Tobi ist 20 Jahre alt und ist an Leukämie erkrankt

Baden-Württemberg Tobi ist 20 und hat Leukämie: Ein spezielles Angebot in Stuttgart hilft ihm

Stand: 04.02.2025 10:20 Uhr

Wer eine Diagnose wie Krebs bekommt, dem zieht es den Boden unter den Füßen weg. Am Robert Bosch Krankenhaus gibt es eine einzigartige Rundumhilfe für Betroffene.

Der 4. Februar ist Weltkrebstag - das Motto der Internationalen Vereinigung gegen Krebs (UICC) lautet für die kommenden drei Jahre "Gemeinsam einzigartig". Das soll zum Ausdruck bringen, dass Krebspatienten durch ihre Diagnose verbunden sind, jeder Betroffene aber seine eigene Geschichte hat.

Einer von ihnen ist Tobi. Er lebt in Leinfelden-Echterdingen (Kreis Esslingen), ist 20 Jahre alt und macht eine Ausbildung zum Fachinformatiker für Anwendungsentwicklungen. In seiner Freizeit treibt er gerne Sport, er skatet gerne, geht ins Fitnessstudio oder trifft sich mit Freunden. Doch irgendwann merkte er, dass ihm das Treppensteigen nicht mehr so leichtfällt. Deshalb ging er zum Arzt. Die Diagnose war ein Schock: Leukämie, Blutkrebs. Seitdem ist sein Leben ein anderes.

Krebs bringt alles durcheinander: Weihnachten im Februar

So feiert Tobi Anfang Februar Weihnachten. Denn im Dezember war sein Immunsystem nach der Chemotherapie noch zu schwach, außerdem gab es in der Familie Krankheitsfälle. Zu groß war die Gefahr einer Ansteckung. "Dass das Fest jetzt endlich klappt, ist schön", sagt Tobi. Denn wegen seiner Erkrankung muss viel verschoben werden, etwa auch die Silvesterparty.

Am meisten stört ihn aber, dass seine Ausbildung ins Stocken geraten ist. Denn er kann weder ins Büro noch in die Berufsschule gehen, auch dort ist die Ansteckungsgefahr zu groß. "Ich empfinde es allerdings als Privileg, dass ich zu Hause viel nachholen kann", erzählt er, denn dorthin bekommt Tobi die Materialien geschickt.

Leukämie-Patient Tobi: Glaube und Freunde als Unterstützung

Nach der Diagnose im Oktober vergangenen Jahres musste er zunächst acht Wochen am Stück im Krankenhaus verbringen. Was ihm viel geholfen hat, sei sein Glaube. Außerdem brachten Verwandte und Freunde etwa Essen ins Krankenhaus oder spielten dort Gesellschaftsspiele mit ihm. "Auch ein schneller Videoanruf tut mir immer gut", erzählt er. Inzwischen muss er alle paar Wochen für eine Woche ins Krankenhaus, dazu kommen Aufenthalte in der Tagesklinik für Blutkontrollen.

Ich bin Christ. Das hat wirklich extrem viel geholfen. Tobi, Leukämie-Erkrankter

Als echten Segen empfindet Tobi aber auch die Krebsberatungsstelle "LINA" im Robert Bosch Krankenhaus in Stuttgart: "Dort kann ich über alles reden, was mich bedrückt." Über die Krankheit und seine Ängste, aber auch zum Beispiel darüber, wie es ihm gelingt, eine neue Wohnung zu finden.

LINA Support

In der Krebsberatungsstelle können Betroffene über alles sprechen.

Jens Stäudle arbeitet bei der Beratungsstelle und unterstützt Patientinnen und Patienten, wo es geht. Er weiß, dass gerade das Thema Wohnen ein großes Problem bei jungen Erkrankten ist. "Wenn etwa von einem Ausbildungsgehalt nur noch 70 Prozent übrig bleiben, weil der Betroffene ins Krankengeld rutscht, ist die aktuelle Wohnung schnell nicht mehr bezahlbar", sagt Stäudle. Außerdem seien Entfernungen, die vorher kein Problem waren, auf einmal unüberwindbar.

