
Bayern Ohne etablierte Partei Landrat werden: In Bayern (un)möglich?
Ohne bekannte Partei im Rücken Landrat zu werden, ist in Bayern schwierig. Das zeigen die Wahlen im Landkreis Traunstein. Dort versuchen derzeit gleich drei unabhängige Kandidaten, auf den Stimmzettel zu kommen.
Werner Fertl, 56 Jahre, Brille, freundlicher Blick, steht am Montagabend neben dem Festzelt des Traunsteiner Frühlingsfests. Er ist Senioren- und Behindertenbeauftragter des Landkreises Traunstein. Und er ist einer von drei Kandidaten im Landkreis, die sich gerne auf den Job des Landrats bewerben würden - ohne dabei einer großen Partei anzugehören.
Fertl ist überzeugt: Gerade in der Kommunalpolitik braucht man keine Partei. Im Gegenteil: Er hat das Gefühl, an seiner Arbeitsstelle - dem Landratsamt - seien Entscheidungen oft "eingefärbt". Manche würden eher aus parteipolitischen Überlegungen getroffen als aus sachlichen Gründen.
Elf Kandidaten wollen sich auf das Amt des Landrats bewerben
Im Festzelt spielt noch die "Gamsbluad Musi", doch in etwa einer halben Stunde darf Fertl selbst auf die Bühne. Es ist die erste große Podiumsdiskussion zur Landratswahl; die insgesamt elf Kandidaten und Kandidatinnen, darunter nur eine Frau, stellen sich vor. Auch Fertl und zwei weitere Bewerber ohne etablierte Partei im Rücken dürfen mitdiskutieren, obwohl alle drei eigentlich noch gar keine Kandidaten sind - sondern eher Anwärter auf den Kandidatenstatus.
Denn um in Bayern für das Amt des Landrats auch nur antreten zu dürfen, muss man einige Hürden überwinden. Erstens: Man braucht zumindest eine Wählergruppierung im Rücken mit zehn Personen, die einen als Kandidaten nominieren. Fertls Initiative "MachMIT Herz³" setzt sich für mehr Inklusion, mehr Wertschätzung für Pflegende und gegen Altersarmut und Altersdiskriminierung ein. Auch zwei weitere Kandidaten im Landkreis haben diese erste Hürde genommen: Hans Wembacher, ein Unternehmer, der für die Gruppierung "Miteinander für den Landkreis Traunstein" antritt, und Reinhard Melz, der für die Partei "dieBasis" kandidiert, die aus dem Widerstand gegen die Corona-Maßnahmen hervorgegangen ist.
430 Unterstützer-Unterschriften sind nötig
Weil aber keiner der drei Gruppierungen in einer vorherigen Wahl auf Landes-, Bundes- oder Europaebene über die Fünf-Prozent-Hürde gekommen ist und die Kandidaten bisher auch nicht im Kreistag sitzen, müssen alle drei noch eine weitere Hürde nehmen: Sie müssen 430 zusätzliche Unterstützer-Unterschriften vorweisen. So sieht es das Bayerische Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz vor. Die genaue Anzahl der nötigen Unterschriften richtet sich nach der Einwohnerzahl des Landkreises. Im Landkreis Traunstein sind es mit 430 mehr als doppelt so viele wie bei der Bundestagswahl, für die ein unabhängiger Bewerber nur 200 Unterschriften vorlegen muss. Und anders als bei der Bundestagswahl darf Fertl die Unterschriften auch nicht selbst einsammeln.
Stattdessen müssen seine Unterstützter eigens in das für sie zuständige Rathaus gehen, sich bestätigen lassen, dass sie wahlberechtigt sind, und dort unterschreiben. Für viele von Fertls Anhängern, darunter viele Senioren und Pflegekräfte, ist das aufgrund fehlender Mobilität und eingeschränkter Öffnungszeiten ein echtes Problem. "Das ist nicht inklusiv, das ist nicht modern und das ist auch kein Bürgerservice", sagt Fertl. Er fordert Reformen - etwa die Möglichkeit, digital zu unterschreiben.
Nur ernsthafte Kandidaten sollen antreten dürfen
Einen etwas anderen Blick hat Georg Wendlinger, der die Wahlen im Landkreis Traunstein organisiert. Die Vorschrift habe den Sinn, dass am Ende nur Kandidaten auf dem Stimmzettel stehen, denen es mit ihrer Kandidatur ernst ist und die zumindest eine gewisse Aussicht auf Erfolg haben. Andernfalls sei der Aufwand zu groß. Schließlich müssen die Vorschläge noch vom Wahlausschuss geprüft werden.
So ähnlich lautet auch die Begründung des Gesetzgebers. Als die Anzahl der benötigen Unterschriften 1995 vom Bayerischen Landtag erhöht wurde, erklärten die Initiatoren: Die bisherige Regelung habe zu einer "Zulassung von Klein- und Splittergruppen geführt, sodass die Wähler durch einen nicht mehr überschaubaren Stimmzettel nicht selten überfordert waren". Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat die derzeitige Praxis 2023 überprüft und für verfassungskonform erklärt.
In Traunstein hätten sich schon seit Jahren keine unabhängigen Kandidaten mehr auf das Amt des Landrats beworben, sagt Georg Wendlinger. Dass das diesmal – trotz all der Hürden – anders ist, sieht er als gutes Zeichen: Offenbar gebe es bei aller Politikverdrossenheit doch wieder Menschen, die sich engagieren möchten.
Ende Mai steht fest, wer auf dem Stimmzettel steht
Ob Werner Fertl und die anderen beiden am Ende antreten dürfen, entscheidet der Kreiswahlausschuss am 20. Mai. Wie seine Chancen stehen, die nötigen Unterschriften zusammenzubekommen, kann Fertl selbst nicht wirklich einschätzen: Denn dafür musste er alle 29 Rathäuser im Landkreis Traunstein einzeln abfragen. Und noch haben nicht alle geantwortet.
Für ihn wäre es schon ein Erfolg, wenn sein Name am Ende überhaupt auf dem Stimmzettel steht. Er sagt, es wäre ein Zeichen, dass auch Senioren, sozial Schwache und Menschen mit Behinderungen eine starke Stimme haben. Echte Chancen auf das Amt rechnet er sich aber nicht aus. Denn seit 1947 kamen fast alle Traunsteiner Landräte von der CSU. Die einzige Ausnahme: ein Kandidat der SPD.
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Quelle: Mittags in Oberbayern 14.05.2025 - 12:05 Uhr