
Bürger gestalten Freyung Erfolgsmodell Genossenschaft
Ortskern-Sterben auf dem Land? Nicht in Freyung im Bayerischen Wald. Hier trauen sich Bürger, in ihre Stadt zu investieren. Über Genossenschaften haben sie ihr Kapital in eine Brauerei und eine Sauna gesteckt.
Eine Gruppe von Frauen und Männern diskutiert vor dem leerstehenden Wirtshaus im Zentrum der 7.000-Einwohner-Stadt Freyung. "Erstmal muss der Putz runter. Und dann sollten wir uns überlegen, wie wir die Bürger bei der Fassaden-Gestaltung einbinden können", sagt Roland Pongratz. Er und die anderen Bürger aus der Region wollen das alte Wirtshaus wiederbeleben und dafür noch in diesem Jahr eine Genossenschaft gründen.
Sie haben eine Vision für das renovierungsbedürftige Haus: Von dem Geld der Genossen soll im Erdgeschoss wieder ein Festsaal für Vereine und Veranstaltungen entstehen, im Obergeschoss sollen Ateliers und Werkstätten für Künstler und Lebensmittelproduzenten einziehen, und im Keller könnten Konzerte stattfinden. Mehrere Hunderttausend Euro wird es schätzungsweise kosten, um das marode Gebäude herzurichten.
Aber die Gruppe ist zuversichtlich: Bei einer ersten Umfrage haben gleich 70 Leute zugesagt, Genossen zu werden. "Das wird eine Herausforderung, da müssen wir gar nicht reden. Aber mit den richtigen Leuten kann man das stemmen. Und mir ist es wichtig, dass es in meiner Umgebung Orte für Begegnung gibt", erklärt Pongratz sein Engagement.
Genossenschaft hat Brauerei gerettet
Dass eine Genossenschaft funktionieren kann, wissen die Menschen im niederbayerischen Freyung. Vor elf Jahren haben Bürger schon die Brauerei gerettet. Zu Beginn waren es nur fünf Genossen, heute stecken 280 Menschen aus der Region ihr Geld in die Brauerei im Ortskern von Freyung. Wer einen Anteil zeichnet, investiert 5.000 Euro und zeigt, "dass Heimat ein Stück Lebensqualität ist und dass jeder mitwirken kann, diese Heimat zu gestalten. Ein einzelner schafft das nicht, aber die Gemeinschaft ist die ideale Power für solche Dinge", sagt Richard Gibis, Genosse der ersten Stunde.
Mit dem Kapital der Menschen wurde die Brauerei in den vergangenen Jahren modernisiert, alle Anlagen wurden erneuert. Der Bier-Absatz steigt. Und davon haben auch die Genossen was. Sie bekommen den Gewinn anteilig ausgeschüttet - in Bier oder Limonade.

Schon seit 2014 ist die örtliche Brauerei eine Genossenschaft.
Genossenschaften liegen im Trend
Was sich in Freyung zeigt, passiert auch andernorts. Die Zahl der Genossenschaftsgründungen in Bayern steigt. Wie Zahlen des Genossenschaftsverbands Bayern zeigen, gab es im Jahr 2018 nur 14 Neugründungen. 2023 waren es schon 51, 2024 haben sich 33 Genossenschaften neu gegründet.
Vor allem seit Beginn des Ukraine-Kriegs boomen Energiegenossenschaften, teilt der Verband mit. Aber auch in das Sozialleben und in den Freizeitwert der Heimat werde immer häufiger investiert.
Schwitzen in der Genossenschaft
Das zeigt auch Freyungs jüngstes genossenschaftliches Projekt: eine Sauna-Landschaft. In der ländlichen Region nahe der tschechischen Grenze gab es bisher im Umkreis von 50 Kilometern keine öffentliche Sauna. Deshalb haben sich die Freyunger mit ihrem Geld eine eigene Sauna-Oase gebaut.
Vorstand Peter Sammer hat zwei Jahre lang Genossen geworben und letztlich mehr als 120 Menschen überzeugt, über 320.000 Euro zu investieren. Für diese Vorarbeit hat er kein Geld bekommen. Sein ehrenamtliches Engagement begründet er so: "Ich bin glücklich, hier zu leben und möchte der Bevölkerung etwas zurückgeben. Mit der Sauna entsteht ein Mehrwert in der Region."
Stadt unterstützt
Viele Freyunger sind in mehreren Projekten engagiert, auch die Genossenschaften unterstützen sich gegenseitig. Und immer dabei: die Stadt. Sie zeichnet Anteile und versucht, die Projekte zu unterstützen, wo es geht.
Beispiel Sauna: Im Außenbereich baut die Kommune noch in diesem Jahr ein Naturbad und wertet so das ganze Areal auf. Bürgermeister Olaf Heinrich (CSU) ist stolz auf das Engagement der Menschen in seiner Stadt. "In Zeiten, wo Kommunen immer weniger Geld haben, hat dieses Modell wirklich Zukunft. Und ich bin überzeugt davon, dass es viele Menschen gibt, die Lust daran haben, zu gestalten."