
Bayern Schlaues Stromnetz spart neue Leitungen – aber hier hakt‘s
Immer mehr Photovoltaik, Elektroautos und Wärmepumpen hängen am Stromnetz. Die Betreiber kommen mit dem Ausbau kaum hinterher. Digitalisierung hilft, das Stromnetz effizienter zu nutzen und mit weniger Leitungen auszukommen – wenn sie funktioniert.
Veronika Barta arbeitet an der Hochschule München, Fakultät für Elektrotechnik. Und sie hat sich die Sache mit den intelligenten Stromzählern mal in der Praxis angeschaut - bei einem Test im Allgäu. Die sogenannten "Smart Meter" sollen eigentlich per Mobilfunk mit dem Netzbetreiber kommunizieren. Aber: Nicht einmal die Hälfte der Geräte bekam im Realversuch tatsächlich Verbindung mit der Zentrale. "Metallischer Zählerschrank im Keller. Und das noch kombiniert mit einem ländlichen Gebiet in Bayern", zählt Barta beim "Smart Grid Summit" des bayerischen Wirtschaftsministeriums die Problemfaktoren auf. Dafür gibt es technische Lösungen – etwa Außenantennen oder ein alternatives Funkband. Aber Deutschland tut sich auch hier bei der Digitalisierung schwer: Während Frankreich und Italien inzwischen fast 100 Prozent schlaue Stromzähler eingebaut haben, sind es bei uns erst zwei Prozent.
Netzbetreiber antworten einfach gar nicht
Der Münchner Stromanbieter Octopus Energy bietet flexible Stromtarife an und baut die dafür nötigen Smart Meter ein. Verantwortlich in dem Unternehmen ist dafür Fabian Maleitzke, und er hat es schwer: Wer so einen Apparat einbauen will, muss das beim örtlich zuständigen Verteilnetzbetreiber anmelden. Davon gibt es in Deutschland über 800, und 150 davon reagieren auf solche Anfragen gar nicht, so Maleitzke: "Wenn man nach zwei Monaten mal nachfragt, dann heißt es: Andere warten seit acht Monaten, warum beschwert Ihr euch jetzt schon?"
Deutsche Bürokratie bremst Digitalisierung
Das liege auch an der damit verbundenen Bürokratie. Vom Bundeswirtschaftsministerium heißt es, man arbