Prozess - tödlicher Unfall im Schwimmunterricht

Baden-Württemberg Anklage fordert Bewährungsstrafen für Konstanzer Lehrerinnen

Stand: 13.02.2025 12:53 Uhr

Fahrlässige Tötung oder Freispruch? Im Prozess um den Tod eines siebenjährigen Jungen im Schwimmunterricht in Konstanz haben Anklage und Verteidigung die Plädoyers gehalten.

Am dritten Verhandlungstag im Prozess um einen tödlich im Schwimmunterricht verunglückten Jungen am Konstanzer Amtsgericht am Mittwoch ist es emotional geworden. Zunächst aber wurde die Verhandlung mehrmals unterbrochen. Die Verteidiger der wegen fahrlässiger Tötung angeklagten Lehrerinnen stellen verschiedene neue Anträge zur Befangenheit eines Rechtsexperten und des Richters. Sie wurden abgelehnt.

Oberstaatsanwältin: Aufwühlendster Fall ihrer Karriere

Bei den Plädoyers machte dann Oberstaatsanwältin Claudia Fritschi den Anfang. Sie wurde besonders emotional. Es sei der aufwühlendste Fall in ihrer 20-jährigen Berufskarriere als Staatsanwältin, sagte sie.

Es ist ein tragisches Unglück. Es gibt nur Verlierer. Claudia Fritschi, Oberstaatsanwältin

Hier mit strafrechtlichen Maßstäben zu ahnden, falle schwer. Aber es sei ihre Aufgabe. Sie sehe eine Pflichtverletzung darin, dass die Lehrerin und die damalige Referendarin alle 21 Kinder einer zweiten Klasse in der ersten Schwimmstunde gleichzeitig ins Becken geschickt hätten, ohne Schwimmhilfen und ohne unter Schwimmern und Nichtschwimmern zu unterscheiden. Das Becken werde schnell tiefer, die Kinder konnten dort nicht mehr sicher stehen. Eine Trennleine bei 1,35 Meter Wassertiefe, bei der Kinder aus der Klasse aufgrund ihrer Körpergröße gar nicht mehr hätten stehen können, hätte den Kindern Sicherheit vermittelt. All dies habe eine Gefahrenquelle geschaffen, die Lehrerinnen ihre Sorgfaltspflicht verletzt.

Höhere Strafforderung durch Oberstaatsanwältin

Zunächst hatte die Oberstaatsanwältin in einem Strafbefehl eine geringere Strafe angeboten. Da die Lehrerinnen ihn nicht akzeptiert hatten, ist es erst zu einer öffentlichen Verhandlung gekommen. Es habe sie überrascht, dass die Lehrerinnen im Prozess versucht hätten, die Schuld auf das Kind abzuwälzen. Die Angeklagten wollten offenbar keine Verantwortung übernehmen. Nun werde aus zunächst fahrlässiger Tötung durch Unterlassen fahrlässige Tötung durch aktives Tun. Oberstaatsanwältin Fritschi plädierte für die Lehrerin auf ein Jahr und zwei Monate Freiheitsstrafe und auf elf Monate für die Referendarin, beides ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung. Sowie je 10.000 Euro Schmerzensgeld an die Eltern.

Verteidigung plädiert auf Freispruch

Ganz anders sieht die Verteidigung den Fall. Sie plädierte auf Freispruch. Der Verteidiger Gerhard Zahner legte dar, dass die Lehrerinnen bei ihrem Schwimmunterricht die Richtlinien des Kultusministeriums erfüllt und sogar übererfüllt hätten. Denn statt nur einer Pädagogin hat es zwei gegeben. Grundsätzlich gehe es hier darum, dass es richtig sei, Schwimmunterricht anzubieten. Die Lehrerinnen übernähmen hier Elternaufgaben. Denn in einer Migrationsgesellschaft könnten Eltern oft selbst nicht schwimmen.

Darüber hinaus hätten die Lehrerinnen darauf hingewiesen, dass die Kinder sich nur dort aufhalten sollen, wo sie auch stehen könnten. Außerdem hätten sie außerhalb des Beckens gestanden, dort wo sie alles überschauen konnten. Anstatt die Kinder in Schwimmer und Nichtschwimmer aufzuteilen, hätten sie alle Kinder als Nichtschwimmer angesehen. Damit hätten sie die Vorgaben des Ministeriums erfüllt. Mehr könne man als Sorgfaltspflicht nicht verlangen. Darüber hinaus sei die Wassertiefe nicht relevant, denn ertrinken könne man auch in niedrigerem Wasser, wenn der Kopf vornüber unter Wasser komme. Der Verteidiger plädierte auf Freispruch, damit 2. Klassen weiter im Schwimmbädern unterrichtet werden können.

Verteidigung der Referendarin plädiert auch auf Freispruch

Christian Funk, der Verteidiger der damaligen Referendarin, die inzwischen in der Schweiz unterrichtet, warnte vor einer Verurteilung. Wie könnten dann Lehrerinnen und Lehrer noch Schwimmen unterrichten, ohne Angst vor einer Verurteilung zu haben? Schwimmunterricht sei wichtig. Auch wenn es hier ein erhöhtes Risiko gebe, ähnlich wie im Straßenverkehr. Die Vorgabe des Kultusministeriums, Schwimmen in Klassenstärke zu unterrichten, beinhalte ein Unfallrisiko. Im konkreten Fall hätten die Lehrerinnen den Schwimmunterricht so durchgeführt, wie er seit Jahren praktiziert werde. Auch die Wassergewöhnung habe so stattgefunden, wie es üblich sei - ohne Schwimmhilfen. In dem Prozess am Amtsgericht Konstanz hätten aber auch viele Fragen nicht geklärt werden können. Ein Experte zu den Vorgaben im Schwimmunterricht sei nicht gehört worden. Auch er plädierte auf Freispruch. Außerdem gab der Verteidiger zu bedenken: Sollte seine Mandantin eine Vorstrafe erhalten, könne sie zehn Jahre nicht als Lehrerin arbeiten.

Lehrerinnen bedauern Unglück

Das letzte Wort hatten die beiden Angeklagten. Die ältere der beiden Pädagoginnen sagte unter Tränen, dass sie eine verantwortungsvolle Lehrerin sei. Als Mutter fühle sie mit den Eltern des Jungen. Deren Leid könne sie sich kaum vorstellen. Das Unglück beeinträchtige sie und ihre Familie. Sichtlich aufgewühlt erklärte die damalige Referendarin, dass es ihr von ganzen Herzen leid tue. Sie denke jeden Tag an den Jungen. Wenn sie könnte, würde sie den Tag zurückdrehen. Sie wünsche sich, den Beruf, den sie sehr liebe, weiter ausüben zu dürfen.

Das Urteil soll in zwei Wochen fallen.

Sendung am Do., 13.2.2025 6:30 Uhr, SWR4 BW Studio Friedrichshafen

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