
Baden-Württemberg Bundestag stimmt gegen Gesetz zur Migrationsbegrenzung: So reagiert BW
Die Abgeordneten im Bundestag haben den Gesetzentwurf der Union zur Begrenzung der Migration abgelehnt. Zuvor hatte es hitzige Debatten gegeben. In BW hatten zuvor Zehntausende gegen eine Kooperation mit der AfD demonstriert.
Der Bundestag hat nach stundenlanger Debatte und langen Verhandlungen das von der Union eingebrachte "Zustrombegrenzungsgesetz" abgelehnt. 338 Abgeordnete stimmten für den Entwurf, 349 dagegen. Fünf Abgeordnete enthielten sich. Damit korrigierte der Bundestag das Ergebnis nachträglich leicht - Sitzungsleiterin Petra Pau hatte zunächst von 350 Nein-Stimmen gesprochen.
Insgesamt wurden nur 692 Stimmen abgegeben, im Bundestag sitzen jedoch 733 Abgeordnete. Einen Überblick, wie die einzelnen Politikerinnen und Politiker abgestimmt haben, gibt es hier.
Kretschmann: Gemeinsam Lösungen suchen
"Sowas wie heute und in den vergangenen Tagen im Deutschen Bundestag passiert ist, darf sich nicht wiederholen", so der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) in einer Mitteilung. Die demokratische Mitte müsse "nun dringend aufeinander zugehen, um schnell zu einem konstruktiven und verantwortungsvollen Miteinander und einer Kultur des Kompromisses zurückzukommen."
Man müsse in der Migrationsfrage zeigen, dass man gemeinsam zu wirksamen Lösungen komme, die dem Ernst der Lage gerecht würden:
Nun gilt es Brücken zu bauen, statt weiter Gräben auszuheben. Winfried Kretschmann (Grüne), Ministerpräsident Baden-Württemberg
Mehrere Abgeordnete hatten nicht abgestimmt
Aus der Unionsfraktion gab es nach Angaben des Bundestags keine Gegenstimmen. Allerdings gaben 12 Unionsabgeordnete ihre Stimme nicht ab. Aus der FDP-Fraktion, die zuvor ebenfalls ihre Zustimmung signalisiert hatte, gab es zwei Gegenstimmen und fünf Enthaltungen. 16 FDP-Abgeordnete gaben keine Stimme ab. Die AfD stimmte bei einer nicht abgegebenen Stimme ansonsten geschlossen für das Gesetz. SPD und Grüne stimmten geschlossen dagegen - bei vier beziehungsweise zwei nicht abgegebenen Stimmen. Wie viele Abgeordnete aus Krankheitsgründen fehlten, war nicht bekannt.
In der vorangegangenen, emotionalen Debatte hatten SPD und Grüne von Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) eindringlich gefordert, das Gesetz von der Tagesordnung zu nehmen. Der "Sündenfall" einer akzeptierten AfD-Unterstützung werde Merz immer begleiten, hatte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich gesagt.
Das "Zustrombegrenzungsgesetz" hat drei wesentliche Punkte: Im Aufenthaltsgesetz soll die Begrenzung der Migration wieder als Ziel festgeschrieben werden; der Familiennachzug für sogenannte subsidiär Schutzbedürftige soll eingestellt werden; und die Bundespolizei soll die Befugnis bekommen, selbst Haft oder Gewahrsam für Ausreisepflichtige zu beantragen.
Zwei CDU-Abgeordnete aus BW geben keine Stimme ab
Zwei baden-württembergische Abgeordnete der CDU haben an der Abstimmung im Bundestag nicht teilgenommen. Wie aus der offiziellen Aufstellung der Bundestagsverwaltung hervorgeht, stimmten die Tübinger Abgeordnete Anette Widmann-Mauz und Roderich Kiesewetter aus dem Wahlkreis Aalen nicht über den Gesetzentwurf ab. Hinzu kamen zehn weitere Unions-Abgeordnete, die den Angaben nach nicht abgestimmt hatten.
