
Baden-Württemberg Fehlgeburt: "Genauso schlimm wie der Tod eines Familienmitglieds"
Die Änderung des Mutterschutzgesetzes ist beschlossene Sache: Künftig haben auch Frauen nach einer Fehlgeburt Anspruch auf Mutterschutz. Eine Betroffene aus BW berichtet.
Statistisch gesehen ist eine Fehlgeburt, also ein vorzeitiger Schwangerschaftsabbruch bis zur 24. Woche, nicht unwahrscheinlich: Jede dritte Frau erlebt sie. Nur einen rechtlichen Anspruch auf eine Auszeit hat es für Betroffene lange nicht gegeben. Bis eine Fraueninitiative eine Petition für den gestaffelten Mutterschutz nach Fehlgeburten in den Bundestag einbrachte. Kurz vor dem Ende der Legislaturperiode wurde nun beschlossen: Mutterschutz wird künftig schon bei Fehlgeburten ab der 13. Schwangerschaftswoche möglich sein.
Zwei Fehlgeburten: Eine Betroffene aus BW erzählt von ihrer Leidenszeit
Sechs Jahre ist es her, dass Tanja, voller Stolz und Vorfreude auf das Baby ihren Mann mit zum Ultraschall-Termin nahm. Ihr sei gleich klar gewesen, dass da etwas nicht stimmte, erzählt sie am Telefon: "Als ich dann die eigentlich schon wieder leere Fruchthöhle gesehen habe, war mir auch sofort klar: Das war's." In dem Moment sei sie "richtig zusammengebrochen", berichtet die heute 40 Jahre alte Frau.
Als sie erfahren habe, dass sie schwanger ist, habe sie sich schon "als Mama gefühlt", erzählt Tanja. "Und dann sieht man sich ja schon mit diesem Kind in der Zukunft und für die ganze Zukunft mit diesem Wesen, was man schon liebt, auch wenn es noch winzig klein ist." Es breche etwas weg, und das sei ein schlimmer Verlust.
Fehlgeburten: Was ist, wenn es nie klappt?
Also für mich waren die Fehlgeburten somit das Schlimmste, was mir in meinem Leben passiert ist, genauso schlimm wie jetzt der Tod eines Familienmitglieds. Tanja hatte zwei Fehlgeburten
Es war ihre zweite Fehlgeburt. Damit kamen für Tanja und ihrem Mann neben der Trauer ganz viele Fragen und Ängste auf: "Was ist, wenn es nie klappt?" Tanja zog sich in den engsten Kreis ihrer Familie zurück.
Dabei galt es nicht nur damit umzugehen - sondern auch mit den medizinischen Folgen. Der Embryo in ihrem Bauch lebte zwar nicht mehr, aber der Körper hatte ihn nicht abgestoßen. "Dieses Gefühl: Ich habe mein totes Baby im Bauch, das war für mich ganz schlimm", sagt Tanja. Es folgten mehrere Besuche in der Klinik, teilweise unter Vollnarkose. Für manche Ärzte oder Kliniken sei es keine Frage, dass die Betroffenen "morgen wieder ins Büro" gehen können. "Das finde ich total absurd", sagt Tanja.
Nach drei Jahren hat es die Petition in den Bundestag geschafft
Tanja wurde von ihrem Arzt für zwei Wochen krankgeschrieben, sie hatte Glück. Vielen anderen Frauen gehe es nicht so, sagen sie und andere Betroffene. Mutterschutz galt bisher nicht für Frauen, die eine Fehlgeburten erlitten. Um das zu ändern, haben sich betroffene Frauen zusammengetan und eine Petition gestartet, die Mutterschutz nach Fehlgeburten fordert.
Drei Jahre dauerte es, bis es die Petition kurz vor dem Ende der Legislaturperiode in den Bundestag schaffte. Die Initiatorin der Petition, Natsacha Sagorski, hat die Ausschuss- und Plenarsitzungen verfolgt und erzählt: "Ich habe Freudentränen."
Gesetzesänderung: Frauen bekommen nach Fehlgeburt Mutterschutz
Wegen den politischen Entwicklungen habe sie es für unwahrscheinlich gehalten, "aber wir haben es geschafft". Sagorski berichtet, sie erreichten den ganzen Tag Nachrichten von Frauen, "die sich freuen, die zu Hause sitzen und vor Freude weinen". Es sei ein tolles Gefühl, etwas bewegt zu haben.
Ab der 13. Schwangerschaftswoche bekommen Frauen nun auch nach Fehlgeburten Mutterschutz - gestaffelt nach Zeitraum. Die meisten Frauen, die eine Fehlgeburt erleiden, verlieren ihre Schwangerschaft vor der 13. Woche, das geht aus Recherchen des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik hervor. Auch auf Tanja hätte diese Regelung nicht zugetroffen, sie war in der 12. Woche. Dennoch, auch sie sieht die Initiative als Erfolg an: "Man spricht offener über Fehlgeburten".