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Baden-Württemberg Bundestagskandidaten im Enzkreis im Wahlkampf-Endspurt
Kurz vor der Bundestagswahl nutzen die Kandidaten in der Region nochmal jede freie Minute, um für sich und ihre Partei zu werben. Wir haben im Enzkreis zwei Kandidaten begleitet.
Sie stehen in Fußgängerzonen, auf Wochenmärkten und vor Werkstoren. Und viele gehen auch Klingelputzen. Mitten im Winter, bei zum Teil eisigen Temperaturen ist das alles andere als ein Vergnügen. Die Kandidaten für die Bundestagswahl befinden sich im Wahlkampf-Endspurt und gehen noch ein letztes Mal auf Stimmenfang.
Auch auf dem Marktplatz von Birkenfeld (Enzkreis) ist es ungemütlich. Der Himmel zeigt sich in unfreundlichem Grau, bei Temperaturen knapp über null Grad weht ein eisiger Wind. Im Anorak, mit dickem Pulli und Handschuhen stehen Markus Schulz-Ritz und drei Mitstreiter an einem Info-Stand und versuchen, ihre Flyer loszuwerden. Alle haben lilafarbene Westen übergezogen, verziert mit dem Logo ihrer Partei: "Volt".
Als Splitterpartei hat "Volt" viel zu erklären
Nur wenige Passanten sind bei der Eiseskälte unterwegs. Dennoch: "Da muss man durch", sagt der 26-jährige Bundestagskandidat. Gerade hier auf dem Land sei es wichtig, Präsenz zu zeigen, wenn man Fuß fassen wolle. Zumal als Partei, auf die viele Passanten erst mal mit fragenden Blicken reagieren. "Ein bisschen was müssen wir immer erklären“, sagt Markus Schulz-Ritz. Dass "Volt“ für Power und Energie stehe, eine gesamteuropäische Partei sei, in allen EU-Ländern vertreten sei und mit fünf Leuten im Europaparlament sitze.
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"Volt"-Kandidat Markus Schulz-Ritz beim Straßenwahlkampf in Birkenfeld.
Er habe von "Volt" schon gehört, meint ein älterer Herr, der sich einen Flyer geben lässt. Um gleich darauf anzumerken, dass er es dieses Jahr sehr schwierig finde, zu wählen. "Dann wäre doch "Volt" eine Alternative", entgegnet Schulz-Ritz. Als Partei, die europäische Politik mache und für den Zusammenhalt in Europa eintrete. Er überlege es sich noch, meint der Passant und verabschiedet sich freundlich.
Eine Frau mittleren Alters bleibt ebenfalls stehen, gibt zu, wenig über die Partei zu wissen. Wahlkämpfer Schulz-Ritz nennt als Beispiel für seine Anliegen den Bürokratieabbau. "Schön wär’s", meint die Passantin. Und verspricht: "Ich werd’s mir mal anschauen".
Wir haben es schwerer, aber das motiviert auch. Denn Flugzeuge starten nur gegen den Wind. Markus Schulz-Ritz, "Volt"-Kandidat im Wahlkreis Pforzheim
Kandidat aus Karlsruhe hat rassistische Anfeindungen erlebt
Die Gespräche an diesem Vormittag verlaufen freundlich, so wie eigentlich schon die ganze Zeit über, meint der Wahlkämpfer. Ganz andere Erfahrungen hat Kien Nguyen gemacht. Der Karlsruher "Volt"-Kandidat unterstützt an diesem Tag seinen Pforzheimer Parteifreund. Vor zwei Tagen habe ihm jemand ein "Abschiebeticket" der AfD zugesteckt mit den Worten, er solle raus aus diesem Land. Eine Ausnahme zwar, meint Nguyen, aber bezeichnend für das politische Klima, das derzeit herrsche.
Es ist für mich unvorstellbar, dass wir so weit gekommen sind, dass jemand, der sich ehrenamtlich engagiert, eingeschüchtert und genötigt wird. Kien Nguyen, "Volt"-Kandidat aus Karlsruhe
Kanzler Scholz in Ispringen Koalition angeboten
Bis zum Wahltag will Markus Schulz-Ritz weiter Vollgas geben – vor allem mit seinen lilafarbenen Flyern. Gerne würde er auch an Diskussionsrunden teilnehmen, doch dazu werde eine Splitterpartei wie "Volt" nicht eingeladen, bedauert er. Immerhin hatte er einen bemerkenswerten Auftritt kürzlich beim Besuch von Bundeskanzler Scholz in Ispringen. Er bot Scholz bei der dortigen Fragerunde eine Koalition an, was der Kanzler mit einem schlichten "Nö“ ablehnte. Schulz-Ritz nimmt’s gelassen: "Wenn wir erst im Bundestag sitzen, wird er sich das durchaus vorstellen können."
