
Baden-Württemberg Rheinland-Pfalz Mordprozess: Attentäter von Mannheim legt Geständnis ab
Im Prozess gegen den Attentäter von Mannheim hat dieser am Dienstag mehrere Stunden lang über die Tat und seine Beweggründe ausgesagt. Der Angeklagte zeigte Anzeichen von Reue.
Vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart-Stammheim hat der Angeklagte die tödliche Messerattacke auf den Mannheimer Polizisten Rouven Laur gestanden. Über Stunden ging der Angeklagte am Dienstag ausführlich auf die Fragen des Vorsitzenden Richters ein. Das Strafverfahren gegen Sulaiman A. läuft seit Mitte Februar. Er ist wegen Mordes und fünffach versuchten Mordes angeklagt.
Sulaiman A. hatte konkreten Plan, zu töten
Der Angeklagte gab zu, mit dem konkreten Plan nach Mannheim gefahren zu sein, dort den Islamkritiker Michael Stürzenberger töten zu wollen. Im Gepäck hatte er zwei Messer und eine Zwille sowie Munition dafür. Laut Gericht bestellte er das eine Messer mit einer Klingenlänge von 18 Zentimetern rund drei Wochen vor der Tat auf einer Online-Plattform. Nach der Tat wurden bei ihm ein weiteres Messer und die Zwille gefunden.
In der Befragung durch den Vorsitzenden Richter ging es am Vormittag vor allem darum, Näheres zu den Hintergründen einer möglichen Radikalisierung des Angeklagten herauszufinden.
Attentäter von Mannheim sagt zu Motiv aus
Direkt zu Beginn der Verhandlung sagte der Angeklagte, er werde sagen, warum er diese "schreckliche Tat" begangen habe. Mit Beginn des Gaza-Krieges habe sich etwas in ihm verändert, so Sulaiman A. vor Gericht. Im Messenger-Dienst Telegram habe er leidende und getötete muslimische Frauen und Kinder gesehen. Das habe ihn tief bewegt. Er habe "jeden Tag mit geweint".
Täter habe keine Mitwisser gehabt
Sulaiman A. hat nach eigenen Angaben mit niemandem über seine konkreten Tatpläne gesprochen. Keiner habe das gewusst, sagte Sulaiman A. vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart-Stammheim.
Vor der Tat habe er sich aber von einem Chat-Partner im Messenger-Dienst Telegram, den er einen "Gelehrten" nennt, die Erlaubnis geholt, Ungläubige zu töten. Diesen Telegram-Chat bestätigte er am Dienstag gegenüber dem Richter. Er zeigte sich fasziniert von der Stimme und der "geflissenen" Sprache eines bislang unbekannten Mannes, den er auch "O.R." nennt. Er verortete diesen in Afghanistan oder Pakistan, überwies ihm sogar Geld. Er sei nach den Gesprächen entschlossen gewesen, den Islamkritiker Michael Stürzenberger in Mannheim bei der Info-Veranstaltung der Bürgerbewegung Pax Europa (BPE) umzubringen, sagte Sulaiman A. weiter.
Telegram-Chats haben zur Radikalisierung geführt
Die Telegram-Chats habe er als konkrete Anleitung zum Töten empfunden. Auf die Frage des Richters, ob er es als seine religiöse Pflicht angesehen habe, Stürzenberger zu töten, sagte der Angeklagte: "Ja, ich wollte das machen." Er sei nicht klar im Kopf gewesen, habe einfach nur töten wollen, so Sulaiman A. weiter. Es sei eine Tragödie, was er gemacht habe.
Die islamkritische Bürgerbewegung Pax Europa sei ihm 2022 zum ersten Mal in Frankfurt aufgefallen. Danach habe er den Youtube-Kanal von Stürzenberger abonniert und verfolgt. So habe sich wohl das Ziel entwickelt, Stürzenberger umzubringen.
Sulaiman A. schildert Ablauf der Tat
Stück für Stück und über Stunden schilderte Sulaiman A. am Dienstag ruhig, teilweise auch mit bebender Stimme, den Ablauf der Tat. Wie er sein Smartphone tauschte, die SIM-Karte zerbrach. Die Situation auf dem Marktplatz habe er zunächst beobachtet, das Polizeiaufgebot habe ihn dann zuerst zögern lassen. Er habe auch so etwas wie Angst verspürt.
Zunächst sei er nach dem Angriff davon ausgegangen, Michael Stürzenberger getötet zu haben. Erst dann habe er den Polizisten Rouven Laur gesehen und gedacht: "Heute muss jemand sterben." Deshalb habe er zweimal auf den Polizisten eingestochen. Der 29-Jährige starb zwei Tage später an seinen schweren Verletzungen.
Angeklagter wollte keinen "Märtyrer-Tod" sterben
Sulaiman A. sagte am Dienstag vor Gericht, dass er nach der Tat fliehen wollte. Er sei nicht davon ausgegangen, dass ihn jemand daran hindern würde. Auf mehrfache Nachfragen des Vorsitzenden Richters, ob A. einen Märtyrer-Tod habe sterben wollen sagte er, dass er nicht vor hatte, getötet zu werden. Der Richter konfrontierte den Angeklagten mit einem Online-Kommentar, der von ihm stammen soll. An die Worte "Ich hoffe, dass Gott uns zum Märtyrer macht" will sich A. auf Nachfrage entweder nicht erinnern können oder sie stammten nicht von ihm, sagte er.
In dem Video, das nach der Tat im Internet kursierte, erkenne er sich nicht, sagte Sulaiman A. vor Gericht. Stück für Stück wurden Standbilder aus dem Video gezeigt und analysiert, das als Live-Stream währen der BPE-Veranstaltung entstanden war. Er sei "eigentlich das Gegenteil von dem was man da sieht," so A.
Die Tat tue im leid, sagte der Angeklagte am Dienstagnachmittag. Er wünschte, dass das alles nur ein Traum sei und er es wiedergutmachen könne. Er habe sich über Telegram radikalisieren lassen.
Es tut mir schrecklich leid. Ich weiß nicht, wie ich es entschuldigen kann. So etwas kann man nicht vergeben. Sulaiman A. in seiner Aussage am OLG Stammheim am 25. März 2025
Philip Raillon aus der SWR-Rechtsredaktion hat den Prozesstag begleitet:
Islamkritiker und Familie Rouven Laurs im Gericht
In den Saal des Oberlandesgerichts sind am Dienstag so viele Zuschauer gekommen wie an keinem der bisherigen Verhandlungstage. Auch der Islamkritiker Michael Stürzenberger verfolgte erneut aufmerksam die Ausführungen von Sulaiman A. Obwohl es immer wieder ganz konkret um ihn als Ziel des Angriffs geht, wirkte Stürzenberger vor Gericht ruhig und gefasst. Auch die Mutter und eine Schwester von Rouven Laur waren vor Ort und haben das Ganze verfolgt, immer wieder von Emotionen überwältigt.
Die Anwältin der Familie Laur sagte nach dem Prozesstag, die Familie sei angesichts der Schilderungen des Angeklagten fassungslos. Es sei zwar gut, dass es ein Geständnis gegeben habe, aber die Emotionslosigkeit des 26-Jährigen sei für die Angehörigen kaum zu ertragen gewesen.
Sulaiman A. wird Mord und fünffach versuchter Mord vorgeworfen. Im Falle einer Verurteilung muss er mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe rechnen. Auch eine besondere Schwere der Schuld steht im Raum.
Sendung am Di., 25.3.2025 12:30 Uhr, Regionalnachrichten SWR Studio Mannheim