Köln: Ein Schild mit der Aufschrift "Notar" an einem Gebäude.

BVerfG-Verhandlung Dürfen Über-70-Jährige noch als Notar arbeiten?

Stand: 25.03.2025 18:09 Uhr

Mit spätestens 70 Jahren müssen Notare in den Ruhestand. Ein 71-jähriger Jurist aus Nordrhein-Westfalen will das nicht akzeptieren und ist gegen die Altersgrenze bis vor das Bundesverfassungsgericht gezogen.

Von Egzona Hyseni, ARD-Rechtsredaktion

Viele Menschen freuen sich auf ihren Ruhestand. Ganz anders ist das bei Dietrich Hülsemann, einem Anwalt aus Dinslaken in Nordrhein-Westfalen. Er ist neben seinem Beruf als Anwalt auch Notar. Und als solcher will er nicht in den Ruhestand, muss aber - denn er ist 71 Jahre alt und liegt damit über der gesetzlichen Altersgrenze.

Laut Gesetz (§ 47 Nr. 2 in Verbindung mit § 48a Bundesnotarordnung) scheiden Notare zwingend mit 70 Jahren aus dem Beruf aus. Der Gedanke dahinter: Der Beruf soll "verjüngt" werden. Das heißt, jüngere Bewerber sollen die Möglichkeit bekommen, rechtzeitig in den Notarberuf einzutreten.

Der Notar aus NRW hatte gegen die gesetzliche Altersgrenze geklagt. Er meint, die Regelung sei altersdiskriminierend und verstoße gegen die Berufsfreiheit, die vom Grundgesetz geschützt werde. Es gebe keinen Grund, ihn in den Ruhestand zu zwingen - und argumentiert mit Nachwuchsmangel.

Karlsruhe: Dietrich Hülsemann, Notar aus Nordrhein-Westfalen und Beschwerdeführer, steht im Verhandlungssaal des Bundesverfassungsgerichts vor der Richterbank.

Dietrich Hülsemann will seinen gesetzlich geregelten Ausschluss aus dem Notarberuf nicht akzeptieren und zieht vor das Bundesverfassungsgericht.

Niederlage vor dem BGH

Notar Hülsemann klagte durch alle Instanzen - und verlor schließlich 2023 vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Der BGH hatte damals die gesetzliche Altersgrenze abgesegnet. Die sei erforderlich, um den Generationenwechsel zu erleichtern. Der BGH entschied: Wenn es die gesetzliche Altersgrenze nicht gäbe, würden ältere Anwaltsnotare ihre "Stamm-Mandanten" zu lange behalten. Jüngere Bewerber hätten so keine Aussicht auf genügend Aufträge, damit sich ihre Arbeit lohnt.

Das Argument überzeugte Hülsemann nicht. Denn der Gesetzeszweck der Regelung zur gesetzlichen Altersgrenze sei gewesen, dass die Generationengerechtigkeit gefördert werden solle. Das heißt, die alten Notare müssten raus, damit genügend junge Notare nachkommen könnten. Wenn die aber nicht nachkommen, bräuchten die alten ja gar nicht aufhören.

Der ARD-Rechtsredaktion erläutert Hülsemann: "Viele Bezirke konnten gar nicht besetzt werden. Bei uns in Dinslaken waren über zehn Jahre jeweils sechs Stellen ausgeschrieben und es hat sich vielleicht einer oder gar keiner gemeldet."

Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht

Seiner Ansicht nach braucht es die gesetzliche Altersgrenze für Notare deshalb nicht mehr. Gegen die Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2023 hat Hülsemann deshalb Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt, über die heute verhandelt wurde.

In der Verhandlung argumentierte der Rechtsanwalt des Notars, Gregor Thüsing, unter anderem mit der steigenden Lebenserwartung der Menschen. 70 sei da nicht mehr wirklich alt. Schließlich werde sogar der künftiger Kanzler - Friedrich Merz - in wenigen Monaten 70.

Die Vertreterin der Bundesregierung, Heike Neuhaus, betonte jedoch weiterhin, dass die Altersgrenze wichtig sei, um den Generationenwechsel im Notariat zu ermöglichen. Junge Bewerber bräuchten Planungssicherheit. Der Bewerbermangel sei auch nicht so hoch, wie Hülsemann behaupte.

In der Verhandlung wurden auch Experten angehört - etwa auf dem Gebiet der Altersforschung. Wissenschaftlerin Jenna Wünsche sagte, aus Sicht ihrer Disziplin gebe es keinen Grund, Notare mit 70 Jahren in den Ruhestand zu schicken. Auch wenn der Beruf des Notars kognitiv hohe Leistungen fordere, könnten auch 70-jährige solche Leistungen noch erbringen.

Tätigkeit als Anwalt weiter möglich

Mit all diesen Argumenten werden sich die Richterinnen und Richter des 1. Senats in Karlsruhe jetzt auseinandersetzen müssen.

Hülsemann jedenfalls hofft, dass er bald wieder als Notar arbeiten darf. Er fühlt sich dafür auch fit genug: "Ich hätte keine Probleme noch zehn, 15 Jahre weiterzuarbeiten. Ich lebe nahezu vegan und halte mich sportlich fit. Ich habe sogar Boxtraining genommen, um körperlich in Kondition zu bleiben. Ich gehe morgens um acht Uhr ins Büro und abends um acht Uhr wieder raus."

Auch seine Mandanten würden auf seine Rückkehr als Notar hoffen. Am Abend vor der Verhandlung habe er von ihnen 20-30 Nachrichten bekommen. Sie hätten ihn ermutigt, "die Sache heute durchzustehen", erzählt er.

Falls das Bundesverfassungsgericht am Ende entscheidet, dass die gesetzliche Altersgrenze verfassungsrechtlich in Ordnung ist, dann wäre Hülsemanns Notarkarriere endgültig zu Ende. Als Anwalt dürfte er aber weiterarbeiten.

Mit einem Urteil ist frühestens in einigen Monaten zu rechnen.