Soldaten der Bundeswehr verladen Raketen für das Flugabwehrsystem Patriot.

Baden-Württemberg Russlands Krieg gegen die Ukraine: Soll Deutschland mehr Waffen liefern - oder keine?

Stand: 13.02.2025 15:12 Uhr

Der Krieg in der Ukraine ist ein zentrales Thema im Wahlkampf. Aber auch Bürgerinnen und Bürger diskutieren kontrovers: Soll Deutschland weiterhin Waffen liefern?

"Ich wünsche mir, dass nach drei Jahren zermürbendem Stellungskrieg endlich mal ein Umdenken stattfindet, hin in Richtung mehr Diplomatie. Es bringt einfach nichts, weiter Waffen zu liefern. Das eskaliert einfach nur", sagt Sigrid Altherr-König aus Esslingen. Sie ist 71 Jahre alt und seit über 50 Jahren in der Friedensbewegung aktiv.

Kundgebung gegen Waffenlieferungen an die Ukraine am Rotebühlplatz in Stuttgart

Kundgebung gegen Waffenlieferungen an die Ukraine am Rotebühlplatz in Stuttgart

Waffenlieferungen in die Ukraine: Politik ist sich uneins

Drei Jahre ist es her, dass Russland seinen Angriffskrieg auf die Ukraine gestartet hat. Drei Jahre, in denen auch hier in Deutschland darüber diskutiert wird, wie man die Ukraine in dem Krieg unterstützen soll.

Am Mittwochabend hat der US-amerikanische Präsident Donald Trump sowohl mit Kremlchef Wladimir Putin als auch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj telefoniert. Danach hat er unter anderem gesagt, dass er einen NATO-Beitritt der Ukraine nach Kriegsende für unwahrscheinlich hält. Beobachter in der Ukraine sehen darin eine Schwächung der Ukraine vor möglichen Verhandlungen. Welche Auswirkungen die Telefonate konkret haben werden, ist aber unklar.

So werden auch Waffenlieferungen in die Ukraine im Wahlkampf ein großes Thema bleiben. Die Meinungen gehen bei den Parteien weit auseinander. Die Union und die Parteien der gescheiterten Ampel-Koalition sind dafür, die Ukraine weiterhin militärisch zu unterstützen. Die AfD, die Linke und etwa das BSW fordern diplomatische Lösungen.

