Nutzerinnen und Nutzer von SWR Aktuell BW

Baden-Württemberg Bundestagswahl 2025: Was bewegt die Menschen in Baden-Württemberg?

Stand: 10.02.2025 09:39 Uhr

Vor der Bundestagswahl haben wir die Nutzerinnen und Nutzer von SWR Aktuell BW gefragt, was sie beschäftigt. Und überwältigend viele Antworten erhalten.

Wir haben unsere Nutzerinnen und Nutzer nach ihrer Meinung und ihren Fragen zur Bundestagswahl am 23. Februar 2025 gefragt. Bis Anfang Februar kamen Hunderte Nachrichten von Baden-Württembergerinnen und Baden-Württembergern bei uns an. Wir sind überwältigt von dieser Reaktion und bedanken uns bei allen, die uns geschrieben haben. Wir haben die Mails gelesen und mit vielen Menschen gesprochen. Einige Meinungen und Themen, die viele Baden-Württemberger beschäftigen, möchten wir vorstellen.

Altersarmut und Rente

Unser Ansatz hat zum Beispiel Thomas Teichert aus Berglen gut gefallen. Er hält es für eine "gute Idee, auch die 'kleinen' Bürger nach ihren Vorstellungen zu fragen". Wobei es aus unserer Sicht ganz große Themen sind, die uns erreichen. Ihn bewegt beispielsweise das Thema Altersarmut und er fragt sich, "warum die Rentner, die ihr ganzes Leben gearbeitet haben, so stiefmütterlich behandelt werden". Teichert nimmt wahr, dass die Preise "im Einzelhandel, an den Tankstellen, Versicherungen" stetig steigen, nur seine Rente nicht.

Zum Beispiel hat sich meine Krankenversicherung aktuell um 100 Euro (monatlich!!!!!) erhöht, die Kfz-Versicherung um 150 Euro pro Jahr, der Butterpreis, Speiseöl, usw. haben sich in den letzten zwei Jahren verdoppelt. Meine Rente leider nicht! Thomas Teichert aus Berglen (Rems-Murr-Kreis)

Der künftigen Regierung schlägt Thomas Teichert vor, die Rentenbesteuerung abzuschaffen.

Briefwahl aus dem Ausland und wählen mit 18

Annemarie Thörnig aus Spiegelberg (Rems-Murr-Kreis) wünscht sich, "online wählen zu können, da ich zum Wahltag im Ausland bin und die Zeit ab Zustellung der Briefwahlunterlagen und dem Wahltermin wohl knapp werden wird. Prinzipiell, auch für die Zukunft, wäre das wünschenswert und zeitgerecht". Damit ist Annemarie Thörnig nicht allein, auch Detlef Roth aus Fort Lauderdale hat sich mit diesem Problem an uns gewandt. Über den ehemaligen Freudenstädter und die Briefwahl aus dem Ausland haben wir hier berichtet:

Aus einem anderen Grund ist die 17-jährige Malike Ipek aus Stuttgart enttäuscht und hat uns davon erzählt. Sie wird im Sommer 18 Jahre alt und hatte sich darauf gefreut, im Herbst wählen zu können. Doch die Bundestagswahl findet früher statt als geplant. "Das wäre meine Chance gewesen, meinen Beitrag zu leisten und meine Stimme abgeben zu können und die wurde mir jetzt genommen." Auch diese Zuschrift haben wir gerne zum Anlass genommen, uns das Thema genauer anzuschauen:

Politikverdrossenheit und "Germany First"

Peter Wurzer ist Pensionär. Er war 35 Jahre lang Polizeibeamter und davon in den 80er-Jahren fünf Jahre lang als Personenschützer tätig. Jederzeit, so erzählte er, hätte der Denkendorfer (Kreis Esslingen) sich früher vor Politiker wie zum Beispiel Lothar Späth gestellt und im Falle eines Anschlags sein Leben für sie gegeben. Heute könnte er diesen Job nicht mehr machen. Für ihn sind die Politiker von heute nicht mehr glaubwürdig. "Ich weiß derzeit noch nicht, wen ich wählen soll", sagt Wurzer.

Das Thema Politikverdrossenheit haben wir aufgegriffen, Peter Wurzer und weitere Nutzerinnen und Nutzer zu Wort kommen lassen und mit einer Sozialwissenschaftlerin darüber gesprochen:

Warum versprechen alle Parteien vor der Wahl Dinge, die nach der Wahl gar nicht gehalten werden können? Das führt zur Politikverdrossenheit und nach rechts. Dagmar Ableitner aus Konstanz

In diese Richtung zielt auch die Zuschrift von Joachim Sachse aus Rottenburg (Kreis Tübingen). Er teilt uns mit: "Aus meiner Sicht haben unsere Politiker vollständig den Kontakt zur Bevölkerung verloren und leben in einer eigenen Blase, die mit den tatsächlichen Sorgen, Anforderungen und Problemen der Menschen nicht mehr übereinstimmen." Nikolas Neumaier aus Schuttertal (Ortenaukreis) hat "mit diesem Theater allmählich genug" und schreibt, man wisse mittlerweile "nicht mehr, wen man wählen soll".

