Ein Fußgänger läuft bei Nacht durch eine Unterführung in Mannheim

Baden-Württemberg "Mulmiges" Gefühl auf dem Heimweg: Wie sicher fühlen sich Baden-Württemberger?

Stand: 18.02.2025 20:06 Uhr

Einige Menschen teilen ihren Standort, meiden dunkle Straßen oder nehmen ein Taxi, um sich sicherer zu fühlen. Nur ein subjektives Sicherheitsgefühl? Zwei Frauen erzählen über ihren Heimweg.

"Von der nächsten Bundesregierung wünsche ich mir, dass sich jeder sicher fühlt. Unabhängig von sozialem Status, Hautfarbe oder Herkunft. Und dass jeder weiß, dass staatliche oder politische Institutionen nach ihnen auf der Straße schauen", sagt Sophie Rykal. Seit dreieinhalb Jahren wohnt sie im Mannheimer Stadtteil Jungbusch.

Früher galt das Viertel als zwielichtig und unsicher. Durch Gentrifizierung ist der multikulturell geprägte Stadtbezirk allerdings seit Jahren im Wandel. Kreative, Studentinnen und Studenten wohnen und leben hier. So wie Sophie.

Die 26-jährige Studentin fühlt sich selten unsicher, sagt "jeder kennt jeden". Und dennoch sagt sie auch: "Wenn ich nachts vorhabe in ein anderes Viertel zu fahren, dann ist es etwas anders". Sie setzt im Ernstfall auf Zivilcourage.

Studentin Sophie woht und arbeitet im Mannheimer Stadtviertel Jungbusch. Sie fühlt sich in ihrem "Viertel" meistens sicher.

Studentin Sophie wohnt und arbeitet im Jungbusch. Sie fühlt sich in ihrem "Viertel" meistens sicher.

Gefühlte Unsicherheit im öffentlichen Raum

Laut dem ARD-DeutschlandTREND vom vergangenen September fühlen sich 44 Prozent im öffentlichen Raum eher unsicher oder sogar sehr unsicher. Laut einer aktuellen Befragung im Auftrag des baden-württembergischen Innenministeriums fühlt sich fast jeder Zweite nachts unsicher. Fast die Hälfte der Befragten umgehen bestimmte Straßen, Plätze, Parks und meiden Busse und Bahnen, um sich zu schützen.

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Kriminalität in BW: Ähnliches Niveau wie vor der Pandemie
Laut Kriminalstatistik wurden 2023 insgesamt 600.000 Straftaten in Baden-Württemberg registriert. Das ist ein Anstieg von über acht Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Anstieg sei maßgeblich auf ausländerrechtliche Verstöße zurückzuführen, erklärt das Innenministerium. Dazu zählen unter anderem illegale Einwanderung und der illegale Aufenthalt. Rechnet man solche Verstöße heraus, liegen die Straftaten der Allgemeinkriminalität auf dem Niveau der Jahre 2017 bis 2019. Allerdings ist die Zahl der Fälle zum Vorjahr um fast sechs Prozent gestiegen. Knapp 44 Prozent aller Straftaten im Land ohne ausländerrechtliche Verstöße fanden im öffentlichen Raum statt. Straftaten pro Einwohner: Zweitniedrigster Wert seit 20 Jahren Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl betonte bei Bekanntwerden der Zahlen, dass Baden-Württemberg "eines der sichersten Länder" bleibe. Im Jahr 2023 seien je 100.000 Einwohner 4.592 Straftaten (ohne Ausländerrechtsverstöße wie illegale Einwanderung und illegaler Aufenthalt) registriert worden. Das sei der zweitniedrigste Wert in den vergangenen 20 Jahren, abgesehen von den pandemiegeprägten Jahren 2020 und 2021.

Sophie arbeitet neben ihrem Studium in der Gastronomie. Bei ihrem letzten Job haben sie Kollegen nachts nach Hause gefahren. Es geht ihr nicht darum, generell bestimmte Orte zu meiden - doch eine Haltestelle versucht sie zu umgehen: "Die Rheinstraße ist generell einfach immer problematisch". Viele Obdachlose, drogenabhängige und alkoholisierte Menschen sowie eine mehrgeschossige Haltestelle unter der Brücke vermitteln ein Gefühl von Unsicherheit.

Generell ist es als Frau einfach so, dass man immer irgendwie ein bisschen ein mulmiges Gefühl hat, wenn man zu dunklen Zeiten unterwegs ist. Sophie Rykal, Studentin wohnt und arbeitet im Jungbusch
An der zweigeschössigen Haltestelle Rheinstraße in Mannheim fühlen sich viele Menschen unsicher.

An der zweigeschössigen Haltestelle Rheinstraße in Mannheim fühlen sich viele Menschen unsicher.

Zwischen Waffen- und Messerverbotszonen und Polizeipräsenz in Mannheim

Mittlerweile arbeitet Sophie nicht weit von ihrer Wohnung entfernt. Maßnahmen der Politik, wie zum Beispiel die Waffen- und Messerverbotszone in der Innenstadt oder stärkere Polizeipräsenz, verbessern ihr persönliches Sicherheitsgefühl nicht. Ihre Vorgesetzte, Laura Schröder, sieht es anders: "Es fährt mittlerweile wirklich sehr oft die Polizei hier vorbei, sodass man sich viel sicherer fühlt. Das war in den vorherigen Jahren noch nicht so." In ihrem Restaurant achten sie darauf, dass abends nie jemand alleine arbeitet.

