
Baden-Württemberg Wie macht sich die Klimakrise in deiner Gemeinde bemerkbar?
2024 war seit Messbeginn das drittwärmste Jahr in Baden-Württemberg. Das geht aus dem Klima-Jahresrückblick hervor. Wir zeigen, in welchen Gemeinden die Temperaturen am stärksten gestiegen sind.
Der Klimawandel ist in Baden-Württemberg angekommen: Die Sommer werden heißer, die Winter milder. Der Klima-Jahresrückblick 2024, den das Umweltministerium am Dienstag veröffentlichte, enthält Wetterdaten für das vergangene Jahr. Danach reiht sich 2024 mit einer durchschnittlichen Jahrestemperatur von 10,5 Grad Celsius an dritter Stelle nach 2023 und 2022 in die Liste der wärmsten Jahre in Baden-Württemberg seit Messbeginn 1881 ein. Weltweit war es sogar das wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen. "Die Konsequenzen des Klimawandels zeigen sich überdeutlich und wir alle spüren sie am eigenen Leib", sagte Umweltministerin Thekla Walker.
2,5 Grad über dem üblichen Durchschnitt
Die von der Landesanstalt für Umwelt aufbereiteten Daten zeigen: Die durchschnittliche Jahrestemperatur stieg im vergangenen Jahr in Baden-Württemberg stärker als im globalen Vergleich. Landesweit lag sie 2,5 Grad Celsius über dem Mittelwert der Jahre 1961 bis 1990, der international als Vergleichszeitraum gilt.
Der Februar stach im vergangenen Jahr besonders heraus. Mit einer durchschnittlichen Temperatur von 6,5 Grad Celsius war es der wärmste Februar seit Beginn der Aufzeichnungen - er lag 6,1 Grad über dem Monatsmittel des Vergleichszeitraums.
2024 stellte noch einen weiteren Rekord auf: Der Mai war der feuchteste seit Messbeginn. Es fiel fast doppelt so viel Regen wie im üblichen Monatsmittel. Stark- und Dauerregen führte zu Hochwasser, in dem allein in Baden-Württemberg zwei Menschen starben. Überschwemmungen zerstörten Häuser und Autos und verursachten Schäden im Wert von mehreren hundert Millionen Euro. Während auch im September mehr Regen als üblich fiel, waren die Monate August, November und Dezember trockener als üblich. Der Wald konnte sich durch die hohen Niederschläge etwas von der Trockenheit der vergangenen Jahre erholen, dahingegen litten einige Insektenarten unter der Nässe.
Mehr Hitze, weniger Frost
Der Klimawandel führt dazu, dass die Anzahl der Hitzetage zu und die der Frosttage abnimmt, was auch im Jahr 2024 der Fall war. Zu den Hitzetagen zählen Tage, an denen es 30 Grad Celsius oder heißer ist. Über das Jahr hinweg stieg in Baden-Württemberg die Durchschnittstemperatur mehr als drei Mal so oft auf mindestens 30 Grad als noch im Vergleichszeitraum zwischen 1961 und 1990 - an insgesamt 13 Tagen im Jahr. Im Vergleichszeitraum war es nur an durchschnittlich vier Tagen 30 Grad oder heißer. Die meisten Hitzetage wurden bisher 2003 und 2015 gemessen.
Tage, an denen die Temperatur unter null Grad fällt, gehen stattdessen zurück. Im Jahr 2024 waren es 61, während es im Mittel des Vergleichszeitraums noch 103 Tage waren - also 42 weniger Frosttage.
Lokale Unterschiede
Die Klimadaten der Landesanstalt für Umwelt zeigen zudem für das Jahr 2024 lokale Unterschiede zwischen den mehr als 1000 Gemeinden. Die höchsten Durchschnittstemperaturen wurden im Oberrheingraben gemessen. Die durchschnittliche Jahrestemperatur erreichte beispielsweise in Dettenheim, Philippsburg oder Waghäusel 12,5 Grad - zwei Grad mehr als im Landesdurchschnitt.
In den Gemeinden Hambrücken, Kronau, Waghäusel und Sankt Leon-Rot wurden die meisten Hitzetage gemessen. Dort stieg die Temperatur an 29 Tagen im Jahr 2024 auf 30 Grad oder mehr. In Stuttgart waren es beispielsweise nur 18 Hitzetage - 13 mehr als im Vergleichszeitraum -, in Hinterzarten im Hochschwarzwald nur einer.
Die meisten Frosttage im Jahr 2024 gab es in den Gemeinden Feldberg (100), Bitz (98) und Schwenningen (97). Die wenigsten hingegen mit 36 Tagen in Philippsburg, Graben-Neudorf oder Eggenstein-Leopoldshafen. In allen Gemeinden in Baden-Württemberg ist die Anzahl der Frosttage im Jahr 2024 verglichen mit dem Referenzzeitraum gefallen. Am stärksten in Egenhausen mit 58 weniger Frosttagen als üblich.
Vergleicht man die mittlere Temperatur des vergangenen Jahres mit der des Vergleichszeitraums, fallen deutliche lokale Unterschiede auf. So ist sie beispielsweise in der Rheinebene weniger stark gestiegen als in Höhenlagen und im Osten von Baden-Württemberg. In den Höhenlagen war etwa die geringere Anzahl der Frosttage und dadurch die kürzere Dauer der Schneedecke dafür mitverantwortlich.
