
Sozialkaufhaus der Caritas "Die Not ein wenig lindern"
Vor einem Sozialkaufhaus in Speyer bilden sich regelmäßig Schlangen. Die Nachfrage ist hoch - und wächst. Vielen Kunden bleibt kaum Geld zum Leben, nur hier können sie sich etwas leisten.
Es ist kurz vor 10 Uhr vormittags, noch hat das Sozialkaufhaus "Warenkorb" in Speyer gar nicht geöffnet. Trotzdem stehen schon etliche Menschen vor der Tür an. Gerade erst hat das Sozialkaufhaus neue Räume im Gewerbegebiet bezogen, Arbeiter sind noch damit beschäftigt, den Schriftzug des Vorgänger-Marktes zu entfernen.
Wer im "Warenkorb" einkauft, hat meist wenig Geld oder sogar finanzielle Nöte. Aber es kommen auch Menschen aus Überzeugung hierher, weil ihnen Nachhaltigkeit wichtig ist. Denn was hier verkauft wird, ist nicht neu, sondern gebraucht: Spenden von Privatpersonen oder aus Haushaltsauflösungen: Secondhand-Kleidung, Geschirr, Bettwäsche, Möbel, Kuscheltiere, Bücher - alles zu einem sehr niedrigen Preis.

Die Auswahl im Sozialkaufhaus "Warenkorb" in Speyer ist groß.
"Tolle Sachen, die man sich sonst nicht leisten kann"
Dusica Leisenberg gehört zu den ersten, die heute hier einkaufen. Sie ist mit ihren erwachsenen Töchtern unterwegs. Nach weniger als zehn Minuten haben sie schon einen Kochtopf, eine Gemüsereibe, eine Kuscheldecke und eine DVD in ihrem Einkaufskorb.
Die Familie geht gern ins Sozialkaufhaus. "Hier gibt es tolle Sachen, die man sich sonst nicht leisten kann", sagt Julia Leisenberg, die aktuell keinen Job hat. Selbst in den günstigen Läden kosteten neue Pullover mindestens 15 Euro im Angebot, daher sei sie froh über die gebrauchte Kleidung im Sozialkaufhaus.
Soziale Probleme werden sichtbar
Die Politik sollte für einen besseren Arbeitsmarkt, also mehr Arbeitsplätze sorgen, wünscht sich Leisenberg. Aktuell besuche sie eine Coaching-Maßnahme der Arbeitsagentur, erzählt sie. Und ihre Schwester, die aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten könne, wie sie sagt, hätte gern, dass die künftige Bundesregierung mehr fürs Gesundheitssystem tue.
Viele, die im Sozialkaufhaus in Speyer einkaufen, wollen gar nicht reden, einige ihren Namen nicht nennen. Jan Z. wohnt 20 Minuten entfernt von Speyer. Er kauft für seine Kinder drei kleine Spiele ein, zusammen kosten die rund drei Euro. "Ich bin geschieden, muss Unterhalt zahlen und daher sparen, wo es geht."
Und das obwohl er zwei Jobs habe, erzählt er. "Der normale Bürger und die Geringverdiener müssen dringend finanziell entlastet werden", fordert Jan Z. mit Blick auf die Bundestagswahl.

