Baden-Württemberg
Autoindustrie in der Krise: "Nicht gesagt, dass ich in fünf Jahren noch dort arbeite"
Stand: 11.02.2025 08:16 Uhr
Die Autoindustrie kämpft mit schwachen Verkaufszahlen und sinkenden Gewinnen. Die Krise im Land ist unübersehbar. Ein Bosch-Mitarbeiter berichtet.
"Ich wünsche mir von der neuen Bundesregierung, dass sie einfach guckt, dass sie hier in Europa und in Deutschland auch Spitzentechnologie haben, die wir produzieren können. Sodass hier die Arbeitsplätze erhalten bleiben und die Wirtschaftspolitik passt."
Michael Fiedler ist 42 Jahre alt. Er kümmert sich beim Technologiekonzern Bosch in Stuttgart-Feuerbach ums Thema Abgassteuerung. Ein System, das in Millionen Autos weltweit verbaut ist und mit dem Bosch in der Vergangenheit gutes Geld verdient hat. Aber E-Autos brauchen keine Abgassteuerung und Bosch deshalb auch immer weniger Software-Entwickler wie ihn.
Lesermeinungen zu neuen Prioritäten, Wirtschaftsstandort Deutschland und Löhnen
Wir haben die Nutzerinnen und Nutzer von SWR Aktuell BW gefragt, was sie vor der Bundestagswahl bewegt.
Hunderte Nachrichten haben uns erreicht - auch zum Thema Wirtschaft.
Astrid Dlugokinski-Thoma aus Kirchheim unter Teck (Kreis Esslingen) appelliert, neue Prioritäten zu setzen. Sie verweist darauf, dass Deutschland "ein Volk der Dichter, Denker und Erfinder" ist. Während der Corona-Krise, so Dlugokinski-Thoma, habe man erkannt, "dass Kunst und Kultur ein bedeutender Wirtschaftsfaktor sind, sogar vor der Autoindustrie". Dieses kreative Potenzial muss nach ihrer Ansicht gestärkt werden. "Eine Politik, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, stärkt die Grundlage für alles andere. Vielfalt und Kreativität sind keine 'weichen' Faktoren, sondern zentrale Werte. Eine Gesellschaft, die ihre Basis stärkt, ist nicht nur wirtschaftlich widerstandsfähig, sondern auch menschlich."
Krankenstand und Fachleute
Einen anderen Zugang zu dem Thema hat Erwin Vorwig aus Ravensburg mit Blick auf den Wirtschaftsstandort Deutschland: "Wo sind wir unter Rot-Grün bloß hingekommen? Redet einer über den höchsten Krankenstand Europas, kommen zig angebliche Fachleute aus den Löchern und wissen alles besser! Hat einer von denen jemals Verantwortung für einen Betrieb getragen?" Er ist sich sicher, dass "eine Menge Menschen" seine Meinung teilt und betont: "Hört uns zu in der Politik, es reicht uns!"
Kurzarbeit und Stärkung der Landwirtschaft
Blandina Brauchle aus Aulendorf im Kreis Ravensburg schrieb uns, dass große Wirtschaftsunternehmen mehr Eigenkapital bilden und in schwierigen Zeiten darauf zurückgreifen sollten. "Die Löhne der Verantwortlichen sollten bei einer Million pro Jahr gedeckelt werden, zum Beispiel bei VW, Mercedes ...". Brauchle ist der Meinung, dass Kurzarbeit für Unternehmen begrenzt werden sollte. "Die Landwirtschaft sollte mehr gefördert werden (nicht nur die Biobranche). Unsere Landwirtschaft bezahlt die Zeche, dass die Wirtschaft exportieren kann (Mercusurabkommen) und muss billige Nahrungsmittel (nicht unserem Standard entsprechend) und Futtermittel importieren."
Potenzial wissenschaftlicher Kenntnis
Peter Krebs aus Mannheim verweist darauf, dass wir "ein großes Potenzial an wissenschaftlicher Kenntnis im Land" haben. Diese müsse "bei allen notwendigen Maßnahmen, die unsere Wirtschaft nach vorne bringen, genutzt werden". Krebs betonte, dass ideologisch motivierte Entscheidungen hier nichts zu suchen hätten. "Die Energiewende muss so vollzogen werden, dass wir die Wirtschaft und die Menschen nicht überfordern."
Autorin: Samantha Ngako
Keine neuen Projekte - keine Perspektive bei Bosch?
"Ich sehe gerade keine große Perspektive, wenn wir keine neuen Projekte bekommen", so der Software-Entwickler. "Gerade für Leute in meinem Alter, mit so Anfang 40, wäre es schon schön, wenn ich in Zukunft auch noch weiter neue Sachen entwickeln könnte."
Seit zwölf Jahren arbeitet Michael Fiedler bei Bosch in Stuttgart. Er glaubte anfangs fest daran, damit das große Los gezogen zu haben. Jetzt allerdings wachsen die Zweifel, ob dies für ihn - mit Anfang Vierzig und Mitten im Leben - tatsächlich eine Anstellung fürs Leben sein wird.
Autoindustrie in der Krise: Schwacher Absatz und Stellenabbau
In den Medien ist überall von der "Krise in der Autoindustrie" zu lesen. In Baden-Württemberg sind rund eine Million Menschen direkt oder indirekt in der Automobilbranche beschäftigt, bei Herstellern und Zulieferern. Mit Blick auf die Bundestagswahl wächst die Sorge der Beschäftigten um ihre Arbeitsplätze. Viele Firmen kämpfen mit einbrechenden Gewinnen und sinkenden Absatzzahlen - und bauen Stellen ab. Einfach zu einem anderen Unternehmen zu wechseln, ist in der gegenwärtigen Situation schwierig.
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Geraten Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten, wird oft von einem sozialverträglichen Stellenabbau gesprochen. Was das heißt, haben wir hier erklärt:
Familie macht Michael Fiedler Mut
Michael Fiedler versucht trotzdem den Mut nicht zu verlieren - auch mit Blick auf seine Familie: "Solange die Familie da ist, die Frau, die Kinder, das ist das Wichtigste im Leben", sagt er. Darauf komme es an.
Das Lachen der Kinder ist, was am meisten auflädt.
Michael Fiedler, Software-Entwickler bei Bosch
Und so macht sich Michael Fiedler auf, seine zwei kleinen Kinder aus der Kita abzuholen. Doch seine Gedanken kreisen: "Vorher war halt klar, man ist 'Boschler' auf Lebenszeit. Und jetzt ist es nicht mehr ganz so klar", sagt er. "Es ist nicht gesagt, dass ich in fünf Jahren noch dort arbeite."
Die Sicherheiten in der Autoindustrie werden weniger. Michael Fiedler hofft nun, dass eine neue Bundesregierung die Lage wieder ändern kann.
"Zugehört" - Unsere Serie zur Bundestagswahl in Baden-Württemberg
Am 23. Februar ist
Bundestagswahl. Die Parteien und ihre
Spitzenkandidaten und -kandidatinnen werben um die Wähler-Gunst und versuchen mit ihren Themen zu punkten. Doch was bewegt die Bürgerinnen und Bürger? Wir haben den Menschen in Baden-Württemberg "zugehört".
Weitere Artikel werden in den kommenden Tagen veröffentlicht.
Sendung am Di., 11.2.2025 19:30 Uhr, SWR Aktuell Baden-Württemberg, SWR BW
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