Ein wenig 'Germany First' wäre doch gar nicht so unanständig. Andreas Fuss aus Balingen (Zollernalbkreis)

Frühkindliche Bildung und Grundschulzeit

Der Grundschullehrerin Valerie Schock aus Bietigheim-Bissingen (Kreis Ludwigsburg) geht es um die frühkindliche Bildung und die Grundschulzeit. Sie hat das Gefühl, es müsse mehr investiert werden: in Fachkräfte und Geld. An ihrer Schule merke sie, dass "viele Kinder Schwierigkeiten haben, sich an soziale Regeln zu halten" und dadurch Konflikte entstehen. Ihrer Erfahrung nach fruchtet es, "wenn man mit den Kindern darüber spricht und erklärt, dass Kinder Rechte und Pflichten haben" - auch schon bei den Jüngsten.

Valerie Schock aus Bietigheim-Bissingen.

Grundschullehrerin Valerie Schock aus Bietigheim-Bissingen.

Der 28-Jährigen ist das Thema Demokratiebildung wichtig: Würde die UN-Kinderrechtskonvention im Grundgesetz verankert werden, wäre die Demokratiebildung und die Einhaltung der Kinderrechte ein konkreter Auftrag für die Lehrkräfte, so Schock. Sie beobachtet, dass es ansonsten "später zu viele Erwachsene gibt, die nicht in der Lage sind, Teil unserer demokratischen Gesellschaft zu sein, weil sie als Kinder nie die Chance hatten, zu lernen, wie sie funktioniert".

Dann werden aus Kindern, die in der Grundschule Probleme gemacht haben, Erwachsene, die auch Probleme machen. Die gar nicht reflektieren können, was es bedeutet, nicht zur Wahl zu gehen. Valerie Schock aus Bietigheim-Bissingen

Um Kinder und Jugendliche sorgt sich auch Frau Barth aus Kusterdingen (Kreis Tübingen). Sie ist Erzieherin und erlebe in ihrer Arbeit, dass "reihenweise kleine 'Terroristen' heranwachsen. Weil sie von zuhause keine Stabilität, Regeln und Orientierung mitbekommen. Daraus resultiert mangelnde Frustrationstoleranz schon im frühen Alter. Gewalttaten spätestens im Jugendalter sind oft die Folge".

Sorge und die Sicherheit

Der 40-Jährigen geht es auch um das Thema Sicherheit. Sie bewegt, dass man nicht mehr ohne mulmiges Gefühl auf einen Weihnachtsmarkt gehen könne und wundert sich, dass manche Straftäter schon mehrfach straffällig geworden oder Abschiebungen nicht möglich gewesen seien. Sie betont, dass sich ihre Sorge um die Sicherheit nicht allein in Richtung Migration richtet, sondern dass es ihr darum geht, "dass wir alle hier in Frieden leben können und keine Angst haben müssen".

Wie schaffen wir es, die Menschen, die wirklich hier Hilfe brauchen, so gut zu integrieren, dass sie unsere Gesetze mittragen? Frau Barth aus Kusterdingen

Auch Judith Schäuble aus Sulz am Neckar beschäftigt das Thema Migration. Sie schrieb uns, dass die Attraktivität der Zuwanderung gestoppt werden müsse. Sie ist außerdem der Meinung, dass Abschiebungen unbürokratischer vonstatten gehen müssen.

Wer sich nicht integriert, straffällig wird oder nach einem halben Jahr jegliche Arbeit verweigert, muss Deutschland verlassen. Judith Schäuble aus Sulz am Neckar

Social-Media-Beitrag auf Instagram von swraktuell

Medizinstudent: "Faires und menschenwürdiges Asylsystem"

Duleem Ameen Haji weiß, was Flucht bedeutet. Er ist aus dem Irak über das Mittelmeer nach Griechenland und schließlich nach Deutschland gekommen. Das war im Jahr 2015, die "Willkommenskultur war noch da", erzählt er. Der SWR hat mit ihm gesprochen, nachdem wir seine Nachricht gelesen hatten. Darin stellte er die Frage: "Wie schaffen wir ein faires und menschenwürdiges Asylsystem, bessere Unterstützung für Geflüchtete bei Integration und Arbeitsmarktintegration, und Maßnahmen gegen Diskriminierung?" Haji erklärt, dass ihm Dinge wie das "Abschiebeticket" der AfD in Karlsruhe Angst machen, sie vermittelten ihm das Gefühl, nicht mehr 100 Prozent sicher zu sein.

Ich habe immer im Hinterkopf: Es kann der Tag kommen, an dem man mich ausbürgern kann. Duleem Ameen Haji aus Tübingen

Der 29-Jährige studiert heute in Tübingen Medizin, ist vielfältig engagiert, zum Beispiel bei der Landeszentrale für politische Bildung oder in der Justizvollzugsanstalt Stammheim, wo er sich um die sexuelle Aufklärung der inhaftierten Menschen mit Migrationshintergrund kümmert. Die Frage ist nun: Was macht er nach dem Studium? "Die Antwort ist, in 'The Länd' zu bleiben, weil es mir einfach gefällt."

