Metzger Auszubildender bei der Arbeit

Baden-Württemberg Handwerk in BW: Pfusch am Bau, Pfusch am Nachwuchs?

Stand: 22.02.2025 09:20 Uhr

Immer Ärger mit Handwerkern - eine gängige Beschwerde. Aber woran liegt es? Am Fachkräftemangel, den Nachwuchssorgen oder der Bürokratie? Oder sind sie selbst verantwortlich?

Es soll ein Fertighaus werden, doch fertig ist auf der Baustelle von Susanna und Robert noch längst nicht alles. Im Keller des Rohbaus steht Wasser - zwar wurde der Keller mitgeplant, aber die Entwässerung vergessen, sagt das Paar aus Baden-Württemberg. Jetzt fühle sich niemand so recht zuständig - die Hausbaufirma nicht für den Keller und umgekehrt.

Dabei klingt es so einfach: Fertighaus. Aber bereits vor dem Einbau war eine Wand beschädigt und ein Rollladenkasten vergessen worden. Dabei hatten die beiden sogar trotz eigener Vorkenntnisse einen professionellen Bauleiter hinzugezogen.

Pfusch am Bau? Kundenfrust statt Traum vom Eigenheim I Zur Sache! Baden-Württemberg

Bis vor Kurzem wohnte das junge Paar noch in Stuttgart. Das neue Haus liegt weiter weg. Jetzt sind Susanna und Robert eigens zu seinen Eltern gezogen, um näher an der Baustelle zu sein. Denn oft werden Termine nicht eingehalten, kurzfristig verschoben oder neu angesetzt.

Tausende Fachkräfte fehlen im Handwerk

Ein großes Problem im Handwerk ist nach wie vor der Fachkräftemangel. Maßnahmen wie die "Altgesellenregelung" sollen helfen: Danach kann eine Person auch ohne Meisterbrief einen Betrieb eröffnen, wenn sie einen Gesellenbrief und damit mindestens sechs Jahre in ihrem Beruf gearbeitet hat, davon vier Jahre in leitender Position.

Doch weiterhin fehlen Fachkräfte, auch weil ausländische Abschlüsse oft nicht anerkannt werden. Der Stuttgarter Handwerkskammer-Vizepräsident Alexander Kotz meint außerdem, dass Menschen aus anderen Ländern für Theorieprüfungen auf Deutsch oft mehr Unterstützung bräuchten.

Die größte Herausforderung ist sicherlich der fehlende Nachwuchs. Laut einer aktuellen Umfrage der baden-württembergischen Handwerkskammer geben fast die Hälfte aller Ausbildungsbetriebe an, unbesetzte Lehrstellen zu haben. Besonders viele sind es im Bereich Nahrung. Auch die Gesundheits- und die Dienstleistungsbranche sowie das Baugewerbe liegen hier über dem Schnitt. Das Kfz-Handwerk liegt deutlich darunter, ist also noch vergleichsweise beliebt bei Auszubildenden.

Nachwuchssorgen im Handwerk I Zur Sache! Baden-Württemberg

Große Bandbreite beim Einkommen im Handwerk

Auch die Verdienstmöglichkeiten im Handwerk sind unterschiedlich. Es kommt sehr auf die Branche an, und auch innerhalb der Berufsgruppen wird sehr unterschiedlich bezahlt. Mittelwerte zeigen, dass beispielsweise Friseurinnen und Friseure oder Fußpflegerinnen und Fußpfleger vergleichsweise wenig verdienen: In diesen Berufen liegt das mittlere Einkommen oft bei knapp über 2.000 Euro brutto. Angesichts gestiegener Preise, Mieten und Krankenkassenbeiträge reicht das oft fast nicht zum Leben.

In der Pflege sind die Löhne häufig nicht so niedrig wie weithin angenommen. Und wer etwa im Straßenbau arbeitet, kann in Baden-Württemberg mit Löhnen über 4.000 Euro brutto rechnen, als Bauingenieure im Hochbau sind 5.000 und mehr möglich.

Die Bruttogehälter im Handwerk für Baden-Württemberg

Die Bruttogehälter im Handwerk in Baden-Württemberg unterscheiden sich stark.

Nicht nur Fachkräftebedarf und Einkommen sind sehr unterschiedlich, sondern auch die Geschlechterverteilung. Laut Handwerkskammer Baden-Württemberg wird jeder fünfte Ausbildungsvertrag in diesem Bundesland von einer Frau abgeschlossen, und jede fünfte Meisterinnenprüfung von einer Frau abgelegt.  

Sexismus und Homophobie im Handwerk

Manche weibliche Auszubildende machen schlechte Erfahrungen: Adelina wollte zum Beispiel Tischlerin werden - ihr Traumberuf. Doch in ihrem Ausbildungsbetrieb habe sich niemand so recht gekümmert, außerdem seien Azubis schikaniert worden, vor allem weibliche. Sie seien angeschrien worden, auch ein Brett sei geflogen, so berichtet es die junge Frau dem SWR.

Ein Umgangston, der für sie nicht in eine moderne Arbeitswelt und einen normalen Umgang miteinander passt. Adelina hat es nicht mehr ausgehalten und die Ausbildung abgebrochen. Ihr Problem: Dadurch hat sie keinen Abschluss, nur das Gesellenstück fehlte noch. Die Prüfung auf eigene Kosten zu beenden, ist teuer.

Dass Frauen, aber auch beispielsweise schwule oder bisexuelle Männer es in Handwerksberufen schwerer haben können als andere, bestätigt auch Ben Berger. Der Tischler ist als Influencer bekannt: Auf Instagram folgen ihm mehr als 170.000 Accounts. Doch er hat Glück gehabt: Er hatte eine Ausbilderin, die sehr auf das Miteinander geachtet hat, erzählt der Werkstattleiter in der Sendung "Zur Sache Baden-Württemberg". Zustimmung kommt von der Rechtsanwältin Melanie Reibold-Rolinger, die vor Gericht für Verbraucherrechte kämpft. Gemischte Teams tun der Arbeitsatmosphäre auch im Handwerk gut, meint sie.

Bessere Kommunikation zwischen Kunden und Handwerkern

Um ein Miteinander geht es auch Susanna und Robert, dem jungen Paar, das schon seit Monaten mit Mängeln beim Bau ihres Fertighauses kämpft. Sie wünschen sich eine bessere Kommunikation, dass Handwerk und Kundschaft miteinander im Gespräch sind, dass Fehler eingestanden und Probleme gemeinsam gelöst werden. Kurz gesagt: dass wieder mehr Verantwortung übernommen wird.

Sendung am Do., 20.2.2025 20:15 Uhr, Zur Sache Baden-Württemberg, SWR BW

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