Gerhart Baum

FDP-Politiker Früherer Innenminister Gerhart Baum gestorben

Stand: 15.02.2025 16:35 Uhr

Der frühere Innenminister Gerhart Baum ist tot. Er starb mit 92 Jahren, wie seine Frau bestätigte. Baum war einer der prägenden Politiker der FDP. Er vertrat deren sozialliberalen Flügel und setzte sich für Bürgerrechte ein.

Der FDP-Politiker Gerhart Baum ist im Alter von 92 Jahren gestorben. Das bestätigte seine Frau der ARD. Baum war von 1978 bis 1982 Bundesinnenminister unter Kanzler Helmut Schmidt und setzte sich bis ins hohe Alter für Bürger- und Freiheitsrechte ein.

Baum gehörte neben seinem im März 2020 gestorbenen Freund Burkhard Hirsch zur zuletzt kleinen Gruppe sozialliberaler FDP-Mitglieder, die sich mit Hildegard Hamm-Brücher und dann auch Sabine Leutheusser-Schnarrenberger im Freiburger Kreis zusammenschlossen. Das bedeutete quasi linksliberale Opposition in der eigenen Partei.

Seit 1954 in der FDP

Geboren 1932 in Dresden als Sohn eines Anwalts, erlebte Baum mit 13 Jahren die Bombardierung der Stadt. Die Flucht mit der Mutter und seinen zwei Geschwistern und der Tod des Vaters in Kriegsgefangenschaft waren Erfahrungen, die ihn ein Leben lang prägten.

1954 trat Baum als Jurastudent in Köln in die FDP ein. Als Bundesinnenminister versuchte er zwischen 1978 und 1982 den Spagat zwischen dem Schutz vor Terror und dem Schutz von Bürgerrechten. Er schaffte den sogenannten Radikalen-Erlass ab, also die Überprüfung von Bewerbern für den öffentlichen Dienst, und sorgte für einen Eklat, als er öffentlich mit dem früheren RAF-Anwalt Horst Mahler diskutierte.

Nach der Wende der FDP von der SPD zur Union 1982 war die sozialliberale Koalition am Ende. Etliche - vor allem junge - FDP-Mitglieder verließen damals die Partei. Baum blieb und war von 1982 bis 1991 noch FDP-Vize. Später meldete er sich immer wieder zu Wort, wenn er den Eindruck hatte, dass seine Partei zu sehr in neoliberale Gewässer abdriftete. Manche sahen in ihm einen Querulanten, andere das linksliberale Gewissen der FDP.

Mehrfach Beschwerde vor dem BVerfG

1994 schied Baum aus dem Bundestag aus, sein Kampf für Bürgerrechte aber ging weiter. Gleich mehrfach legte er Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht ein, zum Beispiel gegen den sogenannten Großen Lauschangriff - und bekam Recht. Als Rechtsanwalt vertrat er unter anderem Opfer des Ramstein-Unglücks, sowjetische Zwangsarbeiter und Betroffene der Loveparade-Katastrophe in Duisburg.

Für seinen Einsatz für Bürger- und Menschenrechte erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem 1980 das Bundesverdienstkreuz (Großes Verdienstkreuz) und 2017 den Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen.

Sorge wegen Rechtsruck in Deutschland

Große Sorgen machten Baum zuletzt vor allem der Rechtsextremismus und das Erstarken der AfD. Er sprach gegenüber der Zeit von der "größten, stärksten und gefährlichsten Bedrohung unserer Demokratie seit 1945". In einem Interview mit tagesschau24 im vergangenen Jahr warnte er, dass die Radikalisierung von Teilen des Bürgertums das Grundgesetz gefährde.

Am Ende seines Lebens musste sich der überzeugte Demokrat eingestehen, dass westliche Werte unter Druck standen. Das war für ihn aber kein Grund zur Resignation. Was Deutschland betraf, wandte er sich gegen Schwarzseherei: "Wir haben immer noch eine stabile Demokratie und keine gespaltene Gesellschaft. Reden wir uns das nicht ein. Wir haben Gefährdungen der Freiheit, vor allem durch Rechtsextremismus, das nehme ich sehr ernst. Aber immer noch haben wir eine sehr starke, geglückte Demokratie."

Lindner: "Eine der kräftigsten Stimmen für Freiheit"

FDP-Chef Christian Lindner würdigte den Verstorbenen als großen Verfechter von Freiheit und Bürgerrechten. "Mit Gerhart Baum haben unser Land und die Freien Demokraten eine der kräftigsten Stimmen für Freiheit, Menschenrechte und Demokratie verloren", teilte er mit. "Er war eine unabhängige Persönlichkeit mit kritischem Urteil, die unsere liberale Familie gestärkt hat." Die Freien Demokraten seien Baum zu großem Dank verpflichtet. "Sein Rat und sein kritischer Blick werden uns fehlen."

Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann nannte Baum einen großen Streiter für die Bürgerrechte. Baum sei ein "unbequemer Impulsgeber" und ein "hartnäckiger Diskutant" gewesen, "der seine Partei und seine Parteifreunde bis zum Äußersten reizen konnte", schrieb sie auf X. "Niemand von uns blieb verschont. Trotzdem bildete er einen wichtigen Pol." FDP-Fraktionschef Christian Dürr nannte Baum einen unbeugsamen Streiter für die liberale Demokratie.

Scholz: "Um Deutschland verdient gemacht"

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von einem "großen Liberalen und engagierten Demokraten". Bis zuletzt habe er sich klug zu Wort gemeldet "und sich um Deutschland verdient gemacht", schrieb Scholz auf der Internetplattform X und ergänzte: "Meine Gedanken sind bei seinen Angehörigen und Freunden." Auch Vizekanzler Robert Habeck zeigte sich bestürzt. Das Vermächtnis und der Auftrag Baums seien, die liberale Demokratie, die Freiheit und den Rechtsstaat zu schützen, sagte der Grünen-Politiker.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) erklärte: "Ob als Anwalt, als Mitglied des Rates der Stadt Köln oder des Deutschen Bundestages, ob als Parlamentarischer Staatssekretär oder als Bundesminister des Innern: Gerhart Baum hat sich ununterbrochen für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt." Auch der Linken-Politiker Gregor Gysi würdigte den früheren Bundesinnenminister: "Mit Gerhart Baum ist ein aufrechter Liberaldemokrat gestorben", erklärte Gysi.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 15. Februar 2025 um 13:45 Uhr.