Eine Lehrerin schreibt eine Mathematikaufgabe auf eine digitale Schultafel. Kretschmann sieht Lehrkräfte in der Pflicht, sich fortzubilden.

Baden-Württemberg Kretschmann pocht auf besseren Mathe-Unterricht an BW-Schulen

Stand: 18.02.2025 16:39 Uhr

Das schwache Abschneiden der 9- bis 10-Jährigen beim Leistungstest Mathe hat Eltern und Politik schockiert. Kretschmann will nun bei Lehrkräften ansetzen - und erntet Gegenwind.

Nach den miserablen Mathe-Ergebnissen der Viertklässler im Leistungstest hat BW-Ministerpräsident Winfried Kretschmann eine Offensive für Mathematik an den Schulen angekündigt. Der Grünen-Politiker sieht vor allem die Lehrkräfte in der Pflicht, sich fortzubilden, um besseren Unterricht anbieten zu können. "Jedenfalls bedarf die Didaktik des Mathe-Unterrichts offensichtlich eines Updates", sagte Kretschmann am Dienstag in Stuttgart. Er habe Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) beauftragt, sich des Themas anzunehmen. "Da muss man was machen."

Kretschmann: Wer eine Flasche in Mathe ist, gibt das auch noch zu

Kretschmann hält aber auch einen gesellschaftlichen Mentalitätswechsel in Bezug auf Mathe für nötig. "Es war eine große Tradition im deutschen Bildungsbürgertum: Wenn man in Mathe eine Flasche war, hat man das freimütig zugegeben. Dann hat auch niemand die Nase gerümpft, nur in Deutsch musste man gut sein." In anderen Ländern sei es dagegen undenkbar, so flapsig über die eigene Mathe-Schwäche zu reden. Da habe Mathematik einen deutlich höheren Stellenwert. In Deutschland habe das "sehr lange Schatten und Linien".

Lehrerverbände halten Kretschmanns Ansage für Schnellschuss

Von den Lehrerverbänden gab es prompt Gegenwind. Kretschmanns Aussage über die Qualität des Mathe-Unterrichts sei "erstaunlich", sagte Martina Scherer, Landesvorsitzende des Philologenverbands BW. Die Ausbildung der Lehreramts-Referendare sei sehr modern. "Da weiß ich nicht, ob Herr Kretschmann so genau Bescheid weiß, was an Seminaren geleistet wird", sagte Scherer dem SWR.

Gerhard Brand vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) räumte ein, dass es Nachholbedarf in Mathematik gebe. Nach der Corona-Zeit hätten die Schülerinnen und Schüler die größten Lücken in Mathematik gehabt. "Aber die Kolleginnen und Kollegen wissen sehr gut, wie man Mathe unterrichtet", sagte Brand dem SWR. "Die haben es nötig, sich von jemanden, der vor Urzeiten Biologie unterrichtet hat, als das Maggi-Ei noch Avantgarde war, sich sagen lassen zu müssen, wie man Mathe-Unterricht zu gestalten hat."

Seit die Leistungstests im November reihenweise Viertklässler überfordert haben, vor allem in Mathe, sind viele Kinder und Eltern in BW verunsichert. Nur ein Bruchteil der 9- bis 10-Jährigen schaffte damals Gymnasialniveau, was zu massiver Kritik an den sogenannten Kompass- 4-Tests führte – zu lang, zu schwer, zu viele Textaufgaben. Es seien nicht selten Tränen geflossen, berichten Lehrkräfte. Viele Eltern machten sich Sorgen, dass ihr Kind nun eine schlechtere Grundschulempfehlung bekommen würde.

Kretschmann sagte, er gehe davon aus, dass der Test zu schwer gewesen sei, aber das allgemeine Mathe-Niveau der Kinder auch zu schlecht. "Es wird beides stimmen."

Nochmal landesweit einheitliche Prüfungen in Gymnasien

Am Dienstagmorgen hatten die Kinder, die gerne aufs Gymnasium wechseln wollen, aber keine Empfehlung dafür haben, noch die Möglichkeit, einen Potenzialtest zu schreiben. Landesweit wurden die Kinder schriftlich geprüft, 14 Minuten Logiktest, vor allem mit grafischen  Elementen, 20 Minuten Deutsch und 20 Minuten Mathe. Wie viele der etwa 100.000 Viertklässler diese Gelegenheit genutzt haben, weiß das zuständige Kultusministerium erst in einigen Tagen. Gerechnet wird mit wenigen Tausend.

Schlechter Start für neue Grundschulempfehlung

Die schwachen Ergebnisse beim Grundschultest im November waren ein denkbar schlechter Start für die neue, verbindlichere Grundschulempfehlung. Diese hatte die grün-schwarze Landesregierung eingeführt, um die Übergangszahlen von der Grundschule auf das neunjährige Gymnasium (G9) im Griff behalten zu können. G9 wird vom nächsten Schuljahr an flächendeckend und stufenweise wieder eingeführt.

Grüne und CDU hatten sich darauf geeinigt, dass an der Grundschule die Regel 2 aus 3 gelten soll. Das heißt, es gibt einmal eine Empfehlung der Klassenkonferenz. Dazu kommt Kompass 4. Wenn diese beiden ergeben, dass es nicht für das Gymnasium reicht, müssen die Eltern das Votum nicht akzeptieren. Wollen sie ihr Kind trotzdem auf das Gymnasium schicken, muss es einen verbindlichen Potenzialtest am Gymnasium absolvieren. Kritiker der verbindlicheren Grundschulempfehlung wie die SPD oder die Bildungs-Gewerkschaft GEW sprechen wegen der Prüfungen von "Grundschul-Abitur". 

Alles Wissenswerte zur neuen Grundschulempfehlung: 

Sendung am Di., 18.2.2025 15:30 Uhr, SWR1 BW Nachrichten

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