Mannheimer Sicherheitsbefragung nicht eindeutig

Laut der Sicherheitsbefragung der Stadt 2022/2023 fühlten sich Bürger und Bürgerinnen im Vergleich zu 2020 weniger sicher. Bei der Fokusbefragung Ende 2023 ermittelte man erstmals die Wahrnehmung der Waffen- und Messerverbotszone. Das Ergebnis hier: Knapp zwei Drittel der Befragten fühlten sich in der Verbotszone nie unwohl. Acht Prozent fühlten sich unsicherer als vor der Maßnahme. Kein eindeutiges Bild.

Lesermeinungen zu Sicherheitslage, Angst und Polizei
Wir haben die Nutzerinnen und Nutzer von SWR Aktuell BW gefragt, was sie vor der Bundestagswahl bewegt. Hunderte Nachrichten haben uns erreicht - auch zum Thema innere Sicherheit. Wolfram Menz aus Backnang (Rems-Murr-Kreis) ist der Meinung, dass die Sicherheitslage verbessert werden muss: "Dies gilt für die besser auszustattende, härter durchgreifende und bundesländerkoordinierte Polizeiarbeit genauso wie für die Bundeswehr und Schutz kritischer Infrastruktur." Auch Monika aus Ostfildern (Kreis Esslingen) ist die innerdeutsche Sicherheit wichtig. Sie schrieb uns, dass zwischenzeitlich "sogar Männer Angst" hätten, "alleine abends durch Stuttgart zu laufen". Vertrauen in Justiz und Polizei Auch Monika Matzke aus Remseck (Kreis Ludwigsburg) fordert "mehr Handlungsspielraum" für die Polizei. Sie wünsche sich von der Regierung, "dass sie für Vertrauen sorgt, für Vertrauen in die Justiz, für Vertrauen in die Polizei, für wiedereinkehrende Sicherheit". Die Justiz müsse schneller werden, so Matzke. "Ein gutes Miteinander setzt Gerechtigkeit für alle voraus. Das wünsch' ich mir von ganzem Herzen." Autorin: Samantha Ngako

Mannheimer Innenstadt: Zwischen Kundgebung und Einkaufsroutine

Von der nächsten Bundesregierung wünsche ich mir mehr Polizeipräsenz, dafür braucht es auch mehr Personal. Isabel B. wohnte früher am Mannheimer Marktplatz

Der Mannheimer Marktplatz ist das pulsierende Herz der Innenstadt. Fast jedes Wochenende gibt es hier Demonstrationen. Für viele Menschen ist der Marktplatz nach der tödlichen Messerattacke im vergangenen Mai ein anderer Ort. Eine Marktverkäuferin erzählt, dass aber schon seit Jahren weniger Menschen kommen.

Jahrelang hat auch Isabel B. mit ihrem Mann in der Innenstadt gelebt, wegen der zentralen Lage. Doch als Mutter störte sie sich an der Lautstärke, den Demos vor der Tür. Vor eineinhalb Jahren zog die Familie deshalb in eine ruhigere Mannheimer Gegend. Die Bedenken wurden größer, dass die Kinder dauerhaft zur Schule begleitet werden müssten. Denn immer öfter beobachtete Isabel Schlägereien: "Das sollte nicht der Schulweg für die Kinder sein", so die Mannheimer Mutter.

Der Mannheimer Marktplatz, fast menschenleer unter einem mit Regenwolken verhangenem Himmel

Der Mannheimer Marktplatz: Pulsierendes Herz der Stadt - aber auch Schauplatz von Demonstrationen und einer tödlichen Messerattacke auf den Polizisten Rouven Laur.

Eine unschöne Erfahrung hatte ich mal, als ein Mann mich am Paradeplatz bedrängt hat. Heim gelaufen bin ich nur, weil nachts keine Bahn mehr fuhr. Seitdem fühle ich mich nachts alleine unwohler. Isabel B., wohnte früher am Mannheimer Marktplatz

Sicherheit ist für die 40-jährige Ärztin subjektiv: "Eigentlich fühle ich mich sicher in der Stadt. Nachts hängt das davon ab, wie viel los ist." Sie nutzt schon immer mehr beleuchtete und größere Straßen. Nachts fühlt sie sich durch mehr Polizeipräsenz sicherer. Doch dafür müssen mehr Beamtinnen und Beamte eingesetzt werden.

In wie weit die vielen Kamerasysteme in der Stadt das Sicherheitsgefühl unterstützen, wird sich erst noch herausstellen müssen. Klar wird aber: Das Leben im Herzen von Mannheim hat sich verändert.

"Zugehört" - Unsere Serie zur Bundestagswahl in Baden-Württemberg
Am 23. Februar ist Bundestagswahl. Die Parteien und ihre Spitzenkandidaten und -kandidatinnen werben um die Wähler-Gunst und versuchen mit ihren Themen zu punkten. Doch was bewegt die Bürgerinnen und Bürger? Wir haben den Menschen in Baden-Württemberg "zugehört". Weitere Artikel werden in den kommenden Tagen veröffentlicht.

Sendung am Di., 18.2.2025 19:30 Uhr, SWR Aktuell Baden-Württemberg, SWR BW

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