
Aus nach knapp einem Jahr Niederländische Regierung zerbricht am Asylstreit
Rechtspopulist Geert Wilders lässt das Regierungsbündnis in Den Haag platzen. Anlass ist der Konflikt um die Migrationspolitik - doch die Ursachen liegen tiefer. Nun gibt es eine Neuwahl.
Die niederländische Rechts-Koalition ist nach nicht einmal einem Jahr am Streit über das Asylrecht zerbrochen. Der Rechtspopulist Geert Wilders, dessen "Partei für die Freiheit" (PVV) die stärkste Kraft innerhalb des Bündnisses war, konnte sich mit seiner Forderung nach schärferen Regeln nicht gegen seine drei Partner durchsetzen.
Wilders hatte dafür vor einer Woche Vorschläge präsentiert und die übrigen Koalitionsparteien unter Druck gesetzt, diese anzunehmen. Andernfalls sei die PVV weg.
Partner beugten sich Ultimatum nicht
Er verlangte unter anderem, alle Asylbewerber abzuweisen, die Familienzusammenführung auszusetzen, das Militär für Grenzkontrollen einzusetzen und Syrer mit einer befristeten Aufenthaltsgenehmigung auszuweisen mit der Begründung, dass ein Großteil des Landes inzwischen sicher sei. Außerdem sollten Migranten, die wegen Gewalt- und Sexualdelikten verurteilt wurden, die Niederlande verlassen. Wilders wollte Asylzentren schließen lassen, obwohl die Unterbringung von Migranten in den Niederlanden schon jetzt ein großes Problem darstellt.
Aber die Koalitionspartner beugten sich Wilders‘ Ultimatum nicht. Der hatte schon öfter damit gedroht, das Regierungsbündnis aufzukündigen, falls die übrigen Parteien seinen harten Kurs in der Migrationspolitik nicht mittragen. Diesmal machte er Ernst. Ein Krisentreffen der Fraktionsvorsitzenden am Vormittag in Den Haag war schon nach wenigen Minuten beendet.
Überraschung und Vorwürfe
Wilders forderte die PVV-Minister im Kabinett von Regierungschef Dick Schoof zum Rückzug auf mit der Begründung, dass er seine Vorstellungen nicht durchsetzen konnte:
Ich bin für die härteste Asylpolitik angetreten, nicht für den Untergang der Niederlande
Seine Verantwortung für die Regierung sei damit beendet, erklärte Wilders.
Die Partei- und Fraktionschefinnen der anderen Koalitionsparteien reagierten überrascht und empört. Die Vorsitzende der rechtsliberalen VVD, Dilan Yesilgöz, warf Wilders vor, sein Ego über die Interessen des Landes zu stellen und den Austritt aus der Koalition provoziert zu haben. Auch die Vorsitzende der Bauern-Partei BBB, Caroline van der Plas, erklärte, Wilders habe alle Trümpfe in der Hand und ziehe wissentlich den Stecker.
Regierung bleibt geschäftsführend im Amt
Nicolien van Vroonhoven von der Mitte-Rechts-Partei NSC nannte Wilders‘ Schritt unverantwortlich. Die Partei des Rechtspopulisten war bei der Wahl im November 2023 mit Abstand stärkste Kraft geworden. Möglicherweise spekuliert Wilders darauf, dass seine PVV noch zulegen kann. Eine Minderheitsregierung ohne die PVV will die Opposition nicht unterstützen.
Am Nachmittag kündigte Premierminister Dick Schoof eine Neuwahl an. Bis dahin werde er geschäftsführend im Amt bleiben. Ein Datum für die Abstimmung nannte er nicht.
Die niederländische Vier-Parteien-Koalition stand schon mehrmals kurz vor dem Bruch, zuletzt im Spätherbst, als die Partner über die Reaktion auf Angriffe auf israelische Fußballfans in Amsterdam stritten. Das Bündnis war von Anfang an instabil: Mit Ausnahme der VVD des früheren Regierungschefs und jetzigen NATO-Generalsekretärs Mark Rutte brachte keine Partei Regierungserfahrung mit.
Parteien hatten vor allem Klientel im Blick
Drei Koalitionsparteien hatten weniger das Wohl des gesamten Landes im Blick als die Interessen ihrer jeweiligen Klientel: Wilders' PVV wollte die Migration drastisch senken, die BBB Landwirte entlasten und die NSC für gute Verwaltung und bessere Politik sorgen. Einige dieser Ziele waren offensichtlich kaum miteinander vereinbar.
Noch-Premierminister Schoof, der vermitteln und die Regierung zusammenhalten sollte, war vorher hoher Beamter. Er gehört keiner der Koalitionsparteien an und verfügt deshalb über keine Hausmacht. Wilders saß auf Drängen der übrigen Koalitionspartner nicht im Kabinett, was es ihm umso leichter machte, ständig an der Regierung herumzunörgeln, in der die Ministerinnen seiner eigenen Partei saßen.
Krise zum ungünstigsten Zeitpunkt
Die Rechtskoalition konnte ihre zwei großen Versprechen, für die sie angetreten war, nicht einlösen. So scheiterte Wilders mit dem Anspruch, das härteste Asylrecht aller Zeiten einführen zu wollen, nicht nur an seinen Koalitionspartnern, sondern auch an der EU. Brüssel erteilte Den Haags Wunsch, aus dem europäischen Asylrecht auszusteigen, eine Absage. Das sei laut den EU-Verträgen nicht möglich.
Mit dem Vorhaben, einen Asylnotstand auszurufen, um Gesetze teilweise am Parlament vorbei beschließen zu können, konnte sich Wilders nicht gegen den Koalitionspartner NSC durchsetzen. Die angekündigte breite Entlastung der niederländischen Landwirte blieb ebenfalls aus. Denn auch diese Regierung musste erkennen, dass die Belastungen für Böden und Grundwasser durch die Landwirtschaft viel zu hoch sind. Das höchste Verwaltungsgericht hat die Politik schon vor Jahren dazu verdonnert, endlich gegenzusteuern und EU-Grenzwerte einzuhalten.
Die Regierungskrise kommt zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt: In drei Wochen sind die Niederlande Gastgeber eines wichtigen NATO-Gipfels in Den Haag.