
Baden-Württemberg Stuttgart 21: Deutsche Umwelthilfe verliert Gäubahn-Prozess
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat im Verfahren um die Unterbrechung der Gäubahn-Strecke auch die Klage der Deutschen Umwelthilfe abgewiesen. Das Urteil fiel Donnerstagnachmittag.
Seit Mittwoch hat das Verwaltungsgericht in Stuttgart über die Frage verhandelt, ob die Gäubahnstrecke nach Zürich und Singen in Stuttgart unterbrochen werden darf. Die zuständige Kammer des Verwaltungsgerichts kam zu dem Schluss, dass der Kläger keinen Anspruch darauf habe, dass das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) die Unterbrechung der Gäubahn verbietet. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte gegen das EBA geklagt. Auch die Deutsche Bahn (DB) war zum Prozess vorgeladen. Die Strecke soll ab April 2026 im Rahmen der Stuttgart-21-Bauarbeiten für mehrere Jahre unterbrochen werden.
Gericht: Klage ist zulässig, aber unbegründet
Die Klage sei unbegründet. Die Planfeststellungsbeschlüsse lassen nicht die Interpretation zu, dass nur eine kurze Unterbrechung der Gäubahn erlaubt sei. Es gebe keine Vorgaben auf den zeitlichen Rahmen der Umsetzung in den Planfeststellungsbeschlüssen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Berufung wurde nicht zugelassen. Die DUH kann aber innerhalb eines Monats einen Antrag auf Zulassung der Berufung zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg stellen. Diese Frist beginnt mit Zustellung des vollständigen schriftlichen Urteils.
Emotionale Auseinandersetzung am Vormittag
Am Donnerstagvormittag ging es in der Verhandlung um die Planfeststellungsbeschlüsse von Stuttgart 21 (die vom Bundesamt genehmigten Bauunterlagen). Laut der Deutschen Umwelthilfe ist die Unterbrechung auf unbestimmte Zeit nach den Beschlüssen nicht zulässig. Das Eisenbahnbundesamt und die DB widersprachen dem: Auch wenn die anvisierte Lösung, der sogenannte Pfaffensteigtunnel, noch nicht planfestgestellt sei, gebe es keinen Zweifel daran, dass der Tunnel gebaut werde. Denn er sei ja vom Bundestag im Bedarfsplan aufgenommen worden und darüber hinaus zu einem Projekt "von überragendem öffentlichen Interesse" erklärt worden.
Deutsche Bahn geht von vorübergehender Unterbrechung aus
Aktuell gehe die DB von einer Fertigstellung und Inbetriebnahme des Tunnels im Jahr 2032 aus. Damit wäre die Unterbrechung lediglich vorübergehend. Des Weiteren gebe es ein Ersatzkonzept für diese Zeit. Der Umstieg in S- und Stadtbahnen in Stuttgart-Vaihingen sei durch eine verkehrswissenschaftliche Untersuchung als praktikabel eingestuft worden. Die Deutsche Umwelthilfe verwies darauf, dass Neubauprojekte der Bahn wegen fehlender finanzieller Mittel bedroht seien und die Bauzeiten erfahrungsgemäß nicht eingehalten werden können.
Pfaffensteigtunnel: Gibt es einen Plan B?
Auf die Frage des Gerichts, was passieren würde, falls der Pfaffensteigtunnel tatsächlich nicht gebaut werden sollte, erklärte das Eisenbahnbundesamt: "Dann muss man sich Gedanken machen. Wir haben keinen Plan B." Eine Aussage, die einige empörte Ausrufe im Publikum zur Folge hatte.
Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe argumentierte im Verfahren, dass genau diese Sorge auch die Bürgermeister entlang der Gäubahn-Strecke umtreibe. Zum Abschluss der Veranstaltung wies die Richterin darauf hin, dass es sich bei diesem Verfahren um keine politische Veranstaltung handle.
Klage des Naturschutzverbandes bereits abgewiesen
Bereits am Mittwoch wurde eine Klage des Landesnaturschutzverbandes Baden-Württemberg abgewiesen. Diese hatte gegen die illegale Stilllegung der Gäubahnstrecke von Stuttgart-Vaihingen zum Stuttgarter Hauptbahnhof geklagt. Den für die Klage notwendigen Umweltaspekt konnte das Gericht nicht erkennen.
