
Baden-Württemberg Bundeswehr durchkreuzt Windkraft-Pläne in Tübingen
Zwischen Tübingen und Kusterdingen sollten drei Windräder errichtet werden. Doch die Pläne liegen auf Eis. Grund ist eine Tiefflugstrecke für Hubschrauber der Bundeswehr.
Eigentlich sollten bis 2026 drei Windkraftanlagen zwischen Tübingen und Kusterdingen in Betrieb gehen. Vogel- und Fledermausuntersuchungen sind abgeschlossen. Doch inzwischen ruhen die Pläne für den Windpark "Großholz". Grund ist ein Konflikt mit der Bundeswehr.
Durch das geplante Gebiet verläuft eine militärische Tiefflugstrecke für Hubschrauber (HTFS). Luftfahrthindernisse wie Windenergieanlagen stellen eine "Gefahr für Leib und Leben der Hubschrauberbesatzung" dar, sagt ein Sprecher des Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr.
Militärische Übungen über Tübingen - keine Windräder
Aus diesem Grund lehnt die Bundeswehr die Planungen der Stadtwerke Tübingen (SWT) zum Windpark Großholz ab. Die Vorplanungen für das Projekt laufen seit 2022. Von der Tiefflugstrecke hatten die SWT durch eine Voranfrage bei der Bundeswehr erfahren. Zuerst hatte das "Schwäbische Tagblatt" über den Konflikt berichtet.
Auf Hubschrauber-Tiefflugstrecken werden Pilotinnen und Piloten der Bundeswehr für Einsätze geschult. Die Strecken werden mit hohen Geschwindigkeiten, auch bei Nacht und Nebel und in Höhen bis circa 30 Meter über Grund beflogen, so die Bundeswehr. Die Frage, wie oft militärische Übungen auf der Tiefflugstrecke zwischen Tübingen und Kusterdingen stattfinden, will sie nicht beantworten.
Stadtwerke Tübingen: Bereits 250.000 Euro investiert
Die Stadtwerke Tübingen können ohne die Zustimmung der Bundeswehr keinen Genehmigungsantrag für den Windpark stellen. Bisher sind rund 250.000 Euro in die Planung und Begutachtung des Gebiets geflossen. Gespräche zwischen der Bundeswehr, den Stadtwerken und Oberbürgermeister Boris Palmer (parteilos) haben zu keiner Lösung geführt.
Der Austausch mit zuständigen Entscheidern bei der Bundeswehr hat sich als nicht einfach erwiesen und nimmt daher auch längere Zeiträume in Anspruch. Fortschritte gibt es aktuell nicht. Ulrich Schermaul, Pressesprecher Stadtwerke Tübingen
Bundeswehr: Strecke ist "unentbehrlich"
Aus Sicht der Tübinger Stadtwerke wäre die einfachste Lösung, die Hubschrauber-Tiefflugstrecke zu verlegen. Für die Bundeswehr kommt das nicht infrage: "Für die betroffene Strecke besteht keine Alternative", so der Sprecher.
Alle Hubschrauber-Tiefflugstrecken der Bundeswehr seien vor drei Jahren vor dem Hintergrund des Ausbaus erneuerbarer Energien auf ihre Notwendigkeit hin geprüft worden. Dabei seien einige Strecken entfallen oder mit anderen zusammengelegt worden. Die jetzt noch vorhandenen Strecken würden dringend benötigt, weil sie für die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte unentbehrlich seien.

Ein Hubschrauber der Luftwaffe startet. Hubschrauber-Tiefflugstrecken dienen der Aus- und Weiterbildung zur Vorbereitung auf einen Einsatz.
Schwierige Suche nach Kompromiss
Die Stadtwerke haben vorgeschlagen, die Windkraftanlagen während der Übungsflüge im Korridor abzuschalten oder auf eine der drei Anlagen zu verzichten. Dadurch wäre "ein Großteil des Korridors nicht mehr beeinträchtigt", so ein Sprecher der Stadtwerke.
Die Bundeswehr lehnt beide Vorschläge ab. Auch eine Windenergieanlage, die abgestellt sei, stelle ein Hindernis dar, argumentiert sie. Verzichte man auf eine der Anlagen, gefährdeten die verbleibenden den Flugbetrieb weiter. Die Bundeswehr gibt an, sie habe dem Land Baden-Württemberg vor einigen Jahren die exakten Verläufe der Hubschraubertiefflugstrecken bekannt gegeben. "Das können wir nicht bestätigen", teilen die Stadtwerke Tübingen auf Anfrage mit.
Zum Zeitpunkt des Starts der Planungen im Jahr 2022 habe es noch keine ausgewiesenen Vorranggebiete gegeben. Auch bei Gesprächen mit dem Regionalverband Neckar-Alb, der mögliche Flächen für Windkraft in der Region ausweist, seien militärische Einschränkungen kein Thema gewesen.
Streit um Windräder: OB Palmer wendet sich an Bundesminister
Oberbürgermeister Boris Palmer hatte sich bereits an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüner) gewandt. Dieser soll mit Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) gesprochen haben - dann kam das Ende der Ampelkoalition dazwischen.
"Der Windpark ist planerisch weit vorangeschritten. Einzig die Hubschraubertiefflugstrecke steht im Weg. Eine Verlegung um 500 Meter würde ausreichen, die Bundeswehr hat aber kein rechtssicheres Verfahren, das zu tun und lehnt daher ab", so Palmer. Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr wollte Palmers Aussage nicht kommentieren.
Die Situation ist vertrackt. Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (parteilos) will den Bundesministern erneut schreiben, sobald feststeht, wer die Ressorts nach der Bundestagswahl führt. Er sei "eher pessimistisch", dass eine neue Bundesregierung etwas an der Situation ändere. Wenn aber der Windpark "Rammert" im Kreis Tübingen wie bisher angedacht über zehn Anlagen groß werde, sei das für die Klimaziele der Stadt ein ausreichender Ersatz, so Palmer.
Sendung am Mi., 12.2.2025 9:30 Uhr, SWR4 BW Studio Tübingen - Regionalnachrichten