
Baden-Württemberg Erleichterung für Eltern: Hindernisse bei der Impfung gegen Meningokokken überwunden
Der Fall eines an Meningokokken erkrankten Kindes in Ulm hat für Aufmerksamkeit gesorgt. Aber die Impfung für Kinder war gar nicht so einfach zu bekommen. Jetzt ist die Sache geregelt.
Seit Januar 2024 gilt die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO), Kinder vor dem fünften Geburtstag gegen Meningokokken B impfen zu lassen. Seit dieser Empfehlung gehört diese Impfung zum Pflichtkatalog der Krankenkassen. Doch für manche Eltern war der Weg bis zur Impfung ziemlich umständlich. Seit dem Wochenende gibt es eine Lösung.
Nach Meningokokken-Vorfall in Ulm
Meningokokken vom Serotyp B sind hoch ansteckende Bakterien, die lebensbedrohliche Krankheiten auslösen können. Einen solchen Fall hat es im Januar in Ulm gegeben. Auf dem Indoor-Spielplatz "Spatzolino" hielt sich ein zweijähriges Kind auf, bei dem eine schwere Hirnhautentzündung wegen einer Meningokokken-B-Infektion festgestellt wurde. Das Gesundheitsamt des Alb-Donau-Kreises rief deshalb Eltern, deren Kinder sich zur selben Zeit dort befanden, dazu auf, einen Arzt aufzusuchen.
Impfvereinbarung liegt nun für alle Kassen vor
Dies haben Kinderarztpraxen in Ulm auch registriert: "Es sind deutlich mehr gekommen. Es war eine richtige Welle", sagt der Ulmer Kinderarzt Dr. Matthias Schlaud vom Berufsverband der Kinder und Jugendärzt*innen. "Das ging schon an dem Tag los, wo die Meldung rausging. Die Kollegen, mit denen ich Kontakt hatte, haben genau das Gleiche erlebt." Bis zur vergangenen Woche war für Eltern der Weg zur Impfung teilweise steinig.
Das Problem lag wie so häufig im Geld. Denn in Baden-Württemberg mussten Eltern teilweise den Impfstoff bei der Apotheke kaufen und damit dann zum Kinderarzt gehen. Rund 120 Euro kostet eine Impfung. "Das Geld muss man erstmal übrig haben, das fällt manchen Familien schwer", sagte Martin Herrmann, der Leiter der Ried-Apotheke in Neu-Ulm. Hinzu kommt: Mit einer Impfung ist es nicht getan, man braucht zwei pro Kind.
Vergangenen Freitag dann kam die gute Nachricht: Die Kassenärztliche Vereinigung meldet, dass niemand mehr das Geld für die Impfung vorstrecken muss. Es gab eine Einigung der Ärzteschaft mit allen Kassen im Land. In Bayern allerdings besteht das Problem weiter. Dort werde noch weiter über eine Impfvereinbarung verhandelt, teilte die KV Bayern mit.

Ein Apotheker der Ried-Apotheke bestätigte dem SWR, dass immer wieder Eltern kamme, um Impfstoff gegen Meningokokken B kaufen - und dabei in Vorleistung gehen mussten. Dies ist jetzt vorbei.
Problematisch an der bisherigen Übergangslösung war Folgendes: Das Geld für die Impfung haben die Eltern zwar von den Krankenkassen wiederbekommen. Aber dass die Eltern in Vorleistungen gehen mussten, führte teilweise dazu, dass sie ihre Kinder nicht impfen lassen. Davon geht Apotheker Martin Herrmann aus. Und wird vom Branchenverband Pharma Deutschland e.V. bestätigt: Je niederschwelliger ein Impfangebot ist, desto mehr Menschen lassen sich auch impfen, bilanziert der Verband. Eine deutschlandweite Impfvereinbarung "würde nicht nur Chancengleichheit für Menschen aus unteren Einkommensgruppen bedeuten, sondern vor allem die Kinder schützen. In Sachsen-Anhalt ist ein solcher Automatismus in der Impfvereinbarung enthalten. Dort konnte eine höhere Impfrate nachgewiesen werden", schrieb der Verband in der vergangenen Woche.
Das Geld muss man erstmal übrig haben. Das fällt manchen Familien schwer. Martin Herrmann, Geschäftsführer der Ried-Apotheke Neu-Ulm

Bakterien unter dem Mikroskop - das Bakterium Neisseria Meningitidis löst die Meningokokken-Infektion aus. Die Erkrankung kann sehr schnell lebensbedrohlich werden, führt in zwei Dritteln der Fälle zu Hirnhautentzündung.
Flickenteppich Impfvereinbarung - viele Akteure, viele Regionen
Der Grund für die bislang so umständliche Regelung der Impfkosten lag darin, dass es für den "einfachen" Weg keine sogenannte Impfvereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen gab. Einer solchen Vereinbarung geht ein teils zähes Ringen voraus. Die Kassen haben den Ärzten für die Impfleistung acht Euro angeboten. Viel zu wenig, konterten die Ärzte. Und daher gab es zunächst keine flächendeckende Einigung. Solange mussten Eltern das Geld für die Impfung eben vorstrecken. Die Lösung war deswegen schwierig, weil es im Ringen um eine Vereinbarung so viele Akteure gibt: viele Kassen, viele Ärzte. In jedem Bundesland wird separat verhandelt.

Das Problem der Impfvereinbarung sind die vielen Akteure. Es verhandeln viele Kassen, Ärzteverbände. Und in jedem Bundesland muss einzeln entschieden werden.
Bei Impfverordnung Mengenrabatt möglich
Jetzt, da es eine Impfvereinbarung mit allen Kassen gibt, wird das einfacher. Eltern müssen das Geld nicht mehr vorstrecken. Die Vereinbarung führt auch dazu, dass die Kinderarztpraxen größere Mengen an Impfstoff für ihren "Sprechstundenbedarf" bestellen können. Darüber ist ein Mengenrabatt möglich. Das merken zwar die Eltern nicht. Aber es entlastet die Kassen.
Mehr als ein Jahr hat es gedauert, bis sich Kassen und Ärzteschaft haben einigen können. "Nervig", so fasst es der Pressesprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzt*innen Baden-Württemberg, Till Reckert, zusammen. Der Vorgang sei "bezeichend für den Zustand dieser Republik", so Reckert. Es gebe zu viel Bürokratie und im Gesundheitswesen eine "erudierende Versorgung".
Sendung am Fr., 14.2.2025 12:00 Uhr, SWR1 Baden-Württemberg, SWR1 Baden-Württemberg