Fahnen vor der didacta 2023

Baden-Württemberg Druck auf didacta-Veranstalter wegen AfD-Teilnahme nimmt zu

Stand: 06.02.2025 13:22 Uhr

Die AfD will an der weltgrößten Bildungsmesse in Stuttgart teilnehmen. Das sorgt für heftige Diskussionen. Nach Bildungsgewerkschaften, Schülern und Lehrkräften fordern nun auch viele Organisationen deren Ausschluss.

Der Protest gegen eine Teilnahme der AfD an der Bildungsmesse didacta in Stuttgart wird massiver. In einem Brief an den didacta-Verband fordert ein breites Bündnis von Schüler-, Eltern- und Lehrerverbänden den Ausschluss der von ihnen so genannten "Demokratiefeinde" von der Messe, die am kommenden Dienstag ihre Tore öffnet. Weiter heißt es: "Es wäre ein fataler Fehler, wenn sich die AfD auf der didacta als Hauptaussteller präsentieren dürfte. Besonders im Kontext des Messe-Leitthemas "Demokratiebildung" ist es untragbar, einer derart extremen Partei eine solche Plattform zu geben."

Die didacta sei Europas größte Bildungsmesse und trage deshalb große Verantwortung - "und sollte sich entschieden gegen Rechtsextremisten positionieren", heißt es in dem Schreiben, das von der Bundesschülerkonferenz initiiert wurde. Unterstützt wird das Schreiben unter anderem von den Lehrerverbänden Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und dem Verband Bildung und Erziehung (VBE), vom Grundschullehrerverband, der Gruppe "Teachers for Future" sowie vom Bundeselternbeirat und Greenpeace.

didacta-Veranstalter sollen sich von der AfD distanzieren

Die AfD gefährde demokratische Grundwerte und deren Strukturen und untergrabe Schulen als Orte der Vielfalt und Meinungsfreiheit. "Deswegen fordern wir, dass sich Bildungseinrichtungen weiterhin frei von Überwachung und ideologischen Einschränkungen entfalten können", heißt es in dem Schreiben.

Der AfD kurz vor der Bundestagswahl auf der Messe Raum zu geben, bedeute "deren Ideologien zu legitimieren", beklagen die Verbände. "Daher fordern wir die Veranstalter der didacta auf, sich unmissverständlich von der AfD zu distanzieren und sicherzustellen, dass die Messe kein Forum für demokratiefeindliche Parteien bietet."

Keine rechtliche Handhabe gegen AfD-Präsenz bei der didacta

Die Messe Stuttgart und der didacta-Verband hatten nach der Kritik erklärt, es gebe in den Statuten keine rechtliche Handhabe für einen Ausschluss der AfD von der Bildungsmesse. Zudem gelte die Neutralitätspflicht gegenüber allen Ausstellerinnen und Ausstellern, teilt eine Sprecherin der Messe am Mittwoch mit. Man stehe für demokratische Grundwerte und spreche sich "entschieden gegen jegliche Formen von Extremismus aus - unabhängig von der politischen Ausrichtung".

Es ist das erste Mal, dass sich politische Parteien als Aussteller an der Messe beteiligen. Laut der Messe hat sich Ende vergangenen Jahres zuerst die AfD mit einem Stand angemeldet. Daraufhin habe die didacta dann auch andere Parteien angesprochen, ob sie nicht auch einen Stand machen wollen, um eine möglichst breite Vielfalt unter den Ausstellern zu ermöglichen.

Demnach sind unter andrem auch die baden-württembergische CDU und die Landes-Grünen sowie die FDP und Volt mit Ständen auf der Bildungsmesse vertreten. Der didacta-Verband plädiert dafür, mit der AfD, die im Bundestag und im Landtag vertreten ist, in den Dialog zu treten. "Verbote bringen nichts", hatte didacta-Präsident Theodor Niehaus gesagt.

VBE will mit AfD "nichts zu tun haben"

Das sehen die Lehrerverbände anders. "Wir sagen seit Anfang an, dass wir mit dieser Partei nichts zu tun haben wollen", sagte der VBE-Vorsitzende Gerhard Brand dem SWR. "Die AfD steht nicht auf dem Boden des Grundgesetzes, ist in Teilen rechtsextrem und leugnet teilweise den Holocaust." Eine solche Partei dürfe auf einer Bildungsmesse mit dem Titel "Demokratie braucht Bildung, Bildung braucht Demokratie" keinen Stand haben.

