
Baden-Württemberg Holocaust-Gedenken in BW: 80 Jahre Befreiung des KZ Auschwitz-Birkenau
Millionen Menschen wurden unter der NS-Diktatur ermordet. Am Jahrestag der Befreiung von Auschwitz 1945 wird der Opfer gedacht. Die zentrale Gedenkfeier fand im Landtag BW statt.
Mit einer zentralen Gedenkfeier im Plenarsaal hat der baden-württembergische Landtag der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Anlass ist der 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau.
Landtagspräsidentin Aras erinnert an nationalsozialistische Gräueltaten
Am 27. Januar 1945, wurde das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau befreit. Das KZ steht wie wohl kein anderer Ort für die Verbrechen des Holocaust. An diesem 27. Januar 2025 hat auch der baden-württembergische Landtag der Ermordung und des Leids von Millionen Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma und anderen Verfolgten durch den Nationalsozialismus gedacht.
Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) erinnerte daran, wie schwierig es lange gewesen sei, an die nationalsozialistischen Gräueltaten zu erinnern. "Der Weg des Erinnerns wurde auch immer gemieden, von denen die wegschauten, weghörten, schwiegen, ignorierten", so Aras, "oder er wurde blockiert, von jenen, die logen, relativierten, einen Schlussstrich forderten." Derweil habe sich das Leid der Überlebenden fortgesetzt. "Der Weg des Erinnerns führt vorbei an der beschämend lückenhaften rechtlichen Aufarbeitung. Den Weg des Erinnerns gilt es immer wieder zu beschreiten. Sonst wuchert er zu", so Aras.
Opfergruppen des Holocaust gestalten Gedenkfeier mit
Die zentrale Gedenkfeier im Landtag von Baden-Württemberg fand in Zusammenarbeit mit den Opfergruppen des Holocaust statt. Aras mahnte in ihrer Rede angesichts wachsender Geschichtsvergessenheit und des erstarkenden Rechtsextremismus: "Schauen wir nicht zu, wie die Demokratieverachtung und Menschenfeindlichkeit weiter einsickert in unsere Gesellschaft." Es müsse jedem bewusst sein, wer Demokratiefeinde stärke und Rechtsextreme wähle, der "bringt Menschen in Gefahr, Nachbarn Freunde, Kollegen, Mitschüler", so Aras. Neben Aras sprachen Michael Kashi, Vorstand der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs, sowie der Historiker Martin Sabrow vom Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam.
Jahrestag erinnert an Millionen Opfer des Nationalsozialismus
Über 1,5 Millionen Männer, Frauen und Kinder wurden durch die Nazis in Auschwitz ermordet. Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee die Gefangenen des Konzentrationslagers. "Das Grauen, das sich der Welt an jenem Tag offenbarte, ist zum Inbegriff geworden für das Menschheitsverbrechen des Holocaust", erklärt Landtagspräsidentin Aras. Man schätzt, dass insgesamt über sechs Millionen Jüdinnen und Juden durch die Nazis ermordet wurden - mehr als die Hälfte der jüdischen Bevölkerung Europas.
Auch Arie Pinsker war in Auschwitz, mit grade 13 Jahren. Zusammen mit seiner Familie war der Jude aus seiner Heimat Ungarn deportiert worden.
Der Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz ist seit 1996 in Deutschland ein offizieller Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Die Vereinten Nationen erklärten den 27. Januar im Jahr 2005 zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts.
Expertin für Erinnerungsarbeit von Uni Tübingen zum Gedenktag
Die Erinnerungsarbeit ist noch immer sehr wichtig, sagt Heike Radvan von der Uni Tübingen. Die Forscherin arbeitet dort am bundesweit einmaligen Institut für Rechtsextremismus. Ihr Fokus liegt auf der pädagogischen Erinnerungsarbeit. Und die verändert sich immer wieder, sagt Radvan. Deswegen sei es wichtig, möglichst konkret an Betroffene zu erinnern. Nur so könne man immer wieder junge Menschen für dieses Thema gewinnen.
Die Tübinger Forscherin nennt ein Beispiel: Wenn sie mit einer Schulklasse eine Gedenkstätte besuche, sei das nur von kurzer Bedeutung für die jungen Leute. Nachhaltiger sei für alle, einen ganz konkreten Zugang über verschiedene Fragen zu schaffen. Wer war eigentlich an unserer Schule von dem Holocaust betroffen? Und wie sah das für die Person dann ganz konkret aus? Das alles ermögliche dann auch einen emotionalen Zugang für die jungen Leute, so die Tübinger Forscherin.
Holocaust-Gedenkveranstaltungen an mehreren Orten in BW
Neben der zentralen Gedenkfeier im Landtag fanden in ganz Baden-Württemberg Veranstaltungen statt, um an die Opfer des Holocausts zu erinnern. Der Lernort Kislau e. V. rief zum Beispiel gemeinsam mit der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe und dem Bündnis für Demokratie und Menschenrechte zu einer Aktion auf dem Karlsruher Marktplatz auf. In Freiburg veranstaltete die Stadt gemeinsam mit dem SWR zum Tag der Befreiung von Auschwitz im Historischen Kaufhaus am Münsterplatz eine Gedenkveranstaltung. Auch in der Region Bodensee-Oberschwaben wurde der Opfer des Nationalsozialismus gedacht: So erinnern die Zentren für Psychiatrie (ZfP) mit Veranstaltungen an die deportierten und ermordeten psychisch Kranken.
Haus des Dokumentarfilms startet bundesweite Kino-Initiative
Aus Anlass des 80. Holocaust-Gedenktag 2025 zeigt das Stuttgarter Haus des Dokumentarfilms (HdF) gemeinsam mit rund 40 Kooperationspartnern bundesweit Filme, die sich mit der Shoah beschäftigen. Die Vorführungen in Kinos und anderen Einrichtungen werden mit Diskussionsveranstaltungen begleitet. Außerdem sollen sich die Veranstaltungen des HdF 2025 verstärkt mit Rechtsextremismus und Rechtspopulismus beschäftigen, etwa beim Roman Brodmann Kolloquium am 7. Mai 2025 in Berlin oder beim Branchentreff DOKVILLE am 26. und 27. Juni 2025 in Stuttgart.
"Tag der Menschlichkeit" für Schüler in Lahr
Die Befreiung von Auschwitz beschäftigt auch die Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg. Das Clara-Schumann-Gymnasium in Lahr (Ortenaukreis) plant etwa einen ganzen Schulprojekttag unter dem Motto "Tag der Menschlichkeit - Courage stärkt Gemeinschaft".
In Kooperation mit dem Landgericht Offenburg, der Caritas, der Polizei Lahr, verschiedenen Vereinen wie "Die Brücke Lahr" und der jüdischen Gemeinde Gescher erhalten die rund 400 Schülerinnen und Schüler Workshops zu den Themen Zivilcourage und Toleranz.
Sendung am Mo., 27.1.2025 10:55 Uhr, SWR Extra, SWR BW