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Baden-Württemberg Nach 50 Jahren Schäuble: Wer folgt ihm im Wahlkreis Offenburg nach?

Stand: 11.02.2025 11:33 Uhr

Wolfgang Schäuble war als Bundestagskandidat in Offenburg quasi unbesiegbar. Jetzt kämpfen im Wahlkreis ein recht unbekannter CDU-Mann und seine beharrliche Konkurrenz um Stimmen.

Mehr als 50 Jahre lang war er im Wahlkreis Offenburg gesetzt: Wolfgang Schäuble, der hier für die CDU ein ums andere Mal das Direktmandat bei Bundestagswahlen holte. Er galt manchem Konkurrenten als unbesiegbar - noch als über 80-Jähriger.

Nach Schäubles Tod im Dezember 2023 sieht der Wahlkreis Offenburg jetzt einer Wahl unter geänderten Vorzeichen entgegen: Ein eher unbekannter Rechtsanwalt will für die CDU in die Fußstapfen des prominenten Politikers treten: Johannes Rothenberger.

Infostand in der Offenburger Innenstadt, Termine mit Badischen Landwirten oder der Seniorenunion: Für den neuen Kandidaten der CDU im Wahlkreis Offenburg, Johannes Rothenberger, ist das gerade Tagesgeschäft.

Infostand in der Offenburger Innenstadt, Termine mit Badischen Landwirten oder der Seniorenunion: Für den neuen Kandidaten der CDU im Wahlkreis Offenburg, Johannes Rothenberger, ist das gerade Tagesgeschäft.

Man sollte meinen, dass sich der CDU-Bewerber sicher fühlen darf im Wahlkreis 284. Doch er selbst will davon nichts wissen: "Also, Sie interpretieren das so, dass der Wahlkreis sicher wäre. Ich empfinde das gar nicht so. Ich habe aber schon den Anspruch, den Wahlkreis zu gewinnen."

Rothenberger (CDU): "Stimmung ist sehr aufgewühlt"

Johannes Rothenberger ist nicht durch einen Platz auf der CDU-Landesliste abgesichert. Das heißt, in den Bundestag kommt er nur, wenn er bei den Erststimmen den Wahlkreis gewinnt und das deutlich genug. Denn: Durch die Wahlrechtsreform ziehen nicht mehr alle, die einen Wahlkreis gewinnen, automatisch in den Bundestag ein.

CDU-Ergebnis 2021 schwächer
Bei der Bundestagswahl 2021 hatte die CDU im Wahlkreis Offenburg deutlich an Stimmen eingebüßt: Mit 34,9 Prozent der Erststimmen betrug die Differenz zur vorangegangenen Wahl (2017) - 13,2 Prozentpunkte. Bei der Zweitstimme erreichte die Partei 25,9 Prozent und dami 11,2 Prozentpunkte weniger als 2017.

Der 44-jährige CDU-Mann Rothenberger schraubt die Erwartungen also lieber nicht ganz so hoch - auch angesichts der aktuellen Turbulenzen rund um seine Partei.

"Man merkt, dass die Stimmung sehr aufgewühlt ist. Die Aussage von Friedrich Merz aus dem November, dass man eben keine Anträge einbringt, die die Unterstützung der AfD brauchen, das ist bei den Menschen ein Thema." Es sei ein Fehler gewesen, so sagt Rothenberger, unter diesen Bedingungen den umstrittenen Antrag zur Migrationspolitik zu stellen.

Amui-Vedel (Grüne): "Müssen Kompromisse suchen"

Fehler oder nicht? Angriffsfläche für die Konkurrenz liefert die Sache allemal. Zum Beispiel für Ann-Magret Amui-Vedel, die an einem Markttag in Offenburg in Sichtweite vom CDU-Infostand für die Partei Bündnis 90/Die Grünen um Stimmen wirbt.

Die Kandidatin von Bündnis 90/Die Grünen, Ann-Margret Amui-Vedel, kommt gebürtig aus Nordrhein-Westfalen. In der Ortenau lebt sie seit zehn Jahren.

Die Kandidatin von Bündnis 90/Die Grünen, Ann-Margret Amui-Vedel, kommt gebürtig aus Nordrhein-Westfalen. In der Ortenau lebt sie seit zehn Jahren.

Wenige Tage nach dem umstrittenen Antrag der CDU in der Migrationspolitik, sagt sie: "Ich denke, dass wir demokratischen Parteien zusammenhalten müssen." Es gehe darum, gemeinsam, respektvoll miteinander zu arbeiten, so die Grünen-Politikerin. "Ich glaube an ein System mit Koalitionen. Ich denke, dass wir zusammen Kompromisse suchen müssen und dass sich damit auch am besten die große Masse widerspiegelt."

Amui-Vedel (Grüne): "Werden das Beste rausholen"

Neben dem sozialen Zusammenhalt will sich Amui-Vedel besonders für soziale Gerechtigkeit und nachhaltige Stadtentwicklung einsetzen. Ob sie damit aber Stimmen der CDU-Klientel im Ortenaukreis abgreifen kann?

"Es wäre illusorisch zu behaupten, wir holen den Wahlsieg, wir holen das Direktmandat. Aber wir werden das Beste rausholen."

