Mit einem Otoskop untersucht eine Kinderärztin den Mund und Hals eines Mädchens. Die Zahl der Keuchhusten-Fälle in Baden-Württemberg lag 2024 um ein vielfaches höher als in früheren Jahren.

Baden-Württemberg Hohe Zahl der Keuchhusten-Fälle in BW auch eine Folge der Corona-Pandemie

Stand: 02.02.2025 10:37 Uhr

Seit Einführung der Meldepflicht gab es in Baden-Württemberg noch nie so viele Keuchhusten-Fälle wie 2024. Mitverantwortlich dafür ist die Corona-Pandemie - und die niedrige Impfquote.

Die Zahl der Keuchhusten-Fälle in Baden-Württemberg lag im vergangenen Jahr 2024 so hoch wie noch nie seit der 2013 eingeführten bundesweiten Meldepflicht. 4.457 Fälle wurden übermittelt. Das ist etwa fünfzehnmal so viel wie im Jahr 2023 (298 Fälle) und fast dreimal so viel wie der bisherige Höchstwert aus dem Jahr 2014 (1.603 Fälle). Die Ursachen dafür sind vielfältig. Maßgeblich ist aber wohl die Corona-Pandemie. Und das gleich auf mehreren Ebenen.

Corona-Schutzmaßnahmen dämmen Zirkulation von Erregern ein

So haben die Infektionsschutzmaßnahmen während der Pandemie nicht nur die Übertragung von Covid-19 eingedämmt, sondern auch die Zirkulation anderer Erreger. Gerade während der Corona-Hochphase, in der die Kontakte massiv eingeschränkt wurden und es zeitweise Ausgangssperren gab, konnte sich auch Pertussis - so der medizinische Fachbegriff für Keuchhusten - nicht ausbreiten. Im Jahr 2020 gab es in Baden-Württemberg 319 Fälle, 2021 und 2022 waren es 65 beziehungsweise 108. Das teilt das Landesgesundheitsministerium auf SWR-Anfrage mit.

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Immunität gegen Krankheiten sinkt während der Pandemie

Doch verminderte sich durch die Maßnahmen nicht nur die Zirkulation der Erreger. Auch die Immunität der Bevölkerung nahm in diesem Zeitraum ab. Das erhöhte die Anfälligkeit für Keuchhusten. Denn: "Hinweise auf eine erhöhte Virulenz des Erregers oder eine besondere Schwere der Erkrankungen gibt es laut dem Robert Koch-Institut momentan nicht", heißt es aus dem Gesundheitsministerium.

Trotzdem ist der aktuelle Wert auch im Vergleich zu den Jahren 2013 bis 2019, in denen sich die Fallzahlen zwischen 804 und 1.603 bewegten, um ein Vielfaches höher. Zwar spricht das Landesgesundheitsamt auch davon, dass Keuchhusten als endemische Erkrankung alle vier bis sechs Jahre mit erhöhten Fallzahlen auftrete. Doch fällt eine weitere Folge der Corona-Pandemie noch stärker ins Gewicht: eine gewisse Impfskepsis.

In manchen Kreisen in BW ist nur jeder zweite Säugling gegen Keuchhusten geimpft

Diese ist gerade im Süden Deutschlands besonders stark ausgeprägt. So liegt Baden-Württemberg im bundesweiten Vergleich bei den Säuglingsimpfungen gegen Keuchhusten (Pertussis) auf dem letzten Platz. Nur 69,4 Prozent der 24 Monate alten Kinder haben laut Dashboard des Robert-Koch-Instituts (RKI) einen vollständigen Impfschutz. Zum Vergleich: In Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hessen liegen die Quoten über 80 Prozent, der Bundesdurchschnitt bei 77 Prozent. In manchen Landkreisen in Baden-Württemberg ist sogar nur jeder zweite Säugling gegen Keuchhusten geimpft, wie beispielsweise im Kreis Waldshut oder im Ortenaukreis.

