
Bayern "Biotope der Respektlosigkeit": Städte bald ohne Social Media?
Als "Biotope der Respektlosigkeit" bezeichnet der Präsident des Landkreistages, Achim Brötel, Online-Netzwerke und rät Städten deshalb dazu, sich daraus zurückzuziehen. Doch für viele Städte und Gemeinden kommt ein solcher Schritt nicht infrage.
Der Präsident des Deutschen Landkreistages rät der öffentlichen Verwaltung zum Rückzug von sozialen Medien. In einem Interview mit der Funke Mediengruppe beklagt Brötel, "in den sozialen Netzwerken sinkt das Niveau im Umgangston immer weiter". Sie seien vielfach Biotope der Respektlosigkeit geworden. Ganz anders sehen das der Deutsche Städtetag und beispielsweise die Bürgermeisterin von Vilsbiburg.
Vilsbiburg setzt auf Instagram
Für Sibylle Entwistle, erste Bürgermeisterin der niederbayerischen Kleinstadt Vilsbiburg, kommt der Vorschlag, dass Städte und Gemeinden sich aus den sozialen Netzwerken zurückziehen sollen, unterdessen beinahe einem Stopp der Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern gleich: "Wenn wir nicht mehr offen sind für unsere Bürger und Bürgerinnen, und das würde ein Rückzug aus den sozialen Medien bedeuten, dann brauch ich die Leute auch nicht mehr ins Rathaus reinlassen." In ihrem Büro im Rathaus scrollt sie durch den Instagram-Account der Stadt – immerhin gut 3.000 Abonnenten verfolgen ihn. Umgerechnet auf die Einwohner der Stadt wäre das fast jeder Vierte.
Stellenausschreibungen postet die Stadt Vilsbiburg in den sozialen Medien
Aktuell weist die Stadt auf ihrem Kanal auf zwei offene Stellen hin. Das sei wichtig, denn nicht jeder lese mehr Zeitung. Auch das einfache Teilen mit einem einzigen Klick sei gut, um noch mehr Menschen mit den Inhalten zu erreichen. Frühere Einträge informieren über die Spielplätze der Stadt, das Programm auf dem Volksfest oder die Anmeldefrist für Kitaplätze. Vor allem einen großen Vorteil hat die Kommunikation über die sozialen Medien für Bürgermeisterin Entwistle: die Schnelligkeit.
Als Beispiele nennt sie den kurzfristigen Ausfall einer Veranstaltung, einen Wasserrohrbruch oder auch eine Umleitung im Verkehr. Da sei es etwa prima, wenn man auch am späten Nachmittag sofort mitteilen können, dass ein Bereich umfahren werden solle, so Sybille Entwistle. Genau diesen Vorteil sieht auch der deutsche Städtetag. Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy verweist auf Katastrophen und Notfälle. "Wir erreichen mit keinem Medium so viele Menschen in so kurzer Zeit wie mit Social Media, sagt Dedy und bekräftigt: "Wir werden das weiter nutzen". In einem Positionspapier mit zahlreichen Beispielen will der Städtetag Kommunen zu dieser Art der Kommunikation ermutigen.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund löscht seinen Account auf X
Tatsächlich haben einige bayerische Städte in den letzten Wochen der Plattform X, die von Tech-Milliardär Elon Musk aufgekaufte Plattform Twitter, den Rücken gekehrt. Städten wie Bayreuth oder Augsburg ist der Ton dort zu rau. Auch der Deutsche Städte und Gemeindebund hat seinen Kanal dort vor einigen Woche deaktiviert. Pressesprecher Alexander Handschuh zu den Gründen: "Weil wir schon feststellen mussten, dass sich die Diskussionskultur da wirklich in den letzten zwei Jahren deutlich verschlechtert hat und zum Negativen entwickelt hat." Der Deutsche Städte und Gemeindebund beispielsweise konzentriert sich nun auf die verbleibenden Kanäle LinkedIn, Instagram und Facebook und rät auch seinen Mitgliedern, sich auf anderen Kanäle zu positionieren, um so mit den Bürgerinnen und Bürgern in Kontakt zu bleiben.
Facebook und Co. als das neue, elektronische Gemeindeblatt
In der niederbayerischen Kleinstadt Vilsbiburg sieht man das genauso. Facebook und Co sind hier quasi das neue, elektronische Gemeindeblatt. Bürgermeisterin Sibylle Entwistle will mehr Kommunikation statt weniger: "Wie man in Bayern so schön sagt, mit dem Reden kommen die Leute zusammen und ich glaube, dass dürfen wir mit den sozialen Medien auch nicht sein lassen", fasst die Bürgermeisterin ihren Standpunkt zusammen.
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Quelle: BR24 28.01.2025 - 11:47 Uhr