Blumen und Kerzen sind in der Münchner Innenstadt an der Stelle zu sehen, an der ein Auto in einen Demonstrationszug gefahren ist. Mehrere Menschen wurden zum Teil schwerst verletzt.

Bayern Nach Anschlag in München: Entsetzen und Asyl-Debatten

Stand: 13.02.2025 23:09 Uhr

Bestürzung bei Gewerkschaften und Politikern nach dem Anschlag auf eine Streik-Demo in München. Verdi-Chef Werneke zeigt sich schockiert, Münchens OB Reiter spricht von einem "schwarzen Tag". CSU-Chef Söder fordert schnell einen schärferen Asyl-Kurs.

Von Petr Jerabek, Arne Wilsdorff

Bei den Gewerkschaften herrscht nach dem Anschlag mit mehr als zwei Dutzend Verletzten in München Fassungslosigkeit. "Wir sind zutiefst bestürzt und schockiert über den schwerwiegenden Vorfall während eines friedlichen Demonstrationszuges von Verdi-Kolleginnen und Kollegen", teilt Verdi-Chef Frank Werneke mit. "Unsere Gedanken sind bei den unschuldigen Opfern und Verletzten sowie ihren Angehörigen." Zu den Hintergründen warte die Gewerkschaft die Ermittlungen der Polizei ab: "Wir beteiligen uns nicht an Spekulationen."

Der bayerische DGB-Landeschef Bernhard Stiedl betonte: "Wir stehen solidarisch an der Seite aller Betroffenen." Auch weitere Gewerkschaften wie die IG Metall und der Bayerische Beamtenbund zeigten sich betroffen und sicherten ihre Solidarität zu.

Oberbürgermeister Reiter am Tatort

Gegen 10.30 Uhr war ein Auto in das Ende eines Verdi-Demonstrationszugs gefahren und verletzte rund 30 Menschen. Fahrer des Wagens war ein Afghane, der von der Polizei festgenommen wurde. Zwei Stunden später traten Spitzenvertreter von Land und Stadt am Ort des Geschehens vor Mikrofone und Kameras. Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) betonte: "Heute ist ein schwarzer Tag für München."

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte: "Es ist einfach furchtbar." Er sprach von einem "Schlag ins Gesicht", Bayern fühle mit den Opfern. Der Polizei dankte er für ihr schnelles Handeln, das Schlimmeres verhindert habe.

Söder: "Es reicht einfach"

Zugleich richtete der Ministerpräsident noch am Tatort den Blick auf die seit Wochen anhaltende Asyl-Debatte: "Ich sage Ihnen auch, dass unsere Entschlossenheit wächst." Es sei nicht der erste Fall, "und wer weiß, was noch passiert". Es müsse sich daher etwas ändern in Deutschland – und zwar rasch. Erst vor kurzem habe es die Messerattacke in Aschaffenburg gegeben, jetzt die Tat in München. "Es reicht einfach."

Am Abend präzisierte Söder im BR24-Interview seine Forderungen: "Die Gesetze in Deutschland müssen natürlich geändert werden." Der Asyl-Antrag des Täters sei zwar abgelehnt worden, er habe aber über eine Aufenthaltsgenehmigung verfügt. Der CSU-Chef verlangte daher, es müssten künftig "auch bereits feststehende Aufenthaltsgenehmigungen noch mal genau" angeschaut werden. "Wir müssen die Migration komplett wieder auf neue Füße stellen." Einen Generalverdacht gegen jeden mit Migrationshintergrund in Deutschland dürfe es aber nicht geben. "Dafür haben wir zu viele tolle Leute im Land."

Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verlangte erneut Abschiebungen von Straftätern auch nach Syrien und Afghanistan. Zudem müsse es möglich sein, anerkannte Asylbewerber abzuschieben, bevor sie schwere Straftaten begehen, sagte Herrmann bei BR24. "Dann kann es manchmal eben zu spät sein. Es muss in der Tat möglich sein, schon auch bevor jemand einen Mord begeht, zu sagen: Nein, der neigt offensichtlich zur Gewalttätigkeit, und den bringen wir außer Landes."

Ministerpräsident Markus Söder

Scholz: "Er muss das Land verlassen"

Auch mehrere Bundespolitiker äußerten ihr Mitgefühl und sprachen zugleich über einen schärferen Kurs in der Migrationspolitik. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte in Fürth, nach diesem "furchtbaren Anschlag" müsse die Justiz "hart vorgehen" gegen den Täter. Der Kanzler verwies gleichzeitig darauf, dass der nächste Abschiebeflug mit Straftätern nach Afghanistan schon organisiert sei. Künftig werde es solche Flüge fortlaufend geben. Der Täter könne nicht auf irgendeine Nachsicht hoffen. "Er muss bestraft werden, und er muss das Land verlassen."

