Eltern und zwei Töchter stehen vor dem Haus in dem sie wohnen.

Baden-Württemberg Mittelschicht am Limit: Familie fordert bezahlbare Mieten und Lebensmittel

Stand: 17.02.2025 05:14 Uhr

Alles ist teurer geworden: Mieten, Benzin und Lebensmittel. Vor allem Familien leiden unter der Inflation. Das Problem ist vor der Bundestagswahl in der Mittelschicht angekommen.

"Die neue Bundesregierung muss dafür sorgen, dass es jungen Familien entweder möglich ist, Eigentum zu kaufen, oder dass die Mietpreise runtergehen. Sodass jeder eine Chance hat, eine Wohnung günstig zu mieten." Das fordert Laura Fetzer aus Stuttgart-Plieningen. Mit ihrem Mann Tim und den Töchtern Juna und Mathilda lebt sie in einer dreieinhalb-Zimmer-Wohnung, die knapp 100 Quadratmeter groß ist. Mit Nebenkosten zahlt die Familie dafür an die 1.500 Euro Miete. Dafür haben die Fetzers drei Jahre lang gesucht. Alle anderen Wohnungen waren noch teurer.

Mietpreise in Baden-Württemberg
Die Mieten sind in den vergangenen Jahren in Baden-Württemberg stetig gestiegen. Laut dem Statistischen Landesamt erhöhte sich die Nettokaltmiete (ohne Nebenkosten) im Jahr 2024 durchschnittlich um 2,1 Prozent. 2023 lag der Anstieg bei 3,8 Prozent. Die Zahlen finden Sie hier im aktuellen Mietpreisindex des Statistischen Landesamtes. Das Immobilienportal "ImmobilienScout24" bietet außerdem einen Mietspiegel für Baden-Württemberg an. Demnach beträgt der durchschnittliche Mietpreis in Baden-Württemberg (Zahlen vom Januar 2025) 10,37 Euro pro Quadratmeter - Anfang 2023 lag der Durchschnitt noch unter zehn Euro pro Quadratmeter. Bundesweit liegt der Mietpreis laut "ImmobilienScout24" niedriger - im Schnitt bei 8,68 Euro pro Quadratmeter. In der Landeshauptstadt Stuttgart beläuft sich der Mietpreis im Januar 2025 zum Beispiel im Schnitt auf 14,49 Euro, in Karlsruhe auf 11,96 Euro und in Mannheim auf 10,84 Euro. 2015 ist in Deutschland die Mietpreisbremse eingeführt worden. In Baden-Württemberg gilt sie in 89 Städten und Gemeinden, zum Beispiel in Stuttgart, Mannheim und Karlsruhe. Die Mietpreisbremse soll in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt greifen. Wird dort eine Bestandswohnung neu vermietet, darf die Miete höchstens zehn Prozent höher liegen als die ortsübliche Vergleichsmiete. In Baden-Württemberg läuft die Mietpreisbremse noch bis Ende des Jahres. Über das Jahr 2025 hinaus kann die Landesregierung das Gesetz nur verlängern, wenn der Bund dafür die Rahmenbedingungen schafft. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf hatte die Ampel-Regierung nicht mehr durch den Bundestag gebracht.

Eigenes Haus trotz Doppeleinkommen für Familie unbezahlbar

Das Geld für die Miete würden Laura und Tim lieber in ein Eigenheim stecken. Als Altersvorsorge und Sicherheit für die beiden Töchter. Beide Eltern arbeiten und ihr Einkommen liegt über dem Durchschnitt für eine vierköpfige Familie. Trotzdem reicht das Geld nicht, um eine Wohnung oder ein Haus zu kaufen. Das war für frühere Generationen noch einfacher, sagt Laura. Die Agrarwissenschaftlerin arbeitet 70 Prozent, ihr Mann 100. Wahrscheinlich wäre eine Immobilie auf dem Land etwas günstiger als in Stuttgart, aber die Familie ist im Stadtteil Plieningen verwurzelt. Die neunjährige Mathilda und die fünfjährige Juna haben viele Freunde hier, es ist nah zu Kindergarten, Schule und Arbeit.

