Schüler sitzen in einer VABO-Klasse in der Erich-Bracher-Schule in Kornwestheim

Baden-Württemberg Zentral für Integration: So lernen jugendliche Migranten Deutsch für Ausbildung und Beruf

Stand: 20.02.2025 15:00 Uhr

Viele der Flüchtlinge in Deutschland sind Kinder und Jugendliche. Damit die Integration klappt, müssen sie Deutsch lernen. Eine große Herausforderung für das Bildungssystem.

"Was kann man in Ludwigsburg besichtigen", fragt Lehrer Georgios Raptis. "Schlossplatz", antwortet Schüler Mohammad. Die Klasse korrigiert ihn: Der Schlossplatz ist in Stuttgart. Mohammad, Jumagul und Jawadullah sind Schüler einer sogenannten VABO-Klasse im Landkreis Ludwigsburg. Die Abkürzung steht für Vorqualifizierungsjahr Arbeit/Beruf mit dem Schwerpunkt Deutsch zu lernen. Die VABO-Klassen sind ein zentraler Baustein für die Integration der Jugendlichen.

"Ohne die Schule hätte ich nicht so gut Deutsch gelernt"

"Der Besuch der VABO-Klasse war die beste Entscheidung, denn ohne die Schule hätte ich nicht so gut Deutsch gelernt", sagt Fahad Tahir im Rückblick. Der junge Mann kam vor sechs Jahren aus Pakistan nach Deutschland. "Ich kenne Leute, die länger da sind und die nicht so gut Deutsch können, weil sie nicht in der Schule waren", erklärt Tahir. "Ich war damals schulpflichtig und ich musste in die Schule gehen und da habe ich sehr gut Deutsch gelernt." Fahad hatte günstige Voraussetzungen. Er konnte bereits Englisch und er kannte das lateinische Alphabet. "Das hat mir sehr geholfen."

Lehrer Georgios Raptis steht an der Tafel im Klassenzimmer einer VABO-Klasse

Lehrer Georgios Raptis an der Erich-Bracher-Schule in Kornwestheim

Eine enorme Herausforderung für die Lehrerinnen und Lehrer sind die großen Unterschiede zwischen den Jugendlichen. Manche Jugendliche hatten noch nie zuvor eine Schule besucht. "Viele Schüler können sehr gut sprechen, dafür aber nicht schreiben. Das sind eher die Schüler aus Afghanistan oder Syrien. Die europäischen Schüler können super schreiben, verstehen die Grammatik besser, können aber nicht so gut sprechen", beschreibt Georgios Raptis die Situation.

Lesermeinungen zu Integrationswillen, Asylrecht und soziale Teilhabe
Wir haben die Nutzerinnen und Nutzer von SWR Aktuell BW gefragt, was sie vor der Bundestagswahl bewegt. Hunderte Nachrichten haben uns erreicht - auch zum Thema Migration. "Einfachere Einbürgerung" und Geflüchtete als Bereicherung Edy Wunderlich aus Gaggenau (Kreis Rastatt) hat uns eine sehr persönliche Nachricht zu diesem Thema geschickt: "Meine beste Freundin ist vor acht Jahren aus Syrien nach Deutschland gekommen." Sie habe eine Ausbildung zur Erzieherin gemacht. "Ich wünsche mir für solche Personen eine einfachere Einbürgerung." Wunderlich berichtet, in dem Haus, in dem er lebe, bestehe "die Hälfte der Bewohner aus Flüchtlingen. Ich sitze im Rollstuhl und brauche oft Hilfe. Die Flüchtlinge helfen mir immer." Bei den deutschen Bewohnern "kann ich mich nicht darauf verlassen". Wunderlich sieht die meisten Geflüchteten als "eine Bereicherung". Asylrecht "nach unserem Bedarf" verändern Peter Krebs aus Mannheim fände es sinnvoll, "das Asylrecht in eine Migration nach unserem Bedarf zu wandeln". Er schrieb uns, ein "vorbehaltloses Asylrecht" sei heute und künftig nicht mehr aufrecht zu erhalten. "Europa wird überrannt und verarmt", so Krebs. "Eine Zuwanderung sollte nur noch über einen Antrag bei der jeweiligen deutschen Botschaft möglich sein. Im Interesse unseres Landes zählen dabei vor allem die Ausbildung und der Bedarf in unserem Land. Humane Überlegungen müssen dabei hinten angestellt werden, da man sonst das Problem nicht lösen wird. Migranten, die es trotzdem versuchen hier über die Grenze zu kommen, müssen verhaftet und sofort zurückgeführt werden. Nach spätestens sechs Monaten wird das von alleine aufhören." "Willkommene Mitglieder unserer Gesellschaft" Krebs fände es notwendig, "bereits hier lebende Migranten" zurückzuführen, wenn sie zum Beispiel straffällig geworden seien oder "keinen Integrationswillen zeigen". Krebs sieht "im Unterschied zu der Foderung nach Remigration aus dem rechten Lager" Menschen, die "hier arbeiten und sich einbringen", als "willkommene Mitglieder unserer Gesellschaft", sie seien angekommen. Die 24-jährige Violeta da Silva aus Neckargemünd (Rhein-Neckar-Kreis) hat einen anderen Schwerpunkt, wenn Sie an das Thema Migration denkt. Sie schrieb uns, Menschen mit Migrationshintergrund fehle die soziale Teilhabe, "was eines der wichtigsten Güter für ein erfülltes Leben ist". Die Sozialarbeiterin hat beruflich viel Kontakt zu Zuwanderern. "Man kann nicht verlangen, dass sie innerhalb von einer Woche immigrieren. Das funktioniert nicht, dafür bedarf es ganz viel Hilfe vom Staat", so da Silva. Autorin: Samantha Ngako