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Klingelputzen in Heimsheim für das Berlin-Ticket
Wenige Tage später am östlichen Rand des Enzkreises. Noch immer herrschen eisige Temperaturen, doch immerhin scheint die Sonne, als CDU-Bundestagsabgeordneter Gunther Krichbaum mit drei Wahlhelfern in Heimsheim aufschlägt. "Canvassing“ steht heute an. Das steht für Haustür-Wahlkampf. Mehrere Straßen eines Neubaugebiets will der 60-Jährige an diesem Nachmittag abklappern.
Mit mehreren Flyern in der Hand eilt Krichbaum im strammen Lauftempo von Haustür zu Haustür. Etwa an jeder zweiten Adresse öffnet jemand. Dann geht es meist schnell: eine kurze Begrüßung, die Bitte, ihn doch bei der Wahl am Sonntag zu unterstützen. Einen Flyer in die Hand gedrückt und "einen schönen Abend noch!". Fertig.
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CDU-Bundestagsabgeorndeter Gunther Krichbaum beim Haustür-Wahlkampf in Heimsheim.
Klingelputzen zu Wahlkampfzwecken - das mache er leidenschaftlich gerne, meint Gunther Krichbaum. Es sei zwar zeitaufwändig und man erreiche damit nicht die Masse, dennoch lohne es sich, weil es sich herumspreche, dass der CDU-Kandidat persönlich vorbeigeschaut habe.
Die Menschen sehen, da macht sich jemand auf den Weg, um uns extra zuhause anzusprechen. Das zeigt das Engagement, und deswegen kommt es positiv an. Gunther Krichbaum, CDU-Kandidat im Wahlkreis Pforzheim
Tatsächlich erkennen viele den CDU-Politiker sofort. "Nach 23 Jahren im Bundestag ist der Wiedererkennungswert doch relativ hoch", freut sich dieser. Das gilt auch bei einer jungen Mutter, die aus der Tür schaut und offenbar erfreut ruft: "Ach, die CDU! Wie schön!". Doch der erste Eindruck täuscht. Denn die junge Frau nutzt die Gelegenheit, um ihren Frust über die aktuelle Politik loszuwerden. Und spart auch die CDU nicht aus.
Bürger laden Sorgen und Ängste bei Wahlkämpfern ab
Es entwickelt sich ein längeres Gespräch über alles, was ihr unter den Nägeln brennt: die Wirtschaft, Putin, Cum-Ex-Geschäfte und Impfschäden. Krichbaum hört geduldig zu, versucht, mit Argumenten zu überzeugen, bietet weitere Gespräche an und verspricht am Ende, ihr den Gesetzesentwurf der CDU zum Thema Impfschäden zu schicken. Ob er hier eine Stimme gewonnen hat? Die Frau lässt es offen: "Ich weiß nicht, was ich dieses Mal wählen soll.“
Es sollen noch weitere längere Gespräche an der Haustür folgen. Man merke den Bürgern an, dass sich etwas aufgestaut hat, meint Gunther Krichbaum. Drei Jahre Ampel und eine Krise nach der anderen ließen viele an der Politik verzweifeln.
Die Menschen werden ungeduldiger, sind hitziger, der Einfluss der AfD ist zu spüren, die bei Podiumsdiskussionen gerne mal ganze Säle aufmischen. Da ist manches feindseliger geworden. Gunther Krichbaum, CDU-Bundestagsabgeordneter
Persönlich habe er bislang keine Anfeindungen auf der Straße erlebt, beteuert der Polit-Profi. Auch in Heimsheim trifft er keine Wutbürger, aber Bürger mit Sorgen und Zukunftsängsten. Im Ton bleibt es stets freundlich, doch Kritik an den Regierenden und an der CDU wird immer wieder laut.
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Das Bundestagsmandat ist kein Selbstläufer mehr für CDU-Mann Krichbaum - sein Terminkalender auch deshalb "proppenvoll".
Erstmals Zitterpartie für CDU-Mann Krichbaum
"Bis zur letzten Minute“ will Gunther Krichbaum für sich und die CDU werben. Sein Terminkalender bis Samstag sei "proppenvoll“. Der Tag beginne frühmorgens mit Aktionen vor Werkstoren und ende spätabends nach Podiumsdiskussionen. Etwas anderes, als Gas zu geben, kann sich Krichbaum auch gar nicht leisten. Erstmals ist ein Bundestagsmandat für ihn kein Selbstläufer mehr. Zum einen, weil wegen des veränderten Wahlrechts nicht mehr unbedingt der stimmenstärkste Kandidat das Berlin-Ticket erhält. Es kommt zudem auf das Ergebnis im Land an.
Und dann ist da noch die AfD, die in ihrer Hochburg Pforzheim eine junge Kandidatin hat, deren Einzug in den Bundestag schon jetzt als gesichert gilt. Dass diese ihm das Direktmandat streitig machen kann, hält er für unwahrscheinlich, aber möglich. Und weil das schädlich für die ganze Region wäre, so der CDU-Politiker, wolle er weiter von Haustür zu Haustür ziehen und "alles dafür tun, das zu verhindern“.