Ähnlich äußerte sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD): "Die Antwort kann nur sein: Der Rechtsstaat muss maximale Härte zeigen." Die Bundesregierung habe die Gesetze zur Ausweisung von Gewalttätern und für mehr Abschiebungen "massiv verschärft", sagte sie in Berlin. Dies müsse nun konsequent durchgesetzt werden.

Olaf Scholz

Merz verspricht "Recht und Ordnung" - AfD fordert Rücktritte

CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz schrieb auf X, seine Gedanken seien bei den Opfern und ihren Familien. Zugleich kündigte er an: "Wir werden Recht und Ordnung konsequent durchsetzen. Jeder muss sich in unserem Land wieder sicher fühlen." FDP-Chef Christian Lindner betonte: "Wir müssen handeln. Wer dazu nicht bereit ist, darf keine Verantwortung für unser Land tragen."

AfD-Chefin Alice Weidel forderte: "Wir brauchen eine Migrationswende - und wir brauchen sie sofort!" Der bayerische AfD-Landesvorsitzende Stephan Protschka kritisierte, die Sicherheitsbehörden seien nicht in der Lage gewesen, den Anschlag zu verhindern. Ministerpräsident Söder und sein Innenminister Joachim Herrmann müssten deswegen "unverzüglich zurücktreten". Dieser Forderung schloss sich die bayerische AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner an." Söder konterte im BR Fernsehen: "AfD ist so schäbig."

Baerbock: Als Demokraten zusammenstehen

Unterdessen warnte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) vor einer Spaltung der demokratischen Gesellschaft. Angesichts der Herausforderungen im Äußeren wie im Innern sei es umso wichtiger, "dass wir auch in unserem Land als Demokraten zusammenstehen. Dass wir uns nicht spalten lassen, weder von Rechtsextremisten noch von Islamisten, die unseren Rechtsstaat von innen herausfordern", sagte sie laut dpa am Rande eines Besuchs in Paris.

Laut Bundesjustizminister Volker Wissing (parteilos) muss zwar über politische Konsequenzen diskutiert werden, er rief aber zur Besonnenheit auf. "Wir sollten die Ermittlungsbehörden ihre Arbeit machen lassen", forderte er. "Populistische Schnellschüsse" seien fehl am Platz. "Sie schaden unserer Demokratie."

"Tief schockiert und fassungslos"

Die bayerische Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze zeigte sich "tief schockiert und fassungslos". Diese abscheuliche Tat müsse jetzt schnell aufgeklärt werden. Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Holger Grießhammer äußerte sein Entsetzen. Zugleich rief er dazu auf, das Ergebnis der Ermittlungen abzuwarten.

Für die Freie-Wähler-Fraktion verurteilte deren Vorsitzender Florian Streibl die Tat und lobte die Polizei für ihren raschen Einsatz: "Dies beweist einmal mehr, wie wichtig eine gut ausgebildete und mutig agierende Polizei ist." Der bayerische Spitzenkandidat der Linken, Ates Gürpinar, schrieb: "Unsere Gedanken sind bei allen Betroffenen: den Verletzten, ihren Angehörigen und allen, die den schrecklichen Vorfall miterleben mussten."

Bischöfe: Beten für Opfer

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx sowie der evangelische Landesbischof Christian Kopp sicherten den Verletzten ihre Gebete zu. "Wir danken von Herzen den Einsatzkräften, die sofort geholfen haben, und all den Menschen, die spontan Trost und Hilfe gaben", teilte die Landeskirche mit und rief zum Zusammenhalt in diesen schwierigen Zeiten auf.

Im Video: Trauer in München

Trauer in München

Angebote der psychischen Unterstützung

Die Telefonseelsorge in der Erzdiözese München und Freising richtete ein zusätzliches Krisentelefon für Betroffene des mutmaßlichen Anschlags ein. Melden können sich Betroffene, Angehörige und Augenzeugen. Das Krisentelefon ist von 8 bis 22 Uhr unter der Telefonnummer 089/1271 8590 für mehrere Tage zu erreichen. Außerhalb dieser Zeiten können sich Betroffene an die Telefonseelsorge unter der Telefonnummer 0800/111 0 222 wenden.

Rund um die Uhr ist der Krisendienst Psychiatrie Oberbayern zu erreichen – und zwar in mehr als 120 Sprachen, wie Gesundheitsminister Judith Gerlach (CSU) mitteilte. Die Telefonnummer lautet: 0800 655 3000.

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Quelle: BR24live 13.02.2025 - 12:45 Uhr