Deutsche Bahn begrüßt Gerichtsentscheidungen
Die Deutsche Bahn fühlt sich mit den Urteilen des Stuttgarter Verwaltungsgerichts in ihrem Vorgehen bestätigt. Für den Bau der neuen S-Bahn-Trasse zwischen Stuttgart-Nord und der S-Bahn-Station Hauptbahnhof im Rahmen von Stuttgart 21 sei es notwendig, in den Gäubahndamm einzugreifen, der zum noch bestehenden alten Kopfbahnhof führt.
Außerdem bleibe die Gäubahn auch bis zur Fertigstellung der Gäubahn-Anbindung über den Flughafen weiterhin mit dem Netz an S-Bahnen, Stadtbahnen und Buslinien innerhalb Stuttgarts verknüpft. Dass Stuttgart-Vaihingen als Verknüpfungspunkt zwischen Fern- und Regionalverkehr gut geeignet sei, habe auch eine Studie von 2020 belegt.
Deutsche Umwelthilfe will in nächste Instanz gehen
Die Deutsche Umwelthilfe will nach ihrer Niederlage in Stuttgart die nächste Instanz anrufen und vor den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim ziehen. DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch sagte: "Die Bahn steuert auf eine nicht nur langjährige, sondern dauerhafte Unterbrechung der Gäubahn in Stuttgart-Vaihingen zu, das hat das Verfahren heute gezeigt." Seiner Ansicht nach konnte weder das Eisenbahn-Bundesamt noch die Deutsche Bahn belegen, dass eine rechtliche Sicherheit für den als Ersatz vorgesehenen Pfaffensteigtunnel existiert.
Ich bin nach wie vor der Rechtsauffassung, dass die geplante Abkopplung rechtswidrig ist. Remo Klinger, Anwalt der DUH
"Stuttgart 21 wurde als Gesamtkonzept genehmigt - mit einer klaren Abfolge der Bauabschnitte und einer nur wenige Monate dauernden Unterbrechung der Gäubahn", sagte Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH in dem Verfahren vertritt. "Ich bin nach wie vor der Rechtsauffassung, dass die geplante Abkopplung rechtswidrig ist."
Verkehrsminister Hermann: Kappung bleibt Belastung für Fahrgäste
Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sagte laut Mitteilung zu den Urteilen, dass nun "zumindest eine größere rechtliche Klarheit" herrsche. Aber die Kappung der Gäubahn bleibe eine Belastung für die Fahrgäste und eine Herausforderung für den Zugverkehr. "Deshalb war es richtig, frühzeitig umfangreiche Verbesserungen für die betroffenen Strecken auf den Weg zu bringen. Das Land hat ein starkes Kompensationspaket geschnürt, um die Einschränkungen abzumildern", sagte Hermann.
Besonders wichtig sei, dass in der Zeit der Unterbrechung der Fernverkehr stabil erhalten bleibe und die Regionalverbindungen ausgebaut würden. In dieser Hinsicht habe die Verhandlung ein weiteres, direktes Ergebnis gezeigt: "Der Pfaffensteigtunnel muss jetzt ganz oben auf der Agenda des Bundes stehen. Denn die Gäubahn muss so bald wie möglich wieder direkt an den Hauptbahnhof angebunden werden. Dafür muss der Bund den Pfaffensteigtunnel zügig finanziell absichern." Hermann erwarte hier schnell nach der Bundestagswahl "ein glasklares Signal".
Vorgesehene Kompensations-Maßnahmen laut Ministerium:
- Die stündlichen Intercity-Verbindungen sollen bestehen bleiben und mit Nahverkehrstickets nutzbar sein. Sie enden in Stuttgart-Vaihingen.
- Metropolexpresszüge (MEX) sollen das Angebot zwischen Stuttgart-Vaihingen und Eutingen/Horb zum Halbstundentakt ergänzen und so die Kapazitäten verbessern.
- Eine durchgehende S-Bahn-Verbindung zwischen Horb und Stuttgart-Hauptbahnhof wird mit einer verlängerten S1-Linie geschaffen.
- Zwei zusätzliche Expresszug-Paare zwischen Stuttgart-Vaihingen und Singen sollen am Morgen und am Abend fahren.
Sendung am Do., 13.2.2025 18:00 Uhr, SWR4 am Abend, SWR4