800 Euro mehr für Gas - Nebenkosten treiben Miete in die Höhe

Als Mieter hat die Familie wenig Einfluss auf die Nebenkosten. Die aber machten das Leben sehr viel teurer, vor allem seit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Über 800 Euro mussten die Fetzers für Gas nachzahlen. Der Agrarökonom Tim geht davon aus, dass fossile Brennstoffe wie Gas und Öl in den kommenden Jahren noch teurer werden. Deshalb solle die nächste Regierung weiter auf den Ausbau von erneuerbaren Energien setzen. Aber Förderprogramme dürfe es nicht mehr nur für Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer geben.

Der Umstieg auf erneuerbare Energien sollte sozialverträglich gestaltet werden. Auch Mieter müssen unterstützt werden. Tim Fetzer, Familienvater aus Stuttgart

Der Verbraucherpreisindex gibt monatlich die durchschnittliche Preisentwicklung von Waren und Dienstleistungen an, die private Haushalte für Konsumzwecke kaufen:

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Inflation trifft Mittelschicht: Hohe Preise für Brot und Gemüse

Bei jedem Einkauf spürt die Familie, dass Lebensmittel teurer geworden sind. Ob Butter, Brot, Kartoffeln oder Käse, ob bio oder nicht. Der Preis auf dem Kassenbon sei einfach höher als früher, sagt Tim, der meistens den Familieneinkauf macht. Besonders gespürt habe er es beim Bäcker. Statt in der Mittagspause ein belegtes Brötchen zu holen, bringe er sich jetzt meistens Essen von zu Hause mit.

Lesermeinungen zu steigenden Preisen, Altersarmut und Wunsch nach Eigentum
Wir haben die Nutzerinnen und Nutzer von SWR Aktuell BW gefragt, was sie vor der Bundestagswahl bewegt. Hunderte Nachrichten haben uns erreicht - auch zum Thema Geld. In dieser Hinsicht fragt sich zum Beispiel Andreas Böhrer aus Lauda-Königshofen (Main-Tauber-Kreis): "Wie erklären Sie einem Facharbeiter, der mit der Inflation kämpft, nun eine erhöhte Grundsteuer zahlt, mehr Krankenversicherungsbeiträge zu leisten hat und alle Kosten wie Klassenfahrten und Betreuung der Kinder selbst trägt, dass er am Ende des Monats weniger Mittel zur Verfügung hat wie ein Bürgergeldempfänger?" Altersarmut und Rente Thomas Teichert aus Berglen (Rems-Murr-Kreis) geht es um die Altersarmut. Er fragt sich, "warum die Rentner, die ihr ganzes Leben gearbeitet haben, so stiefmütterlich behandelt werden". Teichert nimmt wahr, dass "die Preise im Einzelhandel, an den Tankstellen, Versicherungen" stetig steigen - im Gegensatz zu seiner Rente. Seine Krankenversicherung habe sich um 100 Euro monatlich erhöht, die Kfz-Versicherung um 150 Euro pro Jahr. "Der Butterpreis, Speiseöl usw. haben sich in den letzten zwei Jahren verdoppelt, meine Rente leider nicht", so Teichert. Er schlägt der künftigen Regierung vor, die Rentenbesteuerung dringend abzuschaffen. Kein Haus trotz gutem Gehalt Dass Geld die Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger ganz unterschiedlich beschäftigen kann, zeigt das Beispiel des Ehepaars Thewes aus Marbach am Neckar (Kreis Ludwigsburg). Sie sind von Beruf Lehrerin und Ingenieur und bezeichnen sich als "Topverdiener". Das Paar lebt aktuell in einer 60 Quadratmeter großen Wohnung. Thilman Thewes schreibt: "An sich geht es uns gut, was aber echt traurig und ernüchternd ist, ist die Tatsache, dass wir mit unseren Top-Gehältern nicht an ein Haus rankommen. Bauplätze kosten hier in der Nähe gut über 400.000 Euro, Häuser mal mindestens 650.000 bis 800.000 Euro. Das würde einer monatlichen Belastung von über 3.000 Euro entsprechen. Wenn meine Frau schwanger wird, ist das weit weg von einer gesunden Finanzierung." An Förderungen kämen sie nicht ran, da sie dafür zu viel verdienen, nehmen aber im Freundeskreis wahr, dass der Traum vom Haus nur durch hohe Zuschüsse der Eltern möglich wird. Teichert fragt sich, wie es "den ganz normalen fleißigen Leuten" gehen muss, wenn er und seine Frau sich schon kein Haus leisten können. Energiekosten senken und "Germany first" Joel Assmies aus Sasbach am Kaiserstuhl (Kreis Emmendingen) wünscht sich "von einer neuen Regierung Steuersenkungen, Energiekostensenkungen" sowie auch "eine Art 'Germany first'-Investition, anstatt alles erstmal ins Ausland oder in die EU zu pumpen". "Es wird alles immer teurer weil die Löhne steigen. Das Problem bei der Sache ist, mehr Lohn, mehr Steuern zahlen. Im Endeffekt bekommt man nicht viel mehr Lohn", schrieb uns die examinierte Altenpflegerin Annette Enders aus Rheinau-Memprechtshofen. "Was mich aber am meisten stört ist, dass Personen die gearbeitet und Kinder auf die Welt gesetzt haben, bei der Rente noch Steuern zahlen müssen. Bei meiner Mutter wurde die Rente erhöht und nun sind es 50 Euro zuviel und sie muss jetzt noch mehr Steuern zahlen. Sie hat fast 50 Jahren gearbeitet als Krankenschwester beziehungsweise als Dauernachtwache. Durch die körperliche Arbeit hat sie zusätzlich noch körperliche Probleme bekommen." Autorin: Samantha Ngako