"LINA"-Berater: Sozialarbeit und Psychologie gehören zusammen

Stäudle weiß, die Lebenswelt von jungen Menschen ist besonders. Viele Beziehungen seien noch nicht gefestigt, dazu seien viele Erkrankte noch in der Selbstfindung. Er will die Betroffenen in ihrer schwierigen Lebenssituation bestmöglich unterstützen. Tobi hilft er zum Beispiel dadurch, dass er ihm ermöglicht, Klausuren im Krankenhaus zu schreiben.

Stäudle versteht nicht, warum Sozialarbeit und Psychologie in anderen Kliniken getrennt werden. "Die Sachen hängen zusammen. Wenn ich mir emotional Sorgen mache, weil meine Kinder nicht versorgt sind, dann brauche ich jemand, der mir hilft, einen Haushaltshilfeantrag auszufüllen. Und wenn der eine über die Emotionen redet und der andere nicht da ist, der einen Antrag ausfüllen kann, dann ist das Blödsinn."

Wofür steht "LINA" eigentlich?

"LINA" steht für lebensweltorientiert, integrativ, nah und aufsuchend. Ein "bisschen sperrig", sagt Stäudle. Deshalb erklärt er: Für ihn heißt "lebensweltorientiert" arbeiten, die Themen der Menschen, die betroffen sind, so aufzunehmen, wie sie sind und den Menschen nichts aufzusetzen. "Integrativ" bedeute, dass das Angebot nur Teil einer Behandlung sein kann. Dazu gehörten auch das medizinische System oder die Angehörigen. "Nah" sei im Konzept besonders wichtig, er versuche auf Augenhöhe zu arbeiten und immer gut erreichbar zu sein. Und "aufsuchend" heißt, dass man proaktiv auf die Menschen zugehe, um Kontakte zu knüpfen.

LINA Support

Bei der Krebsberatungsstelle steht die Tür immer offen.

Verein unterstützt Krebsberatung und will Methode weiterentwickeln

Neben der Krebsberatungsstelle im Robert Bosch Krankenhaus gibt es auch den Verein "LINA Support". Dessen Vorsitzender Bastl Frahms will den Menschen, denen es nicht so gut geht, ein Stück zurückgeben. Er hat vor einigen Jahren einen guten Freund an den Krebs verloren. Dabei hat er allerdings die Arbeit rund um "LINA" kennengelernt und war überzeugt, dass das Angebot ausgebaut werden müsse.

Der Verein besteht seit 2023 und bietet den Erkrankten inzwischen viel, zum Beispiel Hilfe beim Einstieg oder bei der Rückkehr in die Arbeit. Dabei geht es etwa um Fortbildungen oder Umschulungen. Es helfe auch, dass der Unternehmer Frahms selbst gut vernetzt ist. Oft bietet sich eine gute Lösung "über den kurzen Dienstweg".

LINA Support

Yves Bade, Jens Stäudle und Bastl Frahm in den neuen Räumlichkeiten der "LINA"-Krebsberatungsstelle.

Der Verein versucht, den Betroffenen einen schönen Alltag zu bieten. Zum Beispiel verbringen alle mal ein Hütten-Wochenende miteinander und Gemeinschaft wird großgeschrieben. Die endet auch nicht mit der Genesung. Yves etwa war selbst betroffen, er litt an Krebs. Jetzt engagiert er sich im Verein. Als Koch in der Ausbildung bietet er etwa Kurse oder Kochabende an. Weil er sich gut mit dem Digitalen auskennt, macht er für den Verein Social Media und die Website.

So bringt jeder mit ein, was er kann. Das ist das Selbstverständnis des gemeinnützigen Vereins, der sich über Spenden finanziert. Der Vorsitzende Frahm erklärt, der Verein könne Dinge schneller und pragmatischer stemmen oder organisieren, als es das Krankenhaus kann. Deshalb ergänze man sich gut.

Tobi: Gesundheit wird zu wenig geschätzt, wenn man gesund ist

Für Tobi steht jetzt erst einmal eines an: Er will gesund werden. "Man unterschätzt es immer, wenn man gesund ist", sagt er. Er hofft, dass die Therapie weiterhin gut läuft, und er freut sich auf den Sommer. Wenn die Infektionszeit vorüber ist, kann er sich auch endlich wieder einfacher mit Freundinnen und Freunden treffen.

Sendung am Di., 4.2.2025 19:30 Uhr, SWR Aktuell Baden-Württemberg, SWR BW

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