Große Unterschiede bei Sprachkenntnissen als Herausforderung

Die Klassen bestehen meist aus 18 Schülerinnen und Schülern. Wegen der großen Unterschiede unterrichten die Lehrerinnen und Lehrer an der Erich-Bracher-Schule die Klassen teilweise im Tandemunterricht mit zwei Lehrern. "Da können wir besser auf die Schüler eingehen", sagt Georgios Raptis. In der Erich-Bracher-Schule gibt es drei VABO-Klassen. In einer Klasse sind Jugendliche, die das Alphabet erlernen müssen, eine andere Klasse strebt das Deutschniveau A1 an, die dritte Klasse das Niveau A2 oder B1.

Sprachniveau A1, A2
A1: Der Schüler kann vertraute, alltägliche Ausdrücke und ganz einfache Sätze verstehen und verwenden. Kann sich und andere vorstellen und anderen Leuten Fragen zu ihrer Person stellen. Er kann sich auf einfache Art verständigen, wenn die Gesprächspartner langsam und deutlich sprechen und bereit sind zu helfen. A2: Der Schüler kann Sätze und häufig gebrauchte Ausdrücke verstehen, die mit Bereichen von ganz unmittelbarer Bedeutung zusammenhängen, zum Beispiel Informationen zur Person und zur Familie, Einkaufen, Arbeit, nähere Umgebung. Er kann sich in einfachen, routinemäßigen Situationen verständigen, in denen es um einen einfachen und direkten Austausch von Informationen über vertraute und geläufige Dinge geht. (Quelle: Nach Infos des Goethe-Instituts)

Die Nachfrage für die VABO-Sprachförderklassen sei sehr groß, sagt der geschäftsführende Schulleiter der beruflichen Schulen des Landkreises Oliver Schmider. Derzeit seien 550 Schülerinnen und Schüler in diesen Sprachförderklassen. Man habe alle Hände voll zu tun. Die Zahl der Klassen sei in den letzten zwei Jahren von zehn auf 30 gestiegen. Für die Lehrkräfte sei das mit großen Anstrengungen verbunden.

Porträt Oliver Schmider

Oliver Schmider, geschäftsführender Schulleiter der beruflichen Schulen des Landkreises Ludwigsburg

Schulleiter: Kapazitäten für enge Begleitung sind ausgereizt

Noch könne man die Situation handhaben. Allerdings könnten die Jugendlichen nicht mehr so eng begleitet werden. Ein Jugendlicher, der mit 15, 16 Jahren alleine nach Deutschland komme, brauche mindestens fünf, sechs, sieben Jahre enge Begleitung in allen Fragen des Alltags, erklärt Schmider. "Das müssen wir gewährleisten und da sind die Kapazitäten ausgereizt."

Schmider geht davon aus, dass der Zuzug künftig nachlässt. Die politische Diskussion lasse das vermuten. "Wir merken in den letzten Monaten, dass die Frequenz ein wenig abnimmt."

Inhalt auf SWR.de ansehen

Asylanträge: Altersgruppen
Die Mehrheit der Antragsteller in Deutschland im vergangenen Jahr war jünger als 30 Jahre (gut 72 Prozent). Eine große Gruppe bildeten Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren (knapp 31 Prozent), danach kamen Menschen im Alter zwischen 18 und 25 Jahren (knapp 22 Prozent). 34.200 Anträge wurden für Kinder unter vier Jahren gestellt (15 Prozent). Gut zwei Drittel der Asylsuchenden waren männlich. (Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung)

VABO-Klasse als Chance für Praktikum und Ausbildung

Fahad Tahir bot die VABO-Klasse die Chance für ein Praktikum in einem Lebensmittel-Supermarkt. Nach der Schule hatte Fahad Tahir dort eine Ausbildung begonnen. Seit einem Jahr ist er mit seiner Ausbildung fertig. Der 23-Jährige ist glücklich mit seinem Job und hat sich Ziele gesetzt. "Das Arbeitsklima hier ist wunderbar. Ich will weiterarbeiten und aufsteigen." Abteilungsleiter, stellvertretender Marktleiter, Marktleiter. "Ich habe hier sehr gute Chancen", sagt Tahir.

Fahad Tahir räumt im Supermarkt Produkte ein

Fahad Tahir will in seinem Job weiter aufsteigen

"Zugehört" - Unsere Serie zur Bundestagswahl in Baden-Württemberg
Am 23. Februar ist Bundestagswahl. Die Parteien und ihre Spitzenkandidaten und -kandidatinnen werben um die Wähler-Gunst und versuchen mit ihren Themen zu punkten. Doch was bewegt die Bürgerinnen und Bürger? Wir haben den Menschen in Baden-Württemberg "zugehört".

Sendung am Mi., 19.2.2025 19:30 Uhr, SWR Aktuell Baden-Württemberg, SWR BW

Mehr zu Integration und Flüchtlingen in BW

Mehr zur Bundestagswahl in BW