
Baden-Württemberg Jugendaustausch mit Israel: Wie der Gazakrieg sich in BW auswirkt
Seit 60 Jahren gibt es diplomatische Beziehungen zu Israel. Eine Nürtinger Schule pflegte 30 Jahre lang einen Jugendaustausch dorthin. Doch dann kam der 7. Oktober 2023.
Am 12. Mai 1965 haben Deutschland unter dem damaligen Bundeskanzler Ludwig Erhard (CDU) und Israel mit Ministerpräsident Levi Eschkol offizielle diplomatische Beziehungen zueinander aufgenommen. Fünf Jahre zuvor hatten der vorherige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) und Israels erster Ministerpräsident David Ben-Gurion sich erstmals getroffen und damit der Aussöhnung den Weg bereitet. Eine Annäherung schien lange undenkbar nach dem ungeheuerlichen Leid, welches das NS-Regime dem jüdischen Volk zugefügt hatte.
Jugendaustausche fördern die Völkerverständigung
Doch schon vor der Aufnahme der offiziellen diplomatischen Beziehungen haben Jugendaustausche einen wichtigen Beitrag für die Verständigung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Israel geleistet. Diese Erfahrung hat auch Gotthold Müller aus Metzingen (Kreis Reutlingen) gemacht. 1963 reiste er mit 18 Jahren nach Israel, um mit einer christlichen Organisation ein Heim für Kinder mit Behinderung aufzubauen. Ablehnung hätten sie damals keine erfahren, erinnert sich der heute 79-Jährige: "Das Einzige, was immer wieder gefragt wurde: 'Was haben Eure Väter gemacht? Wo waren die im Krieg?'"
Gotthold Müller, selbst nach Kriegsende geboren, will als junger Mann die Geschichte aufarbeiten. Denn zu Hause habe man nie über das gesprochen, was im Krieg passiert ist. Ein Tabuthema. In Israel stellt er fest, dass es viele Gemeinsamkeiten gibt: "Das sind die gleichen Leute wie wir. Man kann mit denen singen, man kann mit denen reden, […] man hat einfach eine gute Beziehung."
Nürtinger Schule macht seit 30 Jahren Schüleraustausche mit Israel
An der Philipp-Matthäus-Hahn-Schule in Nürtingen (Kreis Esslingen) finden seit mehr als 30 Jahren Austausche mit Schulen in Israel statt. Eine wichtige Begegnung für Schulleiter Wolf Hofmann: "Der Antrieb ist, dass wir in allen Schulen die Aufgabe haben, unsere gemeinsame Geschichte aufzuarbeiten und zu befrieden und den Israelis zu zeigen, dass wir uns weiterentwickelt haben und heute nicht mehr die Menschen sind, von denen zu befürchten ist, dass das ein zweites Mal vorkommen kann."
Keine Reise nach Israel mehr seit dem Terrorangriff der Hamas
Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 hat es keinen Austausch mehr gegeben zwischen der Philipp-Matthäus-Hahn-Schule und den israelischen Partnerschulen. Seitdem geht Israel gegen die Hamas und ihre Unterstützer im Gazastreifen vor.
Kurz vorher waren Jugendliche aus Israel zu Gast in Nürtingen. Zum Gegenbesuch kam es dann nicht mehr. Bei manchen Austauschpartnern in Israel haben die Schülerinnen und Schüler in Nürtingen noch Einblicke über die Sozialen Medien. Seit Kriegsbeginn seien die allerdings manchmal etwas befremdlich, wenn zum Beispiel Bilder mit Waffen gepostet werden, wie eine der Schülerinnen berichtet.
Dennoch, viele Schülerinnen und Schüler versuchen, ihre Meinung über die israelische Regierung von der israelischen Bevölkerung zu trennen. Das sei aber nicht immer einfach. Und auch Schulleiter Wolf Hofmann hofft trotz des Krieges, dass Austausche in Zukunft wieder möglich sind. Vielleicht könne man sich auch in einem anderen Land treffen. Der Metzinger Gotthold Müller will unbedingt noch einmal nach Israel reisen. Für ihn war der Aufenthalt vor über 60 Jahren prägend. Nicht zuletzt aufgrund der dort geschlossenen Freundschaften ist das Land für ihn eine zweite Heimat.