Das steht im Wahlprogramm der Parteien zu Waffenlieferungen in die Ukraine
Claudia Buckenmeier vom ARD-Hauptstadtstudio hat die Pläne der Parteien in der deutschen Außenpolitik aus den Wahlprogramm entnommen. Hier ist die Sicht der Dinge auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Diese Parteien sind für Waffenlieferungen Die SPD will die Ukraine weiter unterstützen, auch mit Waffen und Ausrüstung. Eine Lieferung von "Taurus"-Marschflugkörpern wird dezidiert ausgeschlossen. Zugleich will die SPD die Friedensinitiativen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj unterstützen. Auch die Union will die Ukraine "mit allen erforderlichen diplomatischen, finanziellen und humanitären Mitteln und Waffenlieferungen unterstützen", der Marschflugkörper "Taurus" wird nicht explizit erwähnt. Aus sicherheits- und geopolitischen Gründen ist die Union für den EU-Beitritt der Ukraine. Ziel der CDU/CSU ist ein Friedensprozess, den die Ukraine aus einer Position der Stärke und auf Augenhöhe führen kann. Diplomatisch, finanziell, humanitär und militärisch wollen die Grünen die Ukraine auch in Zukunft unterstützen. Diplomatische Friedensbemühungen werden unterstützt nach dem Grundsatz "nichts über die Ukraine, ohne die Ukraine". Die FDP ist dafür, die Ukraine weiter umfänglich zu unterstützen, auch mit weitreichenden Waffen. Sie fordert die "unverzügliche Lieferung von 'Taurus'-Marschflugkörpern". Das Ziel ist es, die territoriale Integrität der Ukraine wieder herzustellen und dem Land den Beitritt zu EU und NATO zu ermöglichen. Diese Parteien sind gegen Waffenlieferungen Die deutschen Streitkräfte seien nicht verteidigungsfähig. Die Schuld dafür sieht die AfD unter anderem in der fortlaufenden Abgabe von einsatzfähigem Material und Waffensystemen aus den Beständen der Bundeswehr an die Ukraine. Außerdem sei die Truppe durch die Ausbildung von ukrainischen Soldaten dauerbelastet. Explizit zur Ukraine findet sich in dem Wahlprogramm nur die Forderung, dass das Land neutral bleiben soll, außerhalb der NATO und der EU. Den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verurteilt die Linke als völkerrechtswidrig. Sie macht sich für "massive humanitäre Hilfe" stark, lehnt aber Waffenlieferungen in Kriegs- und Krisengebiete klar ab. Die Linke fordert eine gemeinsame Initiative der Bundesregierung und der EU mit China, Brasilien und anderen Staaten des Globalen Südens, "um Russland und die Ukraine an den Verhandlungstisch zu bringen". Der Angriffskrieg gegen die Ukraine wird als "Stellvertreterkrieg zwischen Russland und den USA" beschrieben. Zwar verurteilt auch das BSW den russischen Angriff auf die Ukraine, aber der Krieg wäre aus Sicht der Partei vermeidbar gewesen und hätte auf dem Verhandlungsweg beendet werden können. Die Partei will eigene Friedensinitiativen aus Deutschland und Europa. Das BSW tritt für einen Waffenstillstand ohne Vorbedingungen ein. Es sollen keine weiteren Waffen geliefert werden. Stattdessen soll wieder mit Russland verhandelt werden.

Für manche war und ist Kanzler Olaf Scholz (SPD) zu zaghaft. Sie wünschen sich, dass mehr Waffen geliefert werden. Andere sorgen sich. Riskiert Deutschland mit Waffenlieferungen nicht selbst einen Kriegseintritt?

Auch in Baden-Württemberg wird diese Debatte geführt - am Küchentisch, am Stammtisch, im Verein oder auf der Straße. Zwei Menschen haben dem SWR erzählt, warum sie für bzw. gegen Waffenlieferungen in die Ukraine sind.

Von Vietnam bis Ukraine: Friedensaktivistin seit über 50 Jahren

"Mit 15 habe ich zum ersten Mal ein Foto von einem vietnamesischen Mädchen gesehen, das angesichts des US-amerikanischen Bombardements nackt flieht - mit Verbrennungswunden", erzählt Sigrid Altherr-König. 1968 war das. Es habe sie elektrisiert und motiviert, sich in der Friedensbewegung zu engagieren.

Kundgebung gegen Waffenlieferungen an die Ukraine am Rotebühlplatz in Stuttgart

Kundgebung gegen Waffenlieferungen an die Ukraine am Rotebühlplatz in Stuttgart

Ich habe meinen Eltern immer vorgeworfen: Warum habt ihr nichts gegen Faschismus getan? Und ich möchte mir von meinen Kindern nicht einmal vorwerfen lassen: Warum hast du nichts gegen die Zerstörung der Welt gemacht? Sigrid Altherr-König, Friedensaktivistin

Nach vielen Jahren Friedensarbeit sei man natürlich manchmal entmutigt. Sie hält ihr Engagement aber für alternativlos:" Wenn wir die Welt sicherer machen wollen, müssen wir gegen die Hochrüstung vorgehen."