Widmann-Mauz erklärte: "Trotzdem ich inhaltlich hinter dem Gesetzentwurf der Union stehe, habe ich mich bewusst aus persönlichen Gründen nicht an der Abstimmung beteiligt." Es sei mit ihren Wertvorstellungen nicht vereinbar, sich an der Verabschiedung eines Gesetzentwurfs zu beteiligen, der nur mit Zustimmung der AfD hätte zustande kommen können. Kiesewetter wollte sich zu seinem Abstimmungsverhalten nicht äußern. Beide hatten auch schon an der Abstimmung über den CDU-Entschließungsantrag nicht teilgenommen.
Koalitionsbildung könnte "etwas länger dauern"
Laut SWR-Hauptstadtkorrespondent Sebastian Deliga war am Freitag den ganzen Tag über nicht abzusehen, wie die Abstimmung ausgehen würde. Seiner Einschätzung nach könnte es nach der Bundestagswahl wohl etwas länger dauern, bis eine neue Bundesregierung in einer Koalition stehen könnte.
Sein Bericht am Freitagabend aus Berlin:
Tim Kukral aus der SWR-Redaktion Landespolitik gab nach der Abstimmung einen kurzen Überblick, wie man aus Baden-Württemberg auf die Debatte schaut. Dass sich der CDU-Landesvorsitzende Manuel Hagel bislang öffentlich nicht zu dem Thema äußerte, sei "bemerkenswert". Es gebe jedoch auch Kritik seitens der CDU in Baden-Württemberg. So habe sich der Oberbürgermeister von Rottenburg am Neckar (Kreis Tübingen), Stephan Neher, am Freitag kritisch geäußert. Neher zweifle an einer Kanzlerfähigkeit von Merz.
Tim Kukral, SWR-Redaktion Landespolitik, am Freitagabend in SWR Aktuell Baden-Württemberg:
FDP-Generalsekretärin Skudelny zeigt sich enttäuscht
Die Bundestagswahl-Spitzenkandidatin der FDP Baden-Württemberg, Judith Skudelny, sagte nach der Abstimmung gegenüber dem SWR: "Ich bin enttäuscht darüber, dass insbesondere die SPD sich nicht konstruktiv verhalten hat." Die Vorschläge sind laut Skudelny Voschläge der Ministerpräsidentenkonferenz, die auch von SPD-Ministern und dem baden-württembergischen Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) unterstützt worden seien. Inhaltlich habe gegen das Gesetz "nichts gesprochen", so die FDP-Politikerin.
Demonstrationen in ganz BW
Dass sich die Union bei der Abstimmung mithilfe der AfD eine Bundestagsmehrheit verschafft hatte, hatte vor der Abstimmung am Freitag für Protest gesorgt. Am Donnerstag demonstrierten vorab Tausende Menschen in mehreren Städten Baden-Württembergs und ganz Deutschland dagegen. Allein in Freiburg waren es rund 15.000 Demonstrierende. Auch in Heidelberg, Stuttgart, Konstanz und Karlsruhe fanden Proteste statt.
Für das Wochenende sind weitere Demonstrationen angekündigt - erste Veranstaltungen gab es bereits am Freitag. In Tübingen beispielsweise gingen laut Polizei rund 4.000 Demo-Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf die Straße. In Reutlingen protestierten etwa 350 Menschen auf dem Marktplatz. Rund 120 Demonstrierende versammelten sich in der Sigmaringer Innenstadt zu einer Mahnwache.
Im baden-württembergischen Landtag hatten die Reaktionen auf die Abstimmung von scharfer Kritik bis Zustimmung gereicht. Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz hatte von einem "absoluten No-Go" gesprochen. CDU-Kanzlerkandidat Merz habe sich von rechten Mehrheiten verführen lassen. Merz steht nach Ansicht von SPD-Landeschef Andreas Stoch vor einem Trümmerhaufen. Er sei erleichtert, dass der Bundestag ein Gesetz verhindert habe, das mit Stimmen einer rechtsextremen Partei zustande gekommen wäre.
Sendung am Fr., 31.1.2025 17:00 Uhr, SWR1 Baden-Württemberg