Eine Zement-Fabrik in Brevik, im Süden Norwegens.

Baden-Württemberg CO2-Speicherung im Boden: Eine Chance für den Klimaschutz in BW?

Stand: 23.05.2025 15:08 Uhr

Scheinlösung oder Chance für Klimaneutralität? In Norwegen wird CO2 schon unterirdisch gespeichert. Eine BW-Delegation aus Wirtschaft und Politik hat sich das vor Ort angeschaut.

Von Katharina Fuß

Baden-Württemberg hat ehrgeizige Klimaziele - klimaneutral bis 2040. Schneller als Deutschland im Ganzen, das sich Klimaneutralität bis 2045 als Ziel gesetzt hat. Immer wieder kommt Kritik, dass das Land mehr tun muss, um dieses Ziel auch zu erreichen. Auf einer Delegationsreise des BW-Umweltministeriums haben sich Vertreter aus Politik und Wirtschaft in Baden-Württemberg jetzt angeschaut, wie die Zementindustrie in Norwegen klimaschädliches Kohlendioxid in der Nordsee verpresst. Das grüne Umweltministerium steckt in die Technik große Hoffnungen, CDU und AfD zeigten sich bei der Reise eher kritisch.

400.000 Tonnen CO2 im Jahr unter der Nordsee gespeichert

Die baden-württembergische Delegation war im norwegischen Brevik zu Besuch bei Heidelberg Materials. Das baden-württembergische Unternehmen wendet hier seit diesem Jahr CCS an. Das steht für Carbon Capture and Storage - das Abscheiden, Transportieren und Verpressen von CO2 unter der Erde. Das abgeschiedene Kohlendioxid wird am Ende des Prozesses zur Nordsee transportiert und dort unter dem Meeresboden verpresst. Heidelberg Materials will so jährlich 400.000 Tonnen CO2 abscheiden und dauerhaft speichern. Das entspricht der Hälfte des Ausstoßes des Werks.

Baden-württembergische Unternehmen hoffen auf CCS

Klingt wie die gute Lösung für energieintensive Unternehmen, um die Klimaziele zu erreichen. Doch wie schnell kann Baden-Württemberg da mitmischen? Unter den Wirtschaftsvertretern aus Baden-Württemberg, die mit dem Umweltministerium in Brevik waren, waren unter anderem Mitarbeitende vom Energieversorger MMV in Mannheim oder dem Zementhersteller Schwenk Zement im Ulm. Beide Unternehmen haben in Deutschland Pilotprojekte mit CCS. Vor allem für die Zementindustrie stellt die Klimaneutralität eine riesige Herausforderung dar, weil bei der Zementherstellung der CO2-Ausstoß nicht vermieden werden kann.

Hier ist die Hoffnung groß, dass CCS bald in Deutschland möglich ist. Trotz gut funktionierendem Praxisbeispiel in Norwegen wird bei der Reise aber auch klar, Baden-Württemberg ist von der Technik noch weit entfernt. Vor allem bei der Infrastruktur - um das abgeschiedene CO2 dann zur Langzeitspeicherung zu transportieren, könnte es Schwierigkeiten geben.

Wird CCS an einer Pipeline in Baden-Württemberg scheitern?

Der Landtagsabgeordnete Albrecht Schütte von der CDU sagte in Norwegen, der Besuch bei Heidelberg Materials habe gezeigt, dass CCS realisierbar und wirtschaftlich darstellbar sei. Der Politiker sieht aber auch eine Problematik in der schnellen Umsetzung in Deutschland. "Wenn wir jetzt nicht die Infrastruktur dafür schaffen und schnell vorangehen, haben wir kaum eine Chance, unsere Klimaziele zu erreichen", betont Schütte. Damit meint er vor allem die notwendigen Pipelines. Hier müssten Staat und Wirtschaft jetzt vertragliche Grundlagen schaffen. Da sieht der AfD-Abgeordnete Uwe Hellstern das Problem. Transport und Logistik seien teuer. Eine Pipeline mitzufinanzieren, würde die finanziellen Mittel der Unternehmen im Mittelstand überfordern, so Hellstern.

Umweltministerium: Baden-Württemberg braucht CCS

Das grüngeführte Umweltministerium, das zu der Reise nach Norwegen eingeladen hatte, glaubt, dass die Finanzierung über die betroffenen Unternehmen laufen muss. Die Landesregierung wolle dafür Rahmenbedingungen schaffen und Forschungsprojekte unterstützen, hieß es. Trotz der Kritik von vielen Umweltverbänden, die die Speicherung von CO2 im Boden als Scheinlösung beim Klimaschutz bezeichnen, hat sich die grün-schwarze Landesregierung schon im vergangenen Jahr für CCS ausgesprochen. Der Staatssekretär im Umweltministerium, Andre Baumann (Grüne), sagte bei der Reise: "Wir müssen Wirtschaftswachstum, Wohlstand und Klimaschutz zusammenbringen, deshalb braucht es auch CCS."

Warum kritisieren Umweltverbände CCS?
Laut dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) werden bei der CCS-Methode hohe Mengen an Energie verbraucht. In der Zementbranche würde sich der Energiebedarf mit CCS verzehnfachen. Das widerspreche dem Ziel, auch im Stromsektor Klimaneutralität zu erreichen, so der BUND. Die Lagerung des abgeschiedenen CO2 hält der BUND für politisch nicht durchsetzbar, eine offshore Lagerung im Meeresboden von Nord- und Ostsee sei "höchst problematisch". Dass sich die Landespolitik auf technische Lösungen wie CCS fokussiere, zeige eine falsche politische Abwägung bei der Priorisierung von Investitionen, so der BUND. Es bestehe die Gefahr, dass die Einsparung von CO2 und die Förderung von natürlichen Klimasenken wie Wäldern, Mooren und Grünland dadurch vernachlässigt werden könnten. Zudem müsse man beim Aufbau eines CCS-Netzes über die sozialgerechte Verteilung der Kosten sprechen, so der BUND. Unternehmen forderten demnach hohe staatliche Garantien für die Wirtschaftlichkeit ihrer Investitionen. Der Naturschutzbund Baden-Württemberg (NABU) sieht den Einsatz dauerhaft abgesicherter Speicher für CO2 statt der Freisetzung weiterer Emissionen als das "kleinere Übel". Dennoch macht der Verband klar, dass CCS nur für unvermeidbare Reste- und Negativemissionen wie in der Zementindustrie genutzt werden dürfe. Beispielsweise im Energie- und Verkehrssektor gibt es laut NABU andere, kostengünstigere und effizientere technologische Lösungen. Die Zulassung von CCS für diese Sektoren würden Speicherkapazitäten und Finanzierungsrahmen sprengen, so der NABU.

CO2-Pipelines brauchen Zustimmung in der Bevölkerung

Zunächst muss für CCS in Deutschland noch die Gesetzgebung geändert werden, aber das hat Kanzler Merz (CDU) bereits angekündigt. Die neue Bundesregierung möchte, wie schon die Ampel-Regierung davor, die CO2-Speicherung im Boden für ein schnelleres Umsetzen der Klimaziele möglich machen. Aus der Delegation in Baden-Württemberg sehen aber viele noch eine andere Schwierigkeit. Für Pipelines in Deutschland braucht es auch die Unterstützung der Gesellschaft. Denn irgendwo entlang muss das CO2 an die Nordsee transportiert werden. Hier ist die Frage, wie groß die Zustimmung sein wird.

Sendung am Fr., 23.5.2025 13:00 Uhr, SWR1 BW Nachrichten

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