Viele Kundinnen und Kunden können sich nur im Sozialkaufhaus etwas leisten.
Immer mehr Kunden: Rentner, Bürgergeld-Empfänger, Geflüchtete
Das Sozialkaufhaus ist eine Einrichtung des Caritasverbands für die Diözese Speyer. Peter Lehmann ist dort für mehrere Sozialkaufhäuser verantwortlich. In den vergangenen Jahren hat er einen Anstieg der Kundenzahlen beobachtet. "Ich denke aus unserer Erfahrung, dass die Bedürftigkeit zunimmt. Das merken wir an den Kundenzahlen, an der Zahl der Teile, die wir im Markt umschlagen und daran, wie viele Spenden wir brauchen."
Es seien häufig Bürgergeld-Empfänger oder Rentner, die kämen, aber auch Flüchtlinge. Im Schnitt kauften bis zu 250 Leute am Tag allein in der Einrichtung in Speyer ein. Zur Eröffnung in den neuen Räumen waren es deutlich mehr.
"Wir schließen eine Lücke"
Lehmann ist angesichts der hohen Nachfrage im Sozialkaufhaus zwiegespalten. Auf der einen Seite sei es traurig, dass es solche Einrichtungen brauche. Auf der anderen Seite gebe es aber eine Realität, die man nicht leugnen könne. "Und dann ist es gut, dass wir den Menschen so ein wichtiges Angebot machen können und für den ein oder anderen vielleicht die Not ein wenig lindern können. Wir schließen eine Lücke", sagt er.
Für Bedürftige sei es eine Möglichkeit, sich beispielsweise mit guter Kleidung einzudecken. Oder dem Kind ein schönes Geschenk zu machen, das sonst vielleicht nicht möglich wäre. Auch Peter Lehmann fordert, dass sich etwas ändert in Deutschland, damit Menschen mit ihrem Einkommen, ihrer Rente oder der staatlichen Hilfe gut über die Runden kommen können.
Schuldzuweisungen bringen nichts in seinen Augen, vielmehr müsse nach Lösungen gesucht werden: "Es darf nicht passieren, dass eine Familie in Existenzängste gerät jeden Monat, weil die Gasrechnung noch kommt und das Benzin so teuer ist."
200 Euro zum Leben: Das reicht "gerade so"
Eine Rentnerin sucht im "Warenkorb" in Speyer nach etwas Hübschem für ihre Enkelin. Sie liebäugelt mit einem Pullover, der vorne mit einem bunten Einhorn bedruckt ist, ein Euro soll der kosten. "Ich komme mit meiner Rente gerade so über die Runden. Nach Abzug der Miete und Nebenkosten bleiben mir noch knapp 200 Euro zum Leben", sagt die 68-Jährige. Von der Politik fordert sie mehr Unterstützung für Menschen mit geringer Rente.

Ein gefüllter Einkaufswagen im Sozialkaufhaus. Die Einrichtung ist auf regelmäßige Spenden angewiesen.
Eine ehemalige Verkäuferin, die schon länger keinen Job mehr hat, steht mit ihrem Einkaufskorb an der Kasse an. Für sich selbst kauft sie eine Strickjacke, für ihre Nichte ein kleines Bastelset. "Ich komme gern hierher, weil ich mir hier noch Sachen leisten kann." Es fällt ihr schwer, ihre finanziell schwierige Situation einzugestehen.
Von der künftigen Bundesregierung würde sie sich wünschen, dass bessere Arbeitsbedingungen geschaffen werden. "Weniger befristete Verträge, wie ich einen hatte, damit man nicht so schnell arbeitslos werden kann und nicht ständig unter so großem Druck steht." Aber die meisten Parteien kümmerten sich nicht um Schwache und Bedürftige, kritisiert die 53-Jährige.
Auch an normalen Tagen ist der Andrang groß
Auch viele Flüchtlinge und Menschen mit Migrationshintergrund kaufen regelmäßig im Sozialkaufhaus der Caritas in Speyer ein. Bohdana Kuksa aus der Ukraine deckt sich mit Küchengeschirr ein. Auf Englisch erzählt sie, dass sie erst vor kurzem aus der Ukraine hierhergekommen sei. Olena Talakova kommt aus Odessa, sie sagt: "Ein schöner Laden und gute Preise."
Balu Fiu stammt aus Rumänien und schiebt einen vollen Einkaufswagen in Richtung Kasse, beladen unter anderem mit einem Filzhut, Geschirr, Turnschuhen und einem Nähkorb. Um zu bezahlen, muss er so kurz nach dem Umzug des Sozialkaufhauses in die neuen Räume im Gewerbegebiet von Speyer lange anstehen.
Aber auch an normalen Tagen ist der Andrang in Speyer groß. "Die Leute warten regelmäßig draußen, bevor wir morgens aufmachen, nicht nur heute", sagt Peter Lehmann. Er sieht die nächste Bundesregierung in der Verantwortung. Die Schere zwischen arm und reich dürfe nicht weiter auseinandergehen, das soziale Gleichgewicht in Deutschland müsse wieder hergestellt werden.