
Baden-Württemberg Geld und Mitglieder fehlen: Kirchen in BW müssen Gotteshäuser aufgeben
Auch die Kirchen müssen sparen, zumal es immer weniger Mitglieder gibt. Viele Kirchengebäude in BW werden daher in den kommenden Jahren aufgegeben. Aber was wird aus ihnen?
In so manchem Ort in Baden-Württemberg dürften in den nächsten Jahren und Jahrzehnten die Kirchenglocken für immer verstummen - viele Kirchen müssen schließen. Denn immer mehr Menschen wenden sich von der Kirche ab: Rund 63.800 Menschen traten in Baden-Württemberg 2023 aus der katholischen Kirche aus, die evangelische Kirche verlor durch Austritte etwa 54.000 Mitglieder. Die Folgen sind nicht nur ein schmerzlicher Bedeutungsverlust, sondern auch Finanznöte. Die evangelischen und katholischen Kirchen in Baden-Württemberg müssen sparen und sich neben Pfarr- und Gemeindehäusern auch von Kirchen verabschieden.
Nach Schätzungen einer Expertin der Uni Köln könnte in ganz Deutschland bald ein Drittel der Kirchen nicht mehr gebraucht werden. In Baden-Württemberg sind es noch Einzelfälle, aber die Entwicklung nimmt auch hierzulande zu, weiß Marc Witzenbacher, Prälat bei der Evangelischen Kirche Baden (Ekiba). Die Mitfinanzierung von Kirchengebäuden sei bei etwa 30 Prozent infrage gestellt. In den vergangenen fünf Jahren seien bisher 13 Kirchen entwidmet worden.
Was folgt nach der Entwidmung der Kirchen?
In Dogern im Kreis Waldshut ist es Ende April so weit: Die vor mehr als 60 Jahren erbaute evangelische Auferstehungskirche wird aufgegeben und im Rahmen eines feierlichen Gottesdienstes entwidmet. "Alle religiösen Gegenstände, die mit einem Kreuz versehen sind, müssen raus", sagt Vize-Kirchengemeinderatsvorsitzende Jenny Lohrer. Dann gibt es in Dogern keine evangelische Kirche mehr. Sie sei von den rund 300 evangelischen Kirchenmitgliedern am Ort nicht mehr genutzt worden.
Was mit dem Gebäude geschieht, steht noch nicht fest. Es gibt viele Ideen, aber noch keinen konkreten Plan, sagt Lohrer. Das Schicksal dieser Kirche ist der Anfang. Viele weitere werden wohl folgen.

Die Auferstehungskirche steht in der Gemeinde Dogern (Kreis Waldshut). Sie ist eine der Kirchen in Baden-Württemberg, die in diesem Jahr entwidmet werden sollen.
Denkmalschutz erschwert Umnutzung und Verkauf
Viele Kirchen im Land sind denkmalgeschützt. Im Bereich der Evangelischen Landeskirche Württemberg fällt laut Ekiba sogar der große Teil der rund 1.500 Kirchengebäude unter Denkmalschutz und wäre daher bei Bedarf auch kaum verkäuflich. Der Aufwand durch Denkmalschutzauflagen erschwere auch eine Umnutzung.
In den letzten Jahren sind die Christuskirche in Reutlingen sowie die Johanneskirche in Wendlingen (Kreis Esslingen) geschlossen beziehungsweise umgenutzt worden, heißt es von der Ekiba. In Zusammenarbeit mit der Diakonie entstand in Reutlingen ein diakonisches Zentrum. In Wendlingen wurde die Johanneskirche bis auf den Kirchturm abgerissen und ein Wohnprojekt für Menschen mit Beeinträchtigung errichtet.
Abschied von Kirchengebäuden oft schmerzhaft für Gemeinde
In der Diözese Rottenburg-Stuttgart werden insgesamt noch rund 2.400 Sakralgebäude genutzt, davon 1.400 Kirchen und 1.000 Kapellen. In den letzten fünf Jahren seien nur Kirchen aufgegeben worden, für die es einen Ersatzneubau gab.
In der Erzdiözese Freiburg gebe es noch rund 2.000 Kirchen und Kapellen, die genutzt werden, erklärte ein Sprecher. Etwa zehn Kirchen seien in den vergangenen fünf Jahren aufgegeben worden, bei fünf bis sechs weiteren Kirchengebäuden liefen entsprechende Anträge. Wenn Kirchen aufgegeben würden, sei das jedoch nicht leicht für die betroffenen Gemeinden, so der Sprecher. Es sei wichtig, dass die Gemeinde die Gelegenheit zum Abschied bekommt. Von den aufgegebenen Kirchen seien nur noch wenige weiter in christlicher Verwendung. Meist werde eine soziale oder karitative Nutzung angestrebt. Das Gebäude solle keiner "unwürdigen Bestimmung" dienen.
Früher undenkbar: Cafés oder Büros in ehemaligen Kirchen
Generell hätten sich die Richtlinien jedoch verändert, berichtet Prälat Witzenbacher von der Ekiba. Früher sei der Betrieb eines Cafés oder Lokals in ehemaligen Kirchenräumen undenkbar gewesen. Heute sei man flexibler. In Nordrach im Ortenaukreis sei 2023 eine Kirche an einen Investor verkauft worden, der ein Bürogebäude daraus machen wollte. Vorher war die entwidmete Kirche ein Atelier.
Sendung am So., 9.2.2025 16:00 Uhr, SWR1 BW Nachrichten