Friedrichsbau-Kino in Freiburg

Baden-Württemberg Holocaust: Enkel eines Auschwitz-Kommandanten will erinnern statt verleugnen

Stand: 27.01.2025 12:43 Uhr

Rudolf Höß hat in Auschwitz über eine Million Menschen umbringen lassen. Sein Enkel Kai Höss war zum Gedenktag in Freiburg und stellte sich den Fragen von Kinobesuchern.

Mehr als eine Million Menschen sind im Konzentrationslager Auschwitz dem Holocaust zum Opfer gefallen. In Erinnerung an die Befreiung des Konzentrationslagers vor 80 Jahren wurde im Freiburger Friedrichsbaukino am Sonntag der Dokumentarfilm "Im Schatten des Kommandanten" gezeigt. Am Montagabend läuft der Spielfilm "The Zone of Interest". Beide Filme befassen sich mit der Rolle und dem Leben des Lagerkommandanten Rudolf Höß. Dessen Enkel Kai Höss war am Sonntag bei der Vorführung des Dokumentarfilms anwesend - er hat sich den Zuschauern zum Gespräch gestellt. Und auch am Montagabend wird sich der Enkel den Fragen der Zuschauer stellen.

Kai Höss sagt zum Gedenken an die Getöteten:

Enkel spricht über die Verbrechen des KZ-Kommandanten

Das Erinnern an die Gräueltaten der Nazis und die Verbrechen in Auschwitz müsse am Leben gehalten werden, sagte Höss vor dem Kino-Publikum auf der Bühne. In einem Gespräch mit dem SWR betonte Höss: "Die Erinnerung daran muss im Herzen ankommen." Sein Großvater habe detailliert die Verbrechen im Lager Auschwitz aufgeschrieben, lieferte so quasi selbst den Beweis für das Grauen im KZ, erzählte Höss. In dem gezeigten Dokumentarfilm "Im Schatten des Kommandanten" wird mitunter auch aus den Aufzeichnungen von Rudolf Höß zitiert. "Wir dürfen niemals zulassen, dass sich solche Gräueltaten wiederholen", sagt Kai Höss.

Holocaust-Gedenktag am 27. Januar
Am 27. Januar 1945 befreiten Soldaten der Roten Armee der Sowjetunion das Konzentrationslager Auschwitz. Allein dort ermordeten die Nationalsozialisten mehr als anderthalb Millionen Menschen. 1996 erklärte der damalige deutsche Bundespräsident Roman Herzog den 27. Januar zum "Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus". 2005 erklärten ihn die Vereinten Nationen zum "Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust".

Im Kinosaal erzählt der Pfarrer einer freikirchlichen Gemeinde in Stuttgart auch, wie er mit der Schuld seines Großvaters umgehe, der für den Tod von über einer Million Menschen mit verantwortlich war. Wesentlich aus seiner Sicht sind Reue und Versöhnung, selbst wenn so die schrecklichen Taten nicht ungeschehen gemacht werden könnten. Es sei wichtig sich der Taten zu erinnern und nicht zu leugnen, betonte Höss. Um zu verstehen, was sein Großvater in Auschwitz Grauenvolles angerichtet hatte, hat er sich selbst ein Bild von vor Ort gemacht - im Lager Auschwitz.

Kai Höss und Kinobetreiber Ludwig Ammann stehen nach dem Film auf der Bühne des Kinosaals zum Publikumsgespräch.

Treffen mit Tochter einer Holocaust-Überlebenden

Gemeinsam mit seinem Vater, der neben dem Lager Auschwitz aufgewachsen ist, besuchte Kai Höss das Konzentrationslager. Dort traf er auch die Tochter der Holocaust-Überlebenden Anita Lasker-Wallfisch. Der Dokumentarfilm skizziert eine stille, emotionale Begegnung zwischen den drei Erwachsenen - ohne anzuklagen. Der Film zeigt auch, wie die Protagonisten mit der Vergangenheit und dem Holocaust umgehen. "Wir müssen über die Vergangenheit reden", sagte die inzwischen fast 100-jährige Auschwitz-Überlebende Anita Lasker-Wallfisch, die Höss in London besucht hat. Sie betont in dem Dokumentarfilm, man müsse über die Vergangenheit reden, weil inzwischen der Antisemitismus wieder salonfähig geworden sei.

Am Montag wird im Freiburger Friedrichsbau-Kino um 18 Uhr der Spielfilm "The Zone of Interest" gezeigt, der über das Familienleben von Lagerkommandant Höß - direkt neben den Mauern des KZ Auschwitz erzählt. Auch hier wird dessen Enkel Kai Höss anwesend sein. Der Film wird auch um 19 Uhr im Central-Kino Rottweil gezeigt.

Weitere Gedenkveranstaltungen in Südbaden

Sowohl in jüdischen Gemeinden als auch bei zahlreichen anderen Veranstaltungen in Südbaden wird der Opfer des Holocaust gedacht. Bei einer gemeinsamen Veranstaltung der Stadt und dem SWR im historischen Kaufhaus Freiburg versammeln sich Montagabend Vertreter aus Politik, Religion und Gesellschaft. Das Thema der Gedenkveranstaltung: "Scham, Schweigen, Trauer, Trauma. NS-"Euthanasie“ und die Folgen für die Familien der Ermordeten".

Auch im Dreiländermuseum in Lörrach wird der NS-Opfer gedacht. Hier wird an Einzelschicksale im Dreiländereck erinnert. Im Salmen in Offenburg steht Montagnachmittag das Schicksal traumatisierter Kinder im Mittelpunkt des Gedenkens, die den Holocaust überlebt haben. Im Jüdischen Museum Emmendingen gibt es am Montagabend eine Lesung aus dem Werk des jiddischen Poeten Yisroel Shtern.

Sendung am Mo., 27.1.2025 6:30 Uhr, SWR4 BW Studio Südbaden - Regionalnachrichten

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