
Aufregung im Netz Hamburger Schule feiert auch christliche Feiertage
Weil im Veranstaltungskalender einer Grundschule islamische, aber keine christlichen Feiertage eingetragen waren, wurde im Netz schon von einer Islamisierung geschrieben. Dabei handelte es sich nur um einen Fehler.
"Islamisierung im Kalifat Haramburg", "Islamisierung statt Vielfalt?", "Kein Weihnachten, dafür Ramadan": Eine Hamburger Grundschule hat in den sozialen Netzwerken vor allem in rechten Kreisen für ordentlich Aufregung gesorgt. Der Vorwurf: An der Theodor Haubach Schule, einer Grundschule im Hamburger Bezirk Altona, würden nur islamische Feiertage gefeiert werden. Denn nur diese seien in dem Veranstaltungskalender auf der Schulwebsite vermerkt. Dabei war der wahre Grund dafür schlicht ein technisches Problem.
Nicht ausschließlich islamische Feiertage vermerkt
Am 17. März hatte zunächst das rechtslibertäre Onlinemedium "Apollo News" über den Veranstaltungskalender der Grundschule berichtet. In dem Artikel heißt es unter anderem: "Während die Grundschule besonderen Wert darauf legt, die Hauptfeiertage des Islams in dem Schulkalender festzuhalten, fehlt in dem Kalender jede Spur der Daten christlicher Feiertage."
Dass "ausschließlich islamische Feiertage" in dem Kalender vermerkt seien, wie es in dem Artikel heißt, war allerdings von Anfang an falsch. Denn wie sich mit einem Web-Archiv nachvollziehen lässt, war auch das persische Neujahrsfest Nowruz in dem Kalender eingetragen - ein Fest, das keinen religiösen Hintergrund hat. Auch die Faschingsfeier der Schule im Februar war in dem Kalender vermerkt.
Allerdings stimmt es, dass viele Feiertage in dem Kalender fehlten: sowohl christliche wie Weihnachten, als auch nicht religiöse Feiertage wie der Tag der Arbeit. Auch Schulferien waren nicht im Kalender vermerkt.
Neues Informationstool sorgt für Kalender-Ärger
Der Grund dafür war jedoch keine "Islamisierung", wie viele Nutzer es in den sozialen Netzwerken und in den Kommentarspalten behaupteten. "Wir haben ein neues Informationstool für unsere Schule, mit dem wir erst seit sechs Monaten arbeiten", sagt Dagmar Solf, Schulleiterin an der Theodor Haubach Schule. "Unser Kalender ist mit diesem Tool auf der Homepage verbunden. Für alle Mitarbeitenden der Theodor Haubach Schule sind alle nationalen und christlichen Feiertage und auch die Ferien sichtbar. Diese sind in dem Tool voreingestellt."
Fälschlicherweise seien die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schule davon ausgegangen, dass die Feiertage und die Ferien auch für die Öffentlichkeit sichtbar seien auf der Website. "Leider hatten wir dies bisher nicht kontrolliert", sagt Solf. "Die Feiertage und Feste anderer Religionen hatten wir extra händisch eingepflegt, da einige unserer Schüler und Schülerinnen anderer als der christlichen Religion angehören und wir diese Feste in den Klassen thematisieren." Auf dem Kalender auf der Website waren jedoch ausschließlich diese händisch eingepflegten Feiertage und Feste zu sehen.
Bericht als Beweis für Verschwörungserzählung
Aus Sicht von Lea Frühwirth, Senior Researcher Desinformation beim CeMAS (Center für Monitoring, Analyse und Strategie), zeigt das Beispiel, wie sogenannte Alternativmedien mit irreführenden Berichten die Ressentiments ihrer Zielgruppe bedienen. Zwar seien die Meldungen über die fehlenden christlichen Feiertage nicht falsch gewesen, doch durch den fehlenden Kontext entstehe beim Publikum der Eindruck, dass die Schule aus einem ganz bestimmten Grund den Kalender so befüllt habe.
In einem Video der "Jungen Freiheit", die von einigen Politikwissenschaftlern als Sprachrohr der Neuen Rechten bezeichnet wird, heißt es, die Sache mit dem Veranstaltungskalender sei ein "klares Zeichen, dass eine ausgewogene Darstellung von Vielfalt in dieser Schule nicht stattfindet". Suggestiv wird dort auch die Frage aufgestellt, ob an der Schule "nicht vielmehr eine schleichende Islamisierung des öffentlichen Lebens forciert" werde, "bei dem christliche Identität in den Hintergrund gedrängt wird".
"Ich kann davon ausgehen, dass die Zielgruppe dieser 'Alternativmedien' eine gewisse Haltung zum Thema Islam und Migration hat", sagt Frühwirth. "Und wenn diese Zielgruppe nun die Meldung liest, kann man erahnen, wie sie es einordnet." An den Kommentaren zu den Artikeln sehe man, dass das wunderbar funktioniere. "Es wird interpretiert als vermeintlicher Beweis für die Islamisierung, für die Verschwörungserzählung vom Großen Austausch." Es seien nicht immer Desinformationen notwendig, um ein irreführendes Bild zu befördern.
Durch die Suggestion, dass christliche Feiertage durch islamische Feiertage ersetzt würden, sei das befeuert worden. "Muslime und der Islam werden schon länger als Feindbild stilisiert im verschwörungsideologischen und auch im rechtsextremen Spektrum. Und dem wird hier das vermeintlich einheitlich christliche, weiße Abendland entgegengestellt, das durch die vermeintlich bösen Fremden bedroht wird." Das sei eine Verkürzung auf allen Ebenen.
Screenshots von unterschiedlichen Zeitpunkten
Die Berichterstattung der sogenannten Alternativmedien und die Aufregung darüber im Netz erreichte auch die Schulleitung. "Als wir nun in unseren Märzferien davon erfahren haben, dass unsere Schule mit dieser Thematik in die Öffentlichkeit geraten ist, habe ich mich als Schulleitung natürlich sofort daran gesetzt und alle christlichen Feiertage, nationalen Feiertage sowie die Hamburger Schulferien nachgetragen und öffentlich gestellt", sagt Solf.
Das wiederum sorgte dafür, dass nun "Apollo News" und Co. fälschlicherweise das Verbreiten von Falschbehauptungen vorgeworfen wurde. So verbreitete unter anderem der Wetterexperte Jörg Kachelmann auf der Plattform X einen Screenshot von dem Veranstaltungskalender der Schule, auf dem auch die christlichen Feiertage zu sehen sind. Das liegt jedoch daran, dass er die Website zu einem späteren Zeitpunkt besucht hatte.
Als die ursprüngliche Nachricht über den Kalender verbreitet wurde, waren die Ferien und Feiertage noch nicht vermerkt. Durch die Änderungen der Schule sah das jedoch wenige Tage später bereits anders aus.
Fotos von Weihnachtswerkstatt auf Schulwebsite
Allerdings war der Schulwebsite von Anfang an zu entnehmen, dass an der Schule durchaus auch christliche Feiertage wie Weihnachten oder auch andere Feste wie Fasching und Laternenumzüge gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern gefeiert werden. Zwar waren sie nicht im Kalender vermerkt, jedoch gab und gibt es auf der Seite Bilder und Berichte von den einzelnen Festen, beispielsweise von der Weihnachtswerkstatt vom vergangenen Jahr.
Darauf weist auch Schulleiterin Solf hin: "Wie man beim genaueren Betrachten der Homepage feststellen wird, feiert die Theodor Haubach Schule christliche Feiertage. So besuchen wir als Schulgemeinschaft traditionell vor den Weihnachtsferien eine nahegelegene Kulturkirche und stimmen uns auf die Weihnachtszeit ein. Zudem haben wir eine sogenannte Weihnachtswerkstatt, die immer am Anfang Dezember stattfindet. Ostern wird hier wie an allen Grundschulen geschmückt, gebastelt und es werden Eier gesucht."
Dass auch andere Feiertage und Feste im Kalender der Schule festgehalten werden, erklärt Solf unter anderem mit dem Bildungsauftrag. "Feiertage und Feste anderer Religionen werden dem Bildungsauftrag entsprechend im Religionsunterricht oder entsprechend des Anlasses in der Klasse thematisiert." Zudem gebe es ein Projekt, bei dem sich die Schülerinnen und Schüler mit allen Weltreligion beschäftigten. "In vielen Klassen wird auf einem interkulturellen Kalender geschaut, welche besonderen kulturellen oder religiösen Ereignisse auf diesen Tag fallen."
Schulleiterin beklagt "sofortige Verurteilung"
"Wir hätten uns als Schulgemeinschaft gewünscht, dass es Anfragen gegeben hätte, aber nicht eine sofortige Verurteilung, Mutmaßungen über unsere Gesinnung/Haltung, Verunglimpfungen, Beleidigungen und Hassbotschaften", sagt Schulleiterin Solf. Dies entspreche ja auch nicht einer christlichen Gesinnung. "Der Hinweis hingegen war wichtig, damit wir Korrekturen vornehmen konnten."
Aus Sicht von Frühwirth zeigt das Beispiel mit der Grundschule ein grundsätzliches Problem mit den sogenannten Alternativmedien. "Bei sogenannten Alternativmedien werden journalistische Standards oftmals nicht eingehalten." Das führe dazu, dass wie in dem Fall der Hamburger Grundschule ein falscher Eindruck beim Publikum erweckt werde und rassistische Ressentiments verstärkt würden. "Wenn solche Nachrichten über einen längeren Zeitraum hinweg immer mal wieder platziert werden, dann kann es diese Ressentiments verstärken und eine Haltung fördern, die gefährlich ist."