Familie spart bei Elektronik und Urlaub

Weil sie sich viele Gedanken um die Zukunft ihrer Kinder machen, haben die Fetzers entschieden, beim Essen nicht an der Qualität zu sparen. Denn wie Obst, Gemüse oder Fleisch produziert werde, habe große Auswirkungen auf Umwelt und Klima. Dafür sparen sie bei anderen Dingen Geld. Kleider erben sie oft gebraucht. Eine Playstation gibt es nicht, Urlaub nur selten und wenn dann in Deutschland. Statt ins Restaurant zu gehen, kochen die Eltern selbst.

Uns ist es super wichtig, hochwertige Lebensmittel kaufen zu können. Und deswegen sparen wir in anderen Lebensbereichen. Laura Fetzer, Mutter aus Stuttgart-Plieningen
Eltern und zwei Töchter am Esstisch mit vollen Tellern.

Familie Fetzer beim Abendessen. Gute Lebensmittel sind ihnen wichtig.

Forderung vor Bundestagswahl: Mehrwertsteuer auf Öko-Lebensmittel runter

Die nächste Bundesregierung solle dafür sorgen, dass Familien hochwertige Lebensmittel kaufen können, fordern Laura und Tim. Zum Beispiel, indem sie die Mehrwertsteuer auf Öko-Lebensmittel von sieben auf null Prozent absenke. Oder generell für Obst und Gemüse. Das hätte mehrere Effekte. Die Preise in den Läden würden sinken, Bauern aus der Region würden profitieren, Tierwohl und Klimaschutz würden in den Vordergrund rücken.

Politik für kommende Generationen

Laura und Tim Fetzer wünschen sich von der Politik, dass sie an die künftigen Generationen denkt. Familien brauchten bezahlbaren Wohnraum, damit die Kinder gut aufwachsen können. Eltern sollten gute Lebensmittel für ihre Kinder kaufen können und bei allem dürfe der Blick auf die Umwelt und das Klima nicht zu kurz kommen. Denn das sei wichtig für die Zukunft ihrer Töchter, Juna und Mathilda.

"Zugehört" - Unsere Serie zur Bundestagswahl in Baden-Württemberg
Am 23. Februar ist Bundestagswahl. Die Parteien und ihre Spitzenkandidaten und -kandidatinnen werben um die Wähler-Gunst und versuchen mit ihren Themen zu punkten. Doch was bewegt die Bürgerinnen und Bürger? Wir haben den Menschen in Baden-Württemberg "zugehört". Weitere Artikel werden in den kommenden Tagen veröffentlicht.

Sendung am Mo., 17.2.2025 19:30 Uhr, SWR Aktuell Baden-Württemberg, SWR BW

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