
Serbien Ein Präsident feiert sich selbst
In Serbien reißen die Proteste nicht ab - deswegen hat Präsident Vucic eine Großveranstaltung organisiert. Vor etwa 55.000 Menschen feierte er seine Regierung und seine Person.
Die Belgrader Innenstadt gleicht an diesem Wochenende einem Volksfest. Auf rund einem Kilometer ist die Stadt abgesperrt. Links und rechts der Straße stehen Stände unter weißen Zeltdächern. Drei Bühnen wurden aufgebaut. Gerade wird noch Musik gespielt, am Abend soll der serbische Präsident Aleksandar Vucic auftreten.
Es ist der Startschuss für die Gründung seiner "Bewegung für das Volk und den Staat". Drei Jahre lang hat Vucic eine neue Bürgerbewegung angekündigt. Nun, inmitten der wohl größten Krise seiner Karriere, soll es losgehen.
Tagelang hat er in Medien und auf seinen Social-Media-Kanälen dafür geworben: "Kommt alle zur großen Kundgebung! Ob ein paar Hundert oder ein paar Tausend - es spielt keine Rolle, wie viele Menschen kommen. Zeigen wir, dass wir keine Angst haben, denn uns ist nichts wichtiger als unser Staat. Nichts ist bedeutender."
Anhängerin: "Einigkeit zeigen"
Eine treue Anhängerin des Präsidenten ist seinem Aufruf gefolgt. Sie erwartet, "dass viele Menschen aus ganz Serbien kommen, um Einigkeit zu zeigen und dass wir eigentlich alle für den Frieden und die Freiheit sind und dafür, dass sich Serbien weiterentwickelt." Mit ihr sind rund 55.000 Menschen zur Kundgebung gekommen, wie das Archiv für öffentlichen Versammlungen später im Onlinedienst X mitteilen wird.
Auf dem Gelände hängen Plakate mit großer Aufschrift: "Ne damo Srbiju" - "Wir geben Serbien nicht her". Was das heißen soll, kann Vucics Anhängerin nicht erklären. Der Präsident selbst drückte es in einer pathetischen Fernsehansprache im regierungstreuen Sender Pink TV so aus: "Ein Serbe gibt seinen Staat niemandem - und wird niemals zulassen, dass er zerstört wird. Vielen herzlichen Dank. Danke für all eure Liebe und Unterstützung."

Etwa 55.000 Menschen haben an der Kundgebung teilgenommen.
Die, die Serbien zerstören wollen, sind in Vucics Augen die Menschen, die seit Monaten gegen ihn auf die Straße gehen. Wiederholt hat Vucic ihnen vorgeworfen, von fremden Mächten aus dem Ausland gelenkt zu sein, ohne konkret zu werden. Im Interview mit Pink TV droht er ihnen indirekt mit Rache und ziemlich direkt mit Strafverfolgung: "Ihr werdet zur Rechenschaft gezogen."
In seiner Rede am Samstagabend verkündet Vucic dann, er wolle dem Land mit seiner neuen Bewegung "neue Energie" verleihen. "Jeder Arbeiter, jeder Bauer ist willkommen. Jeder Mensch, der seinen Lebensunterhalt ehrlich verdient und für seine Kinder und sein Land kämpft, ist willkommen", rief er der Menge zu. Nicht willkommen seien dagegen "arrogante Politiker".
Traktoren am Straßenrand
Trotz seiner Ablehnung der Studenten ähnelt Vucics Volksfest an diesem Wochenende den Studenten-Demos auf seltsame Weise. Am Straßenrand stehen Traktoren, die eine breite Unterstützung der ländlichen Bevölkerung zeigen sollen. Frauen in Tracht verteilen Essen.
Auch bei den Studentenprotesten waren immer wieder Traktoren dabei. Die Studenten, die auf dem Weg zu ihren Demos oft das halbe Land zu Fuß oder mit dem Rad durchqueren, wurden immer wieder von der Bevölkerung mit Essen versorgt.
Ein Belgrader Passant empfindet Vucics Machtdemonstration in Belgrad daher als Farce: "Was die heutige Versammlung betrifft, ist klar, dass die Mehrheit der Menschen hier entweder wegen des eigenen Vorteils, wegen Unwissenheit oder weil sie gezwungen wurden, gekommen ist."
Proteste gegen Vucic halten an
270 Kilometer weiter südlich von Belgrad, in Novi Pazar, findet unterdessen die nächste Studenten-Demonstration statt. Wieder sind Tausende Studenten und Bürger aus dem ganzen Land mit dem Fahrrad, auf Motorrädern und zu Fuß gekommen, um gegen ihren Präsidenten zu protestieren.