Der iranische Außenminister Abbas Araghchi bei einer Veranstaltung in Teheran

Treffen mit Irans Außenminister Europäer versuchen es mit Diplomatie

Stand: 20.06.2025 05:34 Uhr

In Genf treffen sich heute mehrere europäische Außenminister mit ihrem iranischen Kollegen. Kann eine Annäherung gelingen? Der große militärische Druck auf Teheran könnte dies begünstigen.

Von Oliver Sallet, ARD-Hauptstadtstudio

Vor dem Auswärtigen Amt sehnen sich einige Demonstranten nach der Monarchie. Ein paar Dutzend Menschen sind dem Aufruf von Alireza Sina zu einer Kundgebung gefolgt. "Maximalen Druck auf das iranische Regime" fordern sie auf Transparenten und halten Fotos von Reza Pahlavi in die Luft. Er ist der älteste Sohn des letzten Shahs und iranischer Kronprinz.

Sina hat eine Botschaft an die Bundesregierung mit in die Hauptstadt gebracht. Die für heute geplanten Verhandlungen mit dem Iran findet er falsch. Stattdessen solle Deutschland "jegliche Beziehungen mit dem Regime abbrechen". Die EU versuche, mit "Appeasement-Politik" den Iran zu verändern. "Was hat das in den letzten 46 Jahren gebracht? Nichts!", gibt sich Sina überzeugt.

Wadephul: Iran bedroht "auch uns"

Die Verhandlungen werden wohl trotz Sinas Intervention stattfinden. Im schweizerischen Genf wollen die Außenminister der sogenannten E3, also Deutschland, Frankreich und Großbritannien, mit ihrem iranischen Amtskollegen Abbas Araghchi über die Zukunft des Atomprogramms sprechen. Auch die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas soll an dem Gespräch teilnehmen.

Wo die Bundesregierung in dem Konflikt steht, hat Bundeskanzler Friedrich Merz erst vor wenigen Tagen im ARD-Interview klargemacht: "Es wäre gut, wenn dieses Regime an sein Ende käme", sagte Merz an Teheran adressiert.

Außenminister Johann Wadephul spricht in der ARD-Sendung Maischberger von der Bedrohung, die vom Iran ausgehe und nicht nur Israel betreffe, sondern "auch uns". Zwar habe der Iran sein Atomprogramm zuletzt verlangsamt. Die Anreicherung jedoch "unzweifelhaft fortgesetzt" und zwar "deutlich über einem zivilen Niveau". Welche Vermittlerrolle kann Deutschland also einnehmen und mit welchen Erwartungen reisen die E3-Minister nach Genf?

Röttgen: "Wirklicher Unterschied" in Nahost-Politik

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union im Bundestag, Norbert Röttgen, hat die Ampel-Regierung oft für ihre nicht schlüssige Iran-Politik kritisiert. Jetzt sieht er Deutschland in einer "klaren Position". Sein Parteifreund und Bundeskanzler Merz habe "Führung übernommen" und klargemacht, dass die Gefahr vom Iran ausgehe, indem das Land versuche Atommacht zu werden.

Das sei ein entscheidender Punkt und "wirklicher Unterschied zur früheren Nahostpolitik", so Röttgen. Ob es auch zu einem wirklichen Unterschied bei den Verhandlungen kommt, bleibt unklar. Röttgen weist auch darauf hin, dass der Iran in Verhandlungen jahrelang die "Europäer an der Nase herumgeführt" habe, um Atommacht zu werden.

Deutschland maßgeblich an letztem Abkommen beteiligt

Warum also weiter verhandeln, wenn Diplomatie auch in der Vergangenheit das iranische Atomprogramm nicht stoppen konnte? "Wir müssen beweisen, dass wir noch in der Lage sind, Konflikte auf dieser Welt diplomatisch zu lösen“, sagt der außenpolitische Sprecher der SPD, Adis Ahmetovic.

Das iranische Regime müsse zurück an den Verhandlungstisch bewegt werden. Deutschland genieße großes Vertrauen im Nahen Osten, auch wegen der Rolle bei den Verhandlungen zum Atomabkommen von 2015, so Ahmetovic. 

Tatsächlich war Deutschland vor zehn Jahren maßgeblich am Zustandekommen des Atomabkommens mit dem Iran beteiligt. Neben den E3-Ländern gehörten damals noch die USA, Russland und China der Verhandlungsgruppe an.

2018 stiegen die USA unter US-Präsident Trump einseitig aus dem Atomabkommen aus. Die Amerikaner sitzen in Genf zwar nicht mit am Tisch, Ahmetovic setzt aber dennoch auf Erfolg: einen ähnlichen Deal wie 2015 zu finden, sei "genau richtig."

Nouripour: Unklarheiten zu US-Erwartungen

Der Grünen-Politiker und stellvertretende Bundestagsvizepräsident Omid Nouripour sagt im ARD-Morgenmagazin, er halte die diplomatischen Bemühungen für "sehr gut und wichtig." Vielmehr sei es vielleicht die letzte Chance "um den ganz großen Knall" zu verhindern. Er ist selbst als 13-Jähriger mit der Familie aus dem Iran nach Deutschland geflohen.

Aber während die Europäer darüber reden möchten, dass der Iran das Atomprogramm nur zivil nutzt, sprach US-Präsident Trump zuletzt von "bedingungsloser Kapitulation". Wenn es nach ihm geht, soll der Iran sein Atomprogramm komplett aufgeben. "Da gibt es große Unklarheiten", sagt Nouripour. "Daher ist die Frage, ob die Europäer so verhandeln, damit die Amerikaner zufrieden sein können".

Aufgabe des Atomprogramms als "geringeres Übel"

Zwar ist die europäische Diplomatie in der Vergangenheit schon oft an ihre Grenzen gestoßen. Außenpolitiker Röttgen sieht in den Gesprächen in Genf dennoch ein Chance, denn die Situation des Irans sei jetzt eine andere, das Regime existenziell bedroht.

Möglicherweise ist eine Aufgabe des Atomprogramms für sie aktuell "das geringere Übel", sagt Röttgen. "Die Gelegenheit sollte dem Regime gegeben werden. Es ist gut, sie durch die Europäer zu bekommen".

Kathrin Hondl, ARD Genf, tagesschau, 20.06.2025 06:27 Uhr