Friedensaktivistin: Hochrüstung ist nicht die Lösung

Denn trotz einer immensen Hochrüstung auf der ganzen Erde, sei die Welt nicht sicherer geworden, argumentiert sie. Zusätzlich koste diese Aufrüstung unglaublich viel. Geld wäre besser in andere Probleme wie Hunger und Armut oder in eine bessere Bildung, bessere Krankenhäuser oder in das Klima investiert. Die Forderung ihrer Bewegung sei, dass abgerüstet werde, zugunsten dieser Menschheitsprobleme. Generell wünscht sie sich einen Diskurs "weg vom Militär als Mythos der erlösenden Gewalt, hin zu Pazifismus."

In Stuttgart hält die Bewegung wöchentlich Mahnwachen, auch in Esslingen informieren sie an Ständen. Jede Woche gebe es eine Veranstaltung zum Thema, wie der Krieg in der Ukraine beendet werden könne - "unabhängig von Parteien", sagt sie.

Und wie beantwortet sie selbst die Frage? Das sei nicht so einfach. Waffenlieferungen hätten das Problem jetzt drei Jahre lang nicht gelöst, argumentiert sie. Die Diplomaten müssten die russische und ukrainische Führung zu Verhandlungen zwingen.

Lesermeinungen zu Krieg in der Ukraine, Waffenlieferungen und Angst
Wir haben die Nutzerinnen und Nutzer von SWR Aktuell BW gefragt, was sie vor der Bundestagswahl bewegt. Hunderte Nachrichten haben uns erreicht - auch zum Thema Krieg. Harald Thomas aus Freiburg zum Beispiel schrieb uns zur Situation in der Ukraine: "Ich fürchte mich echt, dass diese Gewalt am Ende die Welt ins Verderben stürzen könnte. Deshalb wären deutlich stärkere politische Maßnahmen erforderlich, natürlich nicht nur von Deutschland, sondern weltweit." Thomas verwies darauf, dass die wirtschaftlichen Abhängigkeiten von Deutschland und vielen anderen Ländern so groß seien, "dass fast kein Land den Warenhandel mit Russland sofort beenden kann (Öl an viele Länder, Uran an Frankreich, usw.) um Russland den Geldhahn zuzudrehen". Es müsse mehr diplomatischer Druck oder eine "Option zum Verhandeln" geschaffen werden, so Thomas. "Waffen konnten auch noch selten einen Krieg beenden." Gegen Waffenlieferungen und für Frieden Rainer Maiwald aus Rümmingen (Kreis Lörrach) möchte, dass die Politikerinnen und Politiker "Frieden in der Ukraine suchen und finden". Er ist gegen "weitere Waffenlieferungen an die Ukraine". Brigitte Kreisinger aus Ebersbach an der Fils (Kreis Esslingen) dagegen ist dafür, die "Ukraine maximal zu unterstützen", auch "mit entsprechenden Waffenlieferungen und Gerätschaften". Ein 15-Jähriger aus Stuttgart schrieb uns, dass er "große Angst vor Krieg" habe. Ihm seien "Verhandlungen wichtiger als Sanktionen". Er wolle nicht in einem Krieg aufwachsen müssen. "Wie kommt man denn auch jedes mal auf die Idee, sich in diesen Krieg einmischen zu müssen. Natürlich kann man als Land bei Verhandlungen helfen, aber militärisch auszuhelfen, in einem Krieg, der uns nichts angeht, muss nicht sein." Koexistenz nach Ende des militärischen Konflikts Michael Ross aus Tübingen schrieb uns: "Krieg als politisches Mittel ist wieder sehr salonfähig, militärische Stärke wird als 'Retter der Demokratie' nach vorne geschoben. Kaum jemand hat ein Konzept für 'danach'." Ross würde gerne "von jeder der Parteien erfahren", wie sie sich "eine Koexistenz mit dem 'Feind' nach Ende des militärischen Konflikts vorstellen". Autorin: Samantha Ngako

Helfer aus Freiburg: Mit Waffen Druck auf Putin aufbauen

"Ich wünsche mir von der Bundesregierung, dass sie wesentlich mehr Waffen an die Ukraine liefert, aber nicht mit dem Ziel sie einzusetzen, sondern um Druck auf Putin aufzubauen", sagt Volker Höhlein. Mit Kriegsbeginn hat er die Evakuierung von rund 200 Kindern und ihren Betreuern aus Kiew nach Freiburg mitorganisiert. Er koordinierte schon zuvor Hilfstransporte, seit Kriegsbeginn deutlich mehr.