Der VBE und die GEW hatten bereits am Montag gemeinsam gegen die AfD-Präsenz protestiert, die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di schloss sich dem an.

Inzwischen wurde eine Online-Petition von einer Erzieherin gestartet, die die Messe Stuttgart auffordert, die AfD von der didacta auszuschließen. "Bildung muss ein Ort der Gleichheit, des Respekts und der Toleranz bleiben", heißt es in dem Schreiben. Bislang haben rund 14.000 Menschen die Petition unterschrieben.

AfD will auf didacta Bildungsprogramm vorstellen

Die AfD ist nach eigenen Angaben mit ihrem Stand auf der Messe vertreten, um ihr Bildungsprogramm vorzustellen, das sich "deutlich" von dem der anderen Parteien unterscheide und um "Anregungen für unsere weitere Bildungsarbeit mitzunehmen", heißt es in der Stellungnahme. Dass der Wahlkampf zur Bundestagswahl im Vordergrund stehe, verneint die Partei. Das ergebe sich schon daraus, dass zum Zeitpunkt der Meldung ein Vorziehen der Bundestagswahl noch nicht definitiv bekannt gewesen sei, so Hans-Peter Hörner, Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis Balingen und Mitglied des AfD-Landesvorstands.

Beauftragter gegen Antisemitismus nennt AfD-Präsenz "bedrückend"

Den Stand der AfD könne man schwer vermeiden, meint Michael Blume, Landesbeauftragter gegen Antisemitismus. Er sagte dem SWR: "Das ist die bedrückende Realität, der müssen sich Kirchen und demokratische Parteien stellen." Er begrüßte deshalb, dass nun andere Parteien nachziehen. Alle Demokraten müssten "all in" gehen. Auch er selbst sei auf der Messe und spreche über die Frage, "welche Bildung gegen Antisemitismus hilft".

Auch die Lagergemeinschaft Dachau, die ehemalige KZ-Häftlinge kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet hatten, äußerte Kritik an der AfD-Präsenz auf der didacta. Dies sende ein "fatales Signal", so die Gemeinschaft in einer Mitteilung. Der Zentralrat der Juden in Deutschland äußerte "Sympathien für den Protest aus der Zivilgesellschaft" gegen die Präsenz der AfD auf der Messe.

Hilfsorganisationen schließen sich Kritik an

Die christlichen Hilfsorganisationen "Brot für die Welt", Kindernothilfe und Misereor forderten die Messe auf, die Zulassungsbedingungen für Aussteller zu überprüfen und zu schärfen, "um Parteien, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall beobachtet werden, auf einer Bildungsmesse keinen Platz zu bieten."

SPD sieht Wirtschaftsministerin in der Pflicht

Die SPD hat ebenfalls kein Verständnis für die Zulassung der AfD. Die Landesregierung achte penibel auf eine Karenzzeit in den Wochen vor der Bundestagswahl, in der es keine Veranstaltungen mit Parteien geben solle, erklärte SPD-Generalsekretär Sascha Binder. Warum der AfD-Auftritt bei der didacta möglich sein solle, könne er nicht nachvollziehen. Er forderte die Aufsichtsratsvorsitzende der Messe, Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU), auf, die Regeln zu verschärfen.

Städtetag: Muss man als Demokrat aushalten

Für den BW-Städtetag warnte Bildungsdezernent Norbert Brugger davor, mit Protesten noch zusätzlich Aufmerksamkeit auf die AfD zu lenken. "Wir sollten nicht bei jeder Aktion der AfD ein Warnsignal sehen", sagte er dem SWR. Politische Arbeit sei nun mal auch Bildungsarbeit. "Das muss man als Demokrat aushalten." 

Die didacta findet vom 11. bis 15. Februar in der Messe Stuttgart statt und bietet Platz für mehr als 700 Aussteller auf einer Fläche von 60.000 Quadratmetern. Rund 1.500 Veranstaltungen wie Workshops und Podiumsdiskussionen sind geplant.

Sendung am Di., 4.2.2025 9:00 Uhr, SWR1 BW Nachrichten

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