Es gibt immer kleine Wunder oder Überraschung. Ann-Margret Amui-Vedel, Wahlkreiskandidatin von Bündnis 90/Die Grünen

Ann-Margret Amui-Vedel lebt in Kehl und arbeitet als Umweltbeauftragte der Stadt. Sie steht auf Platz 18 der Grünen-Landesliste. Klappt es nicht mit dem Direktmandat, kann sie noch auf ein gutes Ergebnis ihrer Partei hoffen, um über den Listenplatz in den Bundestag zu kommen. Bei der Bundestagswahl 2021 hatte ihre Partei im Wahlkreis Offenburg 14 Prozent der Erststimmen und 14,9 Prozent der Zweitstimmen bekommen.

Flacke (SPD): "Kostensteigerungen sind wichtigstes Thema"

Die SPD schickt im Wahlkreis 284 einen Lokführer und aktiven Gewerkschafter ins Rennen. Dirk Flacke kämpft an einem Samstag in der Innenstadt erst am Infostand um Wählerinnen und Wähler und dann bei einer Demo für Demokratie, Vielfalt und Toleranz.

In seinen Gesprächen mit Passantinnen und Passanten gehe es viel um die Schere zwischen Arm und Reich, sagt Flacke. Das sei ein bestimmendes Thema. "Dann sind da die gestiegenen Lebenshaltungs- und Energiekosten, die die Menschen ansprechen. Das Problem mit dem Wohnraum und dann teilweise auch die Pflege der Angehörigen."

Dirk Flacke kandidiert für die SPD.

Dirk Flacke kandidiert in Offenburg für die SPD. Der Gewerkschafter sucht in der Innenstadt das Gespräch mit den Menschen.

Was ist mit dem mutmaßlich alles beherrschenden Thema Migration?
"Ich muss sagen, dass das nicht so stark vertreten ist, wie ich gedacht hätte. Also da sind die Kostensteigerungen doch sehr viel wichtiger für die Menschen. Und das Gefühl, von der Politik nicht wahrgenommen zu werden."

Flacke (SPD): "Bringe Expertise als Gewerkschafter ein"

Mit Listenplatz 34 steht Flacke weit unten auf der SPD-Landesliste. Ein Einzug in den Bundestag wäre wohl nur über das Direktmandat möglich. Flackes Vorgänger Matthias Katsch war das 2021 nicht gelungen - obwohl er als Mitbegründer der Initiative "Eckiger Tisch" bundesweit bekannt war. Seine Partei erhielt im Wahlkreis Offenburg 21,3 Prozent der Zweitstimmen, Katsch bekam 18,7 Prozent der Erststimmen. An Wolfgang Schäuble kam er damit nicht vorbei.

Für Flacke ist die Ausgangslage nun eine andere: "Johannes Rothenberger ist, genau wie ich, ganz neu dabei. Wir müssen uns jetzt beide beweisen", sagt er. Die Menschen müssten sich für eine Person, für ein Angebot entscheiden. "Das Angebot von meiner Seite ist, dass ich meine ganze Expertise als Gewerkschafter und als Betriebsrat mit reinbringe."

Gassner-Herz (FDP) hofft auf Einzug der Liberalen

Eine Zitterpartie dürfte die Wahl schließlich für alle Kandidierenden im Wahlkreis 284 werden - auch für den FDP-Kandidaten Martin Gassner-Herz. Er lebt in Schutterwald und sitzt seit 2021 als Abgeordneter für die Ortenau im Bundestag. Der 39-Jährige nennt Chancengleichheit für Kinder als eines seiner Hauptanliegen.

Bei der Bundestagswahl 2021 bekam er 10,8 Prozent der Erststimmen. Seine Partei landete bei den Zweitstimmen auf Platz 4, hinter CDU, SPD und Grünen. Gassner-Herz kam über die Landesliste ins Parlament. Dieses Mal ist nun fraglich, ob seine Partei im nächsten Bundestag überhaupt noch vertreten sein wird. Bei der Sonntagsfrage im jüngsten ARD-Deutschlandtrend kam die FDP auf 4 Prozent.

Gassner-Herz meint trotztdem: "Wenn ich mit den Menschen hier im Wahlkreis spreche, sehe ich sehr gute Chancen für uns. Wir werden gebraucht. Wir haben die richtigen Antworten".

Maygutiak (AfD) ohne Platz auf der Landesliste

Ohne einen Platz auf der Landesliste tritt im Wahlkreis Offenburg zudem der Offenburger AfD-Stadtrat Taras Maygutiak an. Maygutiak wurde im vergangenen Jahr vom Amtsgericht Offenburg zu einer dreimonatigen Bewährungsstrafe verurteilt, weil er verbotene NS-Symbole im Internet veröffentlicht hatte. Gegen das Urteil hat der AfD-Politiker Berufung eingelegt.

Das heißt, obwohl die vom Verfassungsschutz als teilweise rechtsextrem eingestufte AfD bundesweit im Aufwärtstrend liegt, kommt auch Maygutiak nur ins Parlament, wenn er das Direktmandat gewinnt. Bei der Bundestagswahl 2021 hatte die AfD im Wahlkreis Offenburg 8,9 Prozent der Erststimmen und 9,9 Prozent der Zweitstimmen bekommen.

Weitere Kandidierende im Wahlkreis Offenburg sind bei der bevorstehenden Wahl Adolf Huber für die Partei Freie Wähler, Lukas Klussmann für Volt und Amelie Vollmer für Die Linke. Vollmer steht auf Platz 7 der Landesliste ihrer Partei.

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