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Hitzeaktionsplanung auf Gemeindeebene
Die Auswirkungen des Klimawandels bergen viele Gefahren. Starkregen können Gemeinden unter Wasser setzen, Stürme Wälder zerstören. Für die menschliche Gesundheit stellt jedoch Hitze das "dringendste Klimarisiko" dar, schreibt das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg. Es erhöhe das Risiko von Todesfällen, beispielsweise durch Hitzschlag.
Das Gesundheitsamt hat vergangenen Sommer eine Umfrage unter allen Kreisen und Kommunen zu deren Hitzeschutzaktivitäten durchgeführt. Die kürzlich veröffentlichten Ergebnisse zeigen: Nur zwölf Kommunen haben bereits einen Hitzeaktionsplan erstellt, 29 Gemeinden und zehn Kreise wollen einen ausarbeiten. An der Umfrage nahm etwa ein Drittel der über 1000 Gemeinden und 91 Prozent der Kreise teil. Weniger als die Hälfte der Gemeinden, die an der Umfrage teilnahmen, setzen einzelne Maßnahmen gegen Hitze um oder planen diese. Von den Kreisen waren es etwas mehr als die Hälfte. Nach den Umfrageergebnissen werden im Kreis Ludwigsburg, Esslingen und Böblingen bereits vergleichsweise viele Hitzeschutz-Maßnahmen umgesetzt. In den Landkreisen Enzkreis, Lörrach, Rottweil, Sigmaringen und Tuttlingen gab keine Gemeinde an, Maßnahmen umzusetzen oder zu planen.
Was das Gesundheitsamt als "sehr erfreulichen Zwischenstand" verbucht, bewertet Fritz Mielert vom Bund für Umwelt und Naturschutz kritisch. Baden-Württemberg sei bei der Klimafolgenanpassung allgemein bereits auf einem guten Weg, stünde aber am Anfang, was die Hitzeschutzplanung angeht. Einzelne Gemeinden gingen voran, aber insgesamt seien die Maßnahmen noch "unzureichend", sagt Mielert. Kommunen sollten finanzielle und personelle Mittel bekommen, um Maßnahmen umsetzen zu können. Gleichzeitig sollte es für Kommunen verpflichtend sein, ein Konzept vorzulegen. Denn sie seien es, die die Situation vor Ort am besten kennen würden.
Experte bemängelt zu wenig Geld und Personal
Das Umweltministerium legte Ende Februar einen Entwurf für ein überarbeitetes Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz vor, um bundesweite Vorgaben zu berücksichtigen. Danach sollen Kommunen Strategien zur Klimafolgenanpassung vorlegen, also beispielsweise Maßnahmen gegen Starkregen oder Hitze. Dennis Fila forscht zur lokalen Klimawandelanpassung an der Universität Freiburg. Er bemängelt jedoch, dass im Gesetzesvorschlag keine Vorgaben zur Hitzeaktionsplanung enthalten sind. Zudem schreibe das Klimaanpassungsgesetz nur die Erarbeitung einer Strategie vor. "Für die Umsetzung gibt es keine Verpflichtungen - und auch kein zusätzliches Geld für die Kommunen", sagt Fila. Er habe bei seiner Forschung in Gemeinden erlebt, was auch der Bericht des Landesgesundheitsamt zeigt: dass sich nur wenige mit Hitzeschutz beschäftigen. Oft fehle das Geld, konkrete Zuständigkeiten oder schlicht das Personal. Laut Umweltministerium sei jedoch für Maßnahmen zur Klimawandelanpassung bereits mehr Geld im Haushalt reserviert.
Um die Bevölkerung vor Hitze zu schützen müssten kurzfristige Maßnahmen mit langfristigen Planungen kombiniert werden, sagt Fila. Beispielsweise sollten Warnsysteme für Hitzewellen etabliert und über Risiken aufgeklärt werden. Auf lange Sicht müssten die Städte so umgebaut werden, dass sie sich weniger aufheizten. Etwa durch Frischluftzonen, mehr Bäume, die Schatten spenden oder entsiegelte Flächen, die Wasser aufnehmen und dadurch kühlen können.
Klimaschutzambitionen und Realität
Die grün-schwarze Regierung hat sich zudem ambitionierte Ziele gesteckt, um einen Beitrag zum globalen Klimaschutz zu leisten: Die Koalition hat zu Beginn ihrer Legislatur festgehalten, "Baden-Württemberg als Klimaschutzland zum internationalen Maßstab" machen zu wollen. 2040, fünf Jahre früher als Deutschland und zehn Jahre früher als die Europäische Union, soll das Land klimaneutral sein. Das heißt im Jahr 2040 müssten mindestens so viele Emissionen eingespart, wie ausgestoßen werden. Bis 2030 sollen 65 Prozent der Treibhausgase von 1990 reduziert werden.
Doch Forscher prognostizierten vergangenes Jahr eine Zielverfehlung für das Jahr 2030. "Dies unterstreicht die Dringlichkeit weiterer effektiver Klimaschutzmaßnahmen", schrieb der Klima-Sachverständigenrat, der die Landesregierung berät, in einer Stellungnahme. Er forderte ein Klimaschutzsofortprogramm, wie es im Gesetz bei einer "erheblichen Zielabweichung" vorgesehen ist. Im Gesetz bleibt jedoch offen, was als "erheblich" gilt. Somit entscheidet die Landesregierung. Zwischen den Ministerien gibt es laut einer Sprecherin des Umweltministeriums darüber noch keine Einigung.