
Bundestagspräsidentin Klöckner Polarisierend oder präsidial?
Bundestagspräsidentin Klöckner ist noch relativ neu in ihrem Amt. Die ehemalige Landwirtschaftsministerin gilt als energisch, spontan und meinungsstark. Nach zehn Sitzungstagen ergibt sich ein erster Eindruck.
Julia Klöckners Stil als Bundestagspräsidentin ist - man könnte sagen - resolut. Ganz gleich, ob ein AfD-Abgeordneter die Linken als "diktatorische Freunde" bezeichnet oder eine Linke die von der AfD als Faschisten. Klöckner schreitet ein. Als eine Linke ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Palestine" trägt, bittet Klöckner die Abgeordnete, etwas anderes anzuziehen oder den Saal zu verlassen.
Auch wenn es bei Abgeordneten der Regierungsfraktionen rumort, lässt Klöckner sich das nicht bieten. Das fängt schon bei der Begrüßungsformel an. Sie soll niemanden ausschließen oder herabsetzen. Beispiel: Anredeformeln wie "Liebe Kollegen der demokratischen Fraktion und liebe Ewiggestrige", die sich gegen die AfD richten sollen, werden gerügt.
Staatsgäste, Reden, Bürgernähe
So geht es seit gerade mal zehn Sitzungstagen. Davon abgesehen nimmt Klöckner als Nummer zwei im Staat auch internationale Verpflichtungen wahr. Sie hat die Staatschefs Frankreichs, Israels und der Ukraine getroffen und mit Parlamentspräsidenten anderer Länder gesprochen. Der Stellenwert der Parlamente in der internationalen Zusammenarbeit hat zugenommen, weil die Demokratie in vielen Ländern unter Druck gerät. Eine Herausforderung, der Klöckner sich zu stellen scheint.
Im Bundestag hat sie sich mit einer Gedenkrede zum 8. Mai Anerkennung erworben. Bei Begegnungen mit Bürgerinnen und Bürgern fällt auf, wie freundlich und herzlich sie auf Menschen zugehen kann. Dem ARD-Hauptstadtstudio beschrieb die Bundestagspräsidentin ihr Amtsverständnis - insbesondere bei der Sitzungsleitung - so: "Das ist mein Job, den habe ich ordentlich zu erledigen und vor allen Dingen in dem Sinne, dass die Demokratie sich nicht blamiert und der Deutsche Bundestag, sondern, dass wir einladen und Lust auf mehr machen."
Klöckner fordert mehr Präsenz von Ministern
Um mehr geht es Klöckner auch in anderer Hinsicht. Um mehr Respekt im Hohen Haus, der sich ihrer Meinung nicht nur im Umgang der Abgeordneten miteinander zeigen soll, sondern auch dadurch, dass mindestens zwei Minister auf der Regierungsbank präsent sind. Darum hat Klöckner in einem Brief an das Kanzleramt gebeten. Britta Haßelmann von den Grünen gefällt das: "Da hat die Bundestagspräsidentin meine volle Unterstützung, wenn sie sich dafür stark macht und an die Regierung appelliert, denn durch Abwesenheit glänzen ist nicht die Aufgabenbeschreibung von Ministern."
Apropos Aufgabenbeschreibung: Bei einer Bundestagspräsidentin gehören erhöhte Social-Media-Aktivitäten bisher nicht unbedingt dazu. Allerdings gilt Klöckner in den vergangen Jahren als äußerst rege, was Postings, Clips und Tweets angeht. Dabei wirkt sie manchmal impulsiv und unüberlegt, etwa als sie zuletzt einen Post geteilt hat, in dem Bundeskanzler Friedrich Merz angeblich eine Fernsehmoderatorin "fertigmacht". Das löste bei vielen Stirnrunzeln aus. Heidi Reichinnek, kommissarische Fraktionschefin der Linken und deren TikTok -Star, empfiehlt der Bundestagspräsidentin, sie sollte sich "vielleicht mal eine kleine Social-Media-Pause gönnen". Dass sie einen derart scharfen Angriff auf eine Journalistin des Öffentlich-Rechtlichen teile, sei ihrem Amt absolut nicht angemessen.
Im Ergebnis ein resoluter Stil
Die Strenge der Julia Klöckner und ihrer Vizes verwundert kaum: Alle im Präsidium sind neu in dieser Funktion, das Parlament ist an den Rändern stärker geworden. Da geht es erst einmal darum, sich Respekt zu verschaffen, auch indem man niemanden benachteiligt oder bevorzugt.
Vielleicht auch deshalb hält der parlamentarische Geschäftsführer der AfD, Bernd Baumann, sich mit einem Urteil noch zurück: "Ich wünsch Frau Klöckner alles Gute, ich hab den einen oder anderen ordentlichen Eindruck von ihr gewonnen, aber es ist einfach noch zu früh." Trotzdem ist Baumann natürlich sauer, dass seine Fraktion seit Jahren im Bundestagspräsidium nicht vertreten ist. Sämtliche AfD-Kandidaten für den Posten erhielten bisher nicht die erforderliche Mehrheit.
Die AfD klagt gegen die Hochstufung. Wegen der rechtlichen Befassung hat der Verfassungsschutz nun eine "Stillhaltezusage" abgegeben. Das bedeutet, dass es die Einstufung bis zu einer juristischen Klärung im Eilverfahren vorläufig aussetzt und auch die Pressemitteilung dazu löscht. Gleichzeitig hat das Amt damit aber keine Aussage zur Sache getroffen. Die Stillhaltezusage ist also kein Eingeständnis, etwas falsch gemacht zu haben. Sie sagt auch nichts darüber aus, wie groß die Erfolgsaussichten von AfD-Eilantrag und -Klage sind.
Begründet hatte der Verfassungsschutz die Hochstufung in der Pressemitteilung zuvor unter anderem so: "Das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar." Es ziele darauf ab, bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen.
Während mehrere AfD-Landesverbände bereits seit Längerem als "gesichert rechtsextremistisch" bewertet werden, galt die Gesamtpartei zuvor als sogenannter Verdachtsfall. Der neuen Einstufung ging eine dreijährige Prüfung durch den Verfassungsschutz voraus.
Julia Klöckner von der CDU dagegen hat eine auskömmliche Mehrheit bekommen. Die 52-Jährige hat bereits eine lange Karriere absolviert und sagt: "Das ganze Leben ist eine Vorbereitung auf die Sitzungsleitung." Immerhin ist sie seit etwa 20 Jahren Parlamentarierin und kennt die verschiedenen Perspektiven: als Ministerin für Landwirtschaft, als Oppositionspolitikerin, als Abgeordnete einer Koalitionsfraktion. "Ich hab das im Rucksack, was ich brauche, also Durchsetzungsstärke, etwas Wohlwollen, aber dann auch Konsequenz und Disziplin."
Das Ergebnis ist ein ziemlich resoluter Stil. Die Abgeordneten werden sich wohl daran gewöhnen müssen.