Volker Höhlein sammelt Hilfen für die Ukraine

Volker Höhlein sammelt Hilfen für die Ukraine

Höhlein ist Geschäftsführer des sogenannten "S'Einlädele". Es ist ein Second-Hand-Laden, aber auch ein Café und ein Antiquariat. Aus den dortigen Erlösen werden Hilfsprojekte in der Ukraine unterstützt. Zudem ist der Ort mittlerweile angewachsen zu einer sozial-diakonischen Hilfsorganisation, die in der Ukraine dauerhaft Kinder-, Seniorenheime und Krankenhäuser unterstützt. So kommen auch Pflegebetten der Uniklinik Freiburg über Höhleins Engagement in die Ukraine.

Der Kontakt zu den Menschen in der Ukraine habe seine Meinung zu Waffenlieferungen geprägt. Er bekomme mit, dass ukrainische Soldaten verwundet würden, "dass sich der Krieg durch dieses zögerliche Liefern von Waffen hinzieht". So wie es jetzt laufe, würde die Ukraine ausbluten und Putin ermutigt, sagt Höhlein. Ziel sei es, dass man am Tisch landet und miteinander verhandelt. Mit der Lieferung von mehr Waffen und dem daraus entstehenden Druck für Putin, sei das eher möglich.

Volker Höhlein sammelt Hilfen für die Ukraine

Volker Höhlein sammelt Hilfen für die Ukraine

Forderung nach mehr Waffen fällt als gläubiger Mensch nicht leicht

Höhlein ist ein gläubiger Mensch, seine Organisation ist Teil der evangelischen Stadtmission. Die Kirche und die Friedensbewegung sind eigentlich eng miteinander verwoben. Der Ruf nach mehr Waffen fällt ihm nicht leicht. Zur Wahrheit in dieser Welt gehöre aber, dass es "Despoten" gibt.

In dieser Welt muss ich mich verteidigen. Und wenn ich Leben retten will, muss ich auch dagegenhalten. Volker Höhlein, Ukraine-Unterstützer

Er erhofft sich ein baldiges Kriegsende. Allerdings fange die Arbeit dann erst an. Denn Organisationen wie das "S'Einlädele" würden beim Wiederaufbau besonders benötigt.

Kriegsende als Ziel: Weg dorthin umstritten

Die Esslinger Friedensaktivistin und der Ukraine-Unterstützer aus Freiburg sind sich einig: Der Krieg in der Ukraine soll so schnell wie möglich enden. Da gehen auch alle Parteien mit.

Gelingt dies jedoch mit mehr Waffenlieferungen oder mit einem Lieferstopp? Darüber sind sie sich uneins - ebenso wie die Parteien. Nach der Wahl und nach einer wohl schwierigen Koalitionsbildung wird sich zeigen, wie sich Deutschland dahingehend positionieren wird.

"Zugehört" - Unsere Serie zur Bundestagswahl in Baden-Württemberg
Am 23. Februar ist Bundestagswahl. Die Parteien und ihre Spitzenkandidaten und -kandidatinnen werben um die Wähler-Gunst und versuchen mit ihren Themen zu punkten. Doch was bewegt die Bürgerinnen und Bürger? Wir haben den Menschen in Baden-Württemberg "zugehört". Weitere Artikel werden in den kommenden Tagen veröffentlicht.

Sendung am Do., 13.2.2025 19:30 Uhr, SWR Aktuell Baden-Württemberg, SWR BW

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