
Baden-Württemberg Kürzungen beim Jobcenter Stuttgart: Weniger Geld für Ein-Euro-Jobs
Das Stuttgarter Jobcenter hat weniger Geld für Maßnahmen. Das trifft Menschen, die in sozialen Einrichtungen arbeiten. Teilweise sollen nun Geflüchtete die Lücken kompensieren.
Weil die Finanzierung durch das Jobcenter Stuttgart 2025 massiv gekürzt wird, fallen viele sogenannte Arbeitsgelegenheiten, umgangssprachlich Ein-Euro-Jobs genannt, in Sozialeinrichtungen weg. Um den Ausfall der gestrichenen Stellen abzufedern, sollen mehr Geflüchtete diese Tätigkeiten übernehmen. Das sorgt für Spannungen.
Durch Ein-Euro-Jobs neuen Mut finden
Punkt zwölf Uhr öffnen die Türen des Sozialkaufhauses FAIRKAUF in Stuttgart-Feuerbach. Jeffrey Muse steht auf der Ladenfläche und begrüßt alle Kundinnen und Kunden persönlich. Die Menschen freuen sich ihn zu sehen. Viele der Menschen haben nicht viel Geld zur Verfügung. "Mir geht es deshalb darum jedem ein gutes Gefühl zu geben und zu zeigen: 'Du bist wichtig, du gehörst dazu'", sagt der 60-Jährige.

Jeffrey Muse ist der Leiter des Sozialkaufhauses "FAIRKAUF" der Caritas in Stuttgart-Feuerbach. Die Kürzungen beim Jobcenter für sogenannte Arbeitsgelegenheiten sorgen für Spannungen in seinem Laden.
Das gleiche gelte auch für die Menschen, die im FAIRKAUF in Ein-Euro-Jobs arbeiten. Im übertragenen Sinn sei das wie mit den gebrauchten Möbeln, die im Kaufhaus verkauft werden. "Nur weil jemand ein paar Macken, Kratzer oder eine Geschichte hat, heißt das nicht, dass die Person keinen Wert mehr hat. Jeder ist wertvoll!", betont der ehemalige US-Soldat. Im Sozialkaufhaus will Jeffrey Muse den Menschen in den Ein-Euro-Jobs Mut machen, ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen.
Jobcenter Stuttgart muss viele Ein-Euro-Jobs streichen
Ein-Euro-Jobs - oder Arbeitsgelegenheiten - sind Maßnahmen des Jobcenters, um Menschen wieder in den ersten Arbeitsmarkt einzugliedern. Sie richten sich dabei an ganz verschiedene Menschen in Notlagen: Im FAIRKAUF arbeiten laut Jeffrey Muse beispielsweise langzeitarbeitslose Menschen, Personen mit Suchterkrankungen sowie mit physischen und psychischen Problemen. Doch genau diese Ein-Euro-Jobs wurden für 2025 durch die Bundesregierung massiv gekürzt. Dadurch kann das Jobcenter der Stadt nicht mehr so viele Ein-Euro-Jobs anbieten wie noch vergangenes Jahr.
2024 gab es laut Stadt noch 309 Plätze für Ein-Euro-Jobs. Dieses Jahr werden es nur noch 90 sein. Laut Stadt hat das Jobcenter Stuttgart für 2025 ein Gesamtbudget von 71,2 Millionen Euro. Davon können durch laufende Kosten jedoch nur 5,4 Millionen Euro frei für Leistungen zur Eingliederung in Arbeit eingesetzt werden. Hinzu kommen bis zu 1,2 Millionen Euro aus der städtischen Kasse, die der Gemeinderat für die Absicherung von Sozialkaufhäusern und Tafelläden verplant hat.
FAIRKAUF-Leiter zu Kürzungen: Menschen verlieren Hoffnung
Auch der FAIRKAUF ist von den Kürzungen betroffen: 2024 standen laut Jeffrey Muse noch 35 Ein-Euro-Jobs zur Verfügung. 2025 sind es rund halb so viele. "Wir mussten deswegen überprüfen: 'Wer ist zuverlässig, wer passt ins Team, wer macht keinen Ärger?'"