Die persönliche Sicht: Migration

Die Menschen sollten sich besinnen und bei ihrer Entscheidung sorgfältig auch an die Zukunft denken. Ehrlich gesagt habe ich mittlerweile Angst, dass ein neues NS-Deutschland entstehen könnte. Güray Türk aus Pfalzgrafenweiler (Kreis Freudenstadt)

Während Haji in Baden-Württemberg nach seinem Studium bleiben möchte, fordert Beate Kullmer aus Bad Rappenau (Kreis Heilbronn) unabhängig davon genau das. Sie schreibt uns, sie sei mit ihrem Mann in einen Kurort gezogen und trotz Privatversicherung hätten sie Probleme, einen Hausarzt zu finden. "Ich wünschte, dass es eine Arbeitspflicht hier in Deutschland gibt für zum Beispiel Mediziner, die hier in Deutschland studiert haben. Vielleicht fünf Jahre", so Kullmer.

Armut als Teufelskreis

Violeta da Silva ist in armen Verhältnissen in Ludwigsburg aufgewachsen. Ihre Eltern sind aus Kroatien und Portugal. Die 24-Jährige lebt heute in Neckargemünd (Rhein-Neckar-Kreis), arbeitet als Sozialarbeiterin und beschäftigt sich mit dem Thema Armut. "Ich finde es krass, dass sich Armut in der Familie weitervererbt, das ist die Schuld vom Staat", erzählt sie uns. "Das ist ein Teufelskreis, aus dem man ganz schwer ausbrechen kann, nur wenn man resilient ist und viel Kraft und Zeit aufbringt, das können nicht viele." Sie hatte die Kraft, hat sich ihr Studium selbst finanziert. Arbeitet jetzt mit Geflüchteten zusammen und es beschäftigt sie, wie das Thema Zuwanderung "aktuell ausgeschlachtet wird".

Ich erlebe in meinem Arbeitsleben, wie das diese Zuwanderer trifft - und zwar mitten ins Herz. Man kann nicht verlangen, dass sie innerhalb von einer Woche immigrieren. Das funktioniert nicht, dafür bedarf es ganz viel Hilfe vom Staat. Violeta da Silva aus Neckargemünd

Wirtschaft, Grundsteuer, Krankenversicherung

Auch Markus Munk aus Fellbach (Rems-Murr-Kreis) hat uns geschrieben: "Mich bewegt, wie es mit uns Bürgerinnen und Bürgern und der deutschen Wirtschaft weitergehen soll." Lenvent Haydaroglu aus Neuhausen auf den Fildern (Kreis Esslingen) fordert, Bürokratie abzubauen und die Digitalisierung zu beschleunigen. Außerdem ist er dafür, Atomkraftwerke wieder in Betrieb zu nehmen und Waffenlieferungen ins Ausland zu beenden.

Wie erklären Sie einem Facharbeiter, der mit der Inflation kämpft, nun eine erhöhte Grundsteuer zahlt, mehr Krankenversicherungsbeiträge zu leisten hat und alle Kosten wie Klassenfahrten und Betreuung der Kinder selbst trägt, dass er am Ende des Monats weniger Mittel zur Verfügung hat wie ein Bürgergeldempfänger? Andreas Böhrer aus Lauda-Königshofen (Main-Tauber-Kreis)

Pflegefamilie, Klimaschutz und "Quotenfrauen"

Und auch viele persönliche Geschichten haben uns Baden-Württemberger erzählt. Wie Marianne Finsterle aus dem Fischerviertel in Ulm. Sie ist heute 78 Jahre alt und war Lehrerin. "Ich bin es ungern geworden, aber gern gewesen." Finsterle ist als Pflegekind in einer anderen Familie aufgewachsen. Klimaschutz findet sie essenziell, "da wird bei jeder Regierung zu wenig getan". Die 78-Jährige bevorzugt das Fahrrad, isst "schon lang kein Fleisch mehr", baut selbst Gemüse an, kauft Bioware. Und sie schrieb uns: "Als Frau darf ich sagen, dass die Frauenquote kein Gewinn ist - es gibt zu viele Quotenfrauen."

Ausbildung und junge Menschen

Wir von SWR Aktuell BW haben auf den Aufruf hin mit vielen interessanten Menschen gesprochen, die eine Meinung haben und diese vertreten. Einer davon ist Rainer Fein. Der Stuttgarter hat 50 Jahre lang als Goldschmied gearbeitet. Er erzählt uns, dass er 17 junge Menschen ausgebildet hat. Junge Leute - die sind ihm wichtig. Der 75-Jährige stört sich daran, dass jungen Menschen nicht mehr zugehört wird. Fein geht ins Gespräch und sagt ihnen: "Ich bin in der Restlaufzeit, ihr seid diejenigen, die heute noch etwas verändern können. Wenn ihr nachdenkt, wenn ihr euch informiert, dann könnt ihr euch Meinungen bilden."

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