Zwar lagen die Impfquoten bei Säuglingen gegen Keuchhusten in Baden-Württemberg bereits seit 2010 immer etwas unter dem Bundesdurchschnitt. In den Jahren 2013 und 2014 vergrößerte sich die Lücke dann aber. Im Jahr 2020 fiel die Quote - parallel zur Bundesquote - weiter ab und hat sich seitdem auch nicht mehr erholt. "Es gibt Hinweise, dass die Pandemie das Impfverhalten der Bevölkerung hinsichtlich einer zunehmenden Impfskepsis beziehungsweise Impfmüdigkeit beeinflusst hat", teilt das baden-württembergische Gesundheitsministerium mit.

Manche Eltern holen Impfung gegen Keuchhusten nach

Dass manche Eltern die Impfungen der eigenen Kinder bis zur Einschulung noch nachholen, zeigen die im Rahmen der Einschulungsuntersuchung erhobenen Impfquoten. So waren 2023 in Baden-Württemberg 89,3 Prozent der einzuschulenden Kinder gegen Keuchhusten geimpft. Allerdings war auch hier schon vor der Corona-Pandemie ein leichter Abwärtstrend zu beobachten: 2012 lag die Quote noch bei 93,7 Prozent.

Weniger als die Hälfte der Schwangeren in BW lässt sich gegen Keuchhusten impfen

Doch nicht nur die Impfung von Säuglingen und Kindern, auch die Impfung der werdenden Mütter - die das RKI empfiehlt - ist bei Pertussis ausbaubar. Nicht einmal jede zweite schwangere Frau war im Jahr 2022 gegen Pertusssis geimpft. In Baden-Württemberg waren es laut RKI-Dashboard 44,2 Prozent. Nur in Bayern war die Quote mit 41,7 Prozent noch niedriger.

Das hat auch das Gesundheitsministerium registriert, für welches das Impfen ein wichtiger Baustein ist: "Zur Vermeidung von Infektionskrankheiten ist die Erhöhung der Impfquoten beziehungsweise Schließung der Impflücken mitunter die wichtigste Maßnahme und dem Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration daher ein großes Anliegen."

Wie erkennt man Keuchhusten?
Die ersten ein bis zwei Wochen ähnelt Keuchhusten einer leichten Erkältung, schreibt das Robert Koch-Institut in seinem Ratgeber zu Keuchhusten. Die Nase läuft und die Erkrankten haben leichten Husten, dabei aber kein oder nur mäßiges Fieber. Erst danach kommt es zu den klassischen Symptomen mit den anfallsweise auftretenden Hustenanfällen. Sie enden häufig mit dem typischen keuchenden Einziehen von Luft. Bei den Hustenattacken würgen die Betroffenen oft zähen Schleim hervor und übergeben sich. Die Anfälle können gehäuft auftreten, in vielen Fällen überwiegend nachts. Im dritten Stadium nehmen die Hustenanfälle langsam ab. Bei Jugendlichen und Erwachsenen, wie auch bei vielen geimpften Kindern verläuft eine Erkrankung mit Keuchhusten laut RKI oftmals lediglich als lang dauernder Husten ohne die klassischen Begleitsymptome wie Hustenanfälle, Keuchen oder Erbrechen. Wenn diese Symptome auftreten oder es einen Kontakt zu einem bestätigten Keuchhustenfall gab, sollte auf Keuchhusten getestet werden - auch wenn die Patientin oder der Patient geimpft ist.

Entwicklung der Keuchhusten-Fälle kaum vorhersehbar

Eine Prognose, wie sich die Zahl der Keuchhusten-Fälle in Baden-Württemberg in 2025 entwickeln wird, kann das Gesundheitsministerium nicht geben. Das sei nicht belastbar vorauszusagen, heißt es. Allerdings gingen die Fallzahlen gegen Ende 2024 wieder leicht zurück. Im bisherigen Jahr (Stichtag 28. Januar) gab es in Baden-Württemberg bislang 90 Keuchhusten-Fälle.

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