
Merz bei Trump Ein schwer vorhersehbarer Besuch
Mit Friedrich Merz reist ein überzeugter Transatlantiker nach Washington. Doch mit US-Präsident Trump sind viele Gewissheiten verschwunden. Was vom Besuch des Bundeskanzlers in den USA zu erwarten ist.
Friedrich Merz ist mit bestimmten Gewissheiten aufgewachsen. Eine Gewissheit: Die USA - dieses mächtige Land auf der anderen Seite des Atlantiks - sind enge Partner, ja sogar Freunde. Zeit seines Lebens hat Merz dieses besondere deutsch-amerikanische Verhältnis gelebt, ob als Wirtschaftsvertreter, als Vorsitzender der Atlantik-Brücke und nicht zuletzt auch als Politiker in verschiedenen Rollen.
Umso überraschender war dann das, was der frisch gebackene Wahlsieger Merz nur wenige Minuten nach der ersten Prognose live im Fernsehen zum Besten gab. Nur wenige Tage vorher endete der Besuch des ukrainischen Präsidenten im Weißen Haus in einem Debakel. Trump schmiss Selenskyj nach einem Streit vor laufenden Kameras mehr oder weniger raus.
Europa braucht die USA - zumindest noch
Diese Bilder haben den Blick von Merz auf die USA verändert. Oder wie Merz es am Wahlabend ausdrückt: "Spätestens seit den Äußerungen von Trump vor einer Woche ist klar, dass diesem Teil der Amerikaner das Schicksal Europas weitgehend gleichgültig ist." Aber es nützt nichts. Europa braucht die USA - zumindest noch.
In der Politik zählt die Realität und die könnte kaum schwieriger sein. Drei Themen dürften den Antrittsbesuch des Transatlantikers Friedrich Merz bestimmen: Der Streit um die angedrohten Zölle, der russische Krieg gegen die Ukraine und die damit verbundene Diskussion um die NATO-Ausgaben.
Doch immerhin bei den NATO-Ausgaben bewegt sich Deutschland in großen Schritten auf Trumps Forderungen zu. Deutschland sei auf dem Weg mehr zu tun, so Merz. Konkret sollen 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für militärische Beschaffung und zusätzliche 1,5 Prozent für die benötigte Infrastruktur ausgegeben werden. Das sind zusammengenommen dreistellige Milliardenbeträge.
Ein Paradigmenwechsel in Deutschland. 3,5 plus 1,5 macht 5. Und das ist nicht zufällig genau die Zahl, die Donald Trump schon länger fordert. Hier könnte Merz im Oval Office also punkten und dem US-Präsident verklickern: Deutschland bewegt sich.
Hoffnung auf US-Unterstützung für Ukraine
Diese Bewegung ist vielleicht ein guter Moment, um über die Ukraine zu sprechen. Denn hier macht die US-Regierung den Europäern am meisten Sorgen. Immer wieder verändert Trump seine Position. Mal droht er der Ukraine, dann beschimpft er plötzlich Putin. Dieser töte eine Menge Menschen und er habe keine Ahnung, was zur Hölle Putin da mache.
In den europäischen Hauptstädten und auch beim deutschen Bundeskanzler macht sich angesichts solcher Sätze Hoffnung breit. Hoffnung, dass Trump auf ihrer Seite steht und Putin stärker unter Druck setzt.
Gleichzeitig weiß auch der Bundeskanzler: Die Halbwertzeit Trumpscher Einlassungen ist extrem kurz. Es könnte sein, dass der US-Präsident morgen schon anders auf den Konflikt blickt. Aus Sicht der deutschen Bundesregierung wäre es schon ein Erfolg, Trump irgendwie auf dem pro-ukrainischen Kurs zu halten.
Streitthema Zölle
Als wäre alles nicht schon kompliziert genug, ist da auch noch das Thema Zölle. Nach eigenen Angaben Trumps Lieblingswort. Immer wieder droht er Europa mit saftigen Aufschlägen, ein Albtraum für die Exportnation Deutschland.
Hier will Friedrich Merz durchaus selbstbewusst auftreten, schließlich vertritt er die drittstärkste Volkswirtschaft der Welt. Und tatsächlich steht Europa in diesem Streit nicht mit leeren Händen da. Ein Hebel könnte eine höhere Besteuerung der Tech-Giganten aus dem Silicon Valley sein.
Merz hält den Ausgang im Handelsstreit für offen. Es könne sein, dass es nicht gelingt, die Dinge übereinander gelegt zu bekommen, sagte er vor wenigen Tagen in Berlin. Dann müsse Europa entscheiden, wie wettbewerbsfähig es sein wolle. "Notfalls auch ohne Amerika" - noch so ein Satz, den Merz sich früher wahrscheinlich nicht hätte vorstellen können.
Wer Trumps Vorgehen verfolgt, der weiß, dass sich der gemeinsame Auftritt im Oval Office schlecht planen lässt. Kleinigkeiten können dafür sorgen, dass der US-Präsident wütend wird und losschimpft. Es heißt, Friedrich Merz habe sich intensiv auf die Begegnung vorbereitet.
Doch was passiert, wenn Donald Trump unerwartet mit Kulturkampf beginnt? Wenn er, wie sein Vize JD Vance es auf der Münchner Sicherheitskonferenz getan hat, über mangelnde Meinungsfreiheit in Deutschland spricht? Oder die AfD lobt? Dann bleibt Merz nichts anderes übrig, als zu improvisieren.