
Großbritannien Mehr Atomkraft - trotz Milliardenkosten
Atomausstieg? Nicht in Großbritannien. Die britische Regierung will neue - vor allem kleinere und billigere - Reaktoren bauen. Denn ein Mega-AKW-Projekt kommt nur langsam voran, während die Kosten ins Astronomische wachsen.
Die Energie-Versorgung ist im Vereinigten Königreich genauso wie in Deutschland ein riesiges Thema. Die Kosten fürs Heizen sind hoch, die Wirtschaft wünscht sich preiswerteren Strom und dann gibt es da noch die Ziele für eine klimaneutrale Zukunft. Bis 2050, so hat es die Politik beschlossen, soll Großbritannien klimaneutral heizen, produzieren und von A nach B fahren.
Allein mit Wind- und Solarstrom wird das nicht gelingen, davon geht die Labour-Regierung aus. Deswegen wird der Ausbau der Atomenergie vorangetrieben. In den 1990er-Jahren betrug der Anteil des Atomstroms im Land noch etwa 25 Prozent. Dieser Wert fiel auf etwa 15 Prozent in den vergangenen Jahren. Die britische Regierung fördert Windkraft- und Solarstromanlagen und hat das Ziel ausgegeben, dass mehr Wärmepumpen installiert werden, somit soll der Stromverbrauch wenigstens in diesem Bereich sinken. Doch all das wird nicht reichen, so die Argumentation von Labour.
Modulare Reaktoren im Fokus
Deswegen hat Keir Starmer angekündigt, neue Atomkraftwerke bauen zu lassen. Der Fokus liegt auf kleineren, modularen Reaktoren. Diese bestehen aus großen Bauteilen, die in Fabriken gefertigt werden, um sie dann am Standort zusammenzusetzen.
Der Bauprozess soll so vereinfacht werden, sagt Adrian Bull, Professor am Dalton Nuclear Institute der Universität Manchester. Er spricht von "nuklearem Lego". Es ist eine Art Serienfertigung, um die Planung zu verschlanken und schlussendlich die Preise für den Atomstrom zu senken.
Doch bislang ist das nur ein Versprechen. Starmer will das Vereinigte Königreich in diesem Bereich sogar führend machen, die Atomwirtschaft soll ein Wachstumsmarkt werden. Weltweit gibt es jedoch viele verschiedene Reaktortypen und diese kleineren modularen Kraftwerke werden eben noch nicht in Serie gefertigt. Die britische Regierung hat nun Konzerne dazu aufgerufen, konkrete Vorschläge einzubringen, darunter ist auch der britische Konzern Rolls Royce.

Schon im Bau ist das AKW Hinkley Point C. Hier rechnet man inzwischen damit dass die Baukosten am Ende etwa 55 Milliarden Euro betragen werden - zu Baubeginn 2016 waren etwa 21 Milliarden Euro veranschlagt worden.
Frustrierende Erfahrungen mit Mega-Bauprojekten
Dass die Regierung sich auf diesen neuen Bautyp konzentriert, hat einen Hintergrund: Die Briten haben in den vergangenen Jahren sehr anschaulich gelernt, wie teuer der Bau von Atomkraftwerken sein kann.
Am Bristol-Kanal entsteht derzeit das größte Atomkraftwerk in Großbritannien, Hinkley Point C. 12.000 Arbeiter sind hier beschäftigt. Es ist der erste Druckwasser-Reaktor im Vereinigten Königreich - ein technisch anspruchsvolles Projekt, mit vielen Verzögerungen. Der französische Betreiber EDF sagt, die Fertigstellung erfolgt frühestens 2029. Die Kosten sind enorm gestiegen - von zunächst etwa 21 Milliarden auf inzwischen geschätzte 55 Milliarden Euro. Das Projekt illustriert, wie kompliziert solche Großanlagen zu planen sind und wie schnell die Kosten ins Uferlose steigen.
Zudem war es schwer, Investoren zu finden, die überhaupt bereit sind, die Milliarden zu stellen. Die kleineren modularen Reaktoren könnten also auch dazu führen, dass Unternehmen eher zu Investitionen bereit sind
Mehrheit der Briten für Atomstrom
Auch wenn die Anlagen möglicherweise billiger werden - Atomstrom ist nicht die günstigste Energie, sagt Adrian Bull. Aber aus Sicht des Professors ist Kernenergie ein wichtiger Baustein eines CO2-freien Mixes. Der Wind weht nicht immer, die Erzeugung von Solarstrom ist auch Schwankungen ausgesetzt und Speichertechnologien sind längst nicht ausgereift.
Immerhin gibt es in Großbritannien eine deutliche Mehrheit, die sich für den Atomstrom ausspricht. In einer Umfrage der Meinungsforscher von YouGov vom 7. April dieses Jahres haben 49 Prozent der Befragten gesagt, sie seien für die Erzeugung von Atomstrom. 29 Prozent sind dagegen, viele haben keine Meinung.
Auch wenn die britischen Parteien nie einen Atomausstieg beschlossen haben: Es gibt auch Gemeinsamkeiten zwischen dem Vereinigten Königreich und Deutschland beim Thema Atomenergie. Eine Debatte um die Sicherheit von Atomkraftwerken gibt es aber auch hier. Und: Weder im Vereinigten Königreich noch in Deutschland gibt es ein Endlager.