Die meisten Menschen in den Ein-Euro-Jobs hätten Probleme, eigenständig auf die Beine zu kommen. Die Kürzungen hält Jeffrey Muse darum für das falsche Signal. Man würde diesen Menschen eine weitere Hoffnung nehmen. Stattdessen brauche man Programme, die die Menschen unterstützen. "Ansonsten schiebt man sie einfach in eine Schublade", so Muse.
Ähnlich sieht das auch Claudia Juncke. Sie arbeitet seit zwei Jahren im FAIRKAUF als Ein-Euro-Jobberin. Davor hatte Claudia Juncke während der Corona-Pandemie ihren Job in einem Tierfutter-Geschäft verloren. Auch sie findet es falsch, dass die Mittel für Ein-Euro-Jobs gekürzt werden.
Sozialeinrichtungen sollen Geflüchtete einsetzen
Um die fehlende Finanzierung des Jobcenters in Teilen abzufedern, sollen laut Stadt künftig vor allem mehr geflüchtete Menschen in Ein-Euro-Jobs befördert werden. Von den insgesamt 219 wegfallenden Plätzen sollen 70 solcher Arbeitsgelegenheiten über das Asylbewerberleistungsgesetz finanziert werden.
Dadurch kommt es in den Einrichtungen zu der Situation, dass Ein-Euro-Jobber ihre Maßnahme verlieren könnten und an anderer Stelle ein Geflüchteter in die Maßnahme komme. Auch im FAIRKAUF soll das der Fall sein. Laut Jeffrey Muse sorgt das in Teilen für Frust bei den Menschen. Diese würden denken, dass Geflüchtete ihnen die Arbeit wegnehmen würden. Dem sei aber nicht so, denn die Kürzungen sind politische Entscheidungen.
"Alle Menschen haben eine Chance verdient, egal woher sie kommen. Es ist aber immer einfacher, Schwächeren die Schuld zu geben", so Muse. Ein-Euro-Jobberinnen und -Jobber erhalten bei der Caritas 1,50 Euro pro Stunde. Laut Gesetz kriegen Geflüchtete pro Arbeitsstunde eine Aufwandsentschädigung von 80 Cent.
BW-Flüchtlingsrat fordert besseren Arbeitsmarkt-Zugang für Geflüchtete
Auch Claudia Juncke findet diese Schuldzuweisungen nicht in Ordnung. Sie selbst arbeitet mit einer Ukrainerin zusammen, die einen Ein-Euro-Job macht. Sie verstehe zwar den Frust, wenn man seinen Ein-Euro-Job verliert. Aber die Schuld bei Geflüchteten zu suchen, findet sie falsch, denn das befördere nur mehr Ausgrenzung und Rassismus.
Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg warnt davor, Geflüchteten die Schuld für weniger Ein-Euro-Jobs zu gegeben. Zudem betont der Verein, dass viele Geflüchtete nach wie vor keine reguläre Arbeit aufnehmen dürften.
Häufig würde man außerdem unterstellen, dass Flüchtlinge nicht arbeiten wollten und zur Arbeit gezwungen werden müssten. Laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) haben jedoch 64 Prozent der Geflüchteten, die 2015 nach Deutschland kamen, einen Arbeitsplatz. Bei geflüchteten Männern liegt die Erwerbstätigenquote laut Studie mit 86 Prozent sogar höher als in der durchschnittlichen männlichen Bevölkerung (81 Prozent). Um ihre Chancen weiter zu erhöhen, fordert der Flüchtlingsrat darum, dass der Zugang für Geflüchtete zum Arbeitsmarkt weiter verbessert werden muss.
Sendung am Di., 14.1.2025 6:00 Uhr, SWR4 BW am Morgen, SWR4 Baden-Württemberg