und deren Ergebnisse manipuliert hätten.
Die Opfergruppen werfen der Regierung vor, nach der Katastrophe Empfehlungen zum Brandschutz nicht schnell genug umgesetzt zu haben. Zudem kritisieren sie die Verzögerung bei der Erhebung von Strafanzeigen gegen die laut der Untersuchung für die Katastrophe Verantwortlichen. Dem Sender BBC zufolge wird für Freitag eine Regierungsankündigung zum Abriss des Grenfell Towers erwartet.