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Debatte um Unions-Anfrage Müssen NGOs politisch neutral sein?

Stand: 26.02.2025 18:28 Uhr

Die Unionsfraktion will Klarheit über die politische Neutralität von Nichtregierungsorganisationen, die zu den jüngsten Demos gegen rechts aufgerufen hatten. Welche Pflichten gelten für staatlich geförderte Organisationen?

Von Alena Lagmöller, ARD-Rechtsredaktion

Die Unionsfraktion findet, dass die bundesweiten Proteste gegen ihre gemeinsame Abstimmung mit der AfD eine "gezielte parteipolitische Einflussnahme" unmittelbar vor der Bundestagswahl gewesen seien. An den Protesten hätten sich auch Organisationen beteiligt, die mit staatlichen Geldern gefördert werden, beziehungsweise gemeinnützige Organisationen, die aufgrund ihrer Gemeinnützigkeit steuerlich privilegiert seien.

Die Unionsfraktion hat der Bundesregierung in einer kleinen Anfrage nun in diesem Zusammenhang insgesamt 551 Fragen zu Organisationen wie Correctiv, BUND oder "Omas gegen Rechts" zugeleitet. Etwa: "Wie groß ist der Anteil der finanziellen Mittel des Vereins Omas gegen Rechts Deutschland, der aus staatlichen Förderprogrammen stammt?" Und: "Unterstützt die Correctiv GmbH politische Demonstrationen oder Proteste mit ihren finanziellen Mitteln?" Zu anderen Organisationen wurden ähnliche Fragen gestellt.

Förderprogramme und Gemeinnützigkeit

Grundsätzlich gibt es viele Möglichkeiten für den Staat, zivilgesellschaftliche Vereine, Stiftungen und Organisationen zu fördern. Eine davon sind Förderprogramme, bei denen Vereine und andere Organisationen sich auf Fördergelder bewerben können. Die Unionsfraktion interessiert sich in ihrer Anfrage zum Beispiel auch für das Förderprogramm "Demokratie leben!", das die Demokratie stärken und unter anderem Extremismus, Rassismus, Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit bekämpfen möchte.

Gefördert werden auch gemeinnützige Organisationen. Wer als Verein, Stiftung oder als GmbH gemeinnützig ist, wird steuerlich begünstigt. Außerdem können Spenden an gemeinnützige Organisationen von der Steuer abgesetzt werden. Das erhöht die Spendenbereitschaft und davon profitieren dann die gemeinnützigen Organisationen.

Wer ist gemeinnützig?

Eine Organisation ist gemeinnützig, "wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern". So steht es in § 52 Abgabenordnung. Dort gibt es einen langen Katalog von Zwecken, die gemeinnützig sind. Dazu gehören zum Beispiel die Förderung von Kunst und Kultur, Erziehung, Volks- und Berufsbildung oder auch die Förderung von Sport. Ob eine Organisation einen dieser Zwecke mit ihrer Tätigkeit erfüllt, prüft das örtliche Finanzamt.

Auf die parteipolitische Neutralität kommt es an

Gemeinnützige Organisationen dürfen sich in einem engen Rahmen politisch betätigen. Sie müssen also nicht absolut neutral sein. Erste Bedingung dafür: Das politische Engagement muss sich im Rahmen des gemeinnützigen Zwecks bewegen. Ein Verein, der sich für den Tierschutz engagiert, darf sich also auch für eine Verschärfung des Tierschutzgesetzes stark machen. Dabei muss sich der Verein auf sachliche und fundierte Argumente stützen und parteipolitisch neutral bleiben.

Einseitige Werbung für eine bestimmte Partei ist also nicht möglich. Das hat den Hintergrund, dass mit dem steuerlichen Privileg der Gemeinnützigkeit nicht durch die Hintertür der Wahlkampf einer Partei finanziert werden soll. Eine weitere Schranke: Die politische Betätigung muss sich im Verhältnis zu den übrigen Tätigkeiten des Vereins "im Hintergrund" halten.

Attac laut Bundesfinanzhof nicht gemeinnützig

Diese Maßstäbe hat der Bundesfinanzhof insbesondere in zwei Entscheidungen über die Gemeinnützigkeit des globalisierungskritischen Bündnisses Attac formuliert. Die Organisation hatte sich unter anderem darauf berufen, die politische Bildung zu fördern und deshalb gemeinnützig zu sein. Dies müsse, so der Bundesfinanzhof, in "geistiger Offenheit" erfolgen, man dürfe also nicht gezielt die Öffentlichkeit im Sinne eigener Meinungen beeinflussen.

Bei Attac stünde aber eine politische Betätigung im Vordergrund. So formulieren die Richterinnen und Richter in dem Urteil von 2019: "Die Einflussnahme auf politische Willensbildung und öffentliche Meinung ist kein eigenständiger gemeinnütziger Zweck im Sinne von § 52 AO." Der Organisation gehe es aber um eine "öffentlichkeitswirksame Darstellung und Durchsetzung eigener Vorstellungen zu tagespolitischen Themen und damit um die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und auf die öffentliche Meinung." Deshalb sei Attac nicht gemeinnützig.

Gegen diese Entscheidung hat die Organisation 2021 Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. Über die Verfassungsbeschwerde hat das Gericht noch nicht entschieden.

Gelegentliche Stellungnahme zur Tagespolitik erlaubt

Es gibt aber durchaus die Möglichkeit, dass sich zum Beispiel Vereine auch zur Tagespolitik äußern und Stellung beziehen. "Gelegentliche Stellungnahmen zu tagespolitischen Themen" sind erlaubt, auch wenn diese nicht unmittelbar dem Satzungszweck entsprechen. Das ergibt sich aus dem Anwendungserlass des Bundesfinanzministeriums zur Abgabenordnung.

So könnte sich zum Beispiel auch ein Sportverein aus aktuellem Anlass für Klimaschutz oder gegen Rassismus positionieren, ohne dass dies die Gemeinnützigkeit des Vereins gefährden würde. Der Verein darf die Tagespolitik aber nicht in den Mittelpunkt seiner Tätigkeit stellen.

Wenn sich gemeinnützige Organisationen nicht an die rechtlichen Vorgaben halten, kann das zuständige Finanzamt ihnen die Gemeinnützigkeit absprechen - mit der Folge, dass die steuerliche Begünstigung wegfällt. Ob eine solche Aberkennung zulässig ist oder nicht, müssen dann im Zweifel die Finanzgerichte prüfen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 26. Februar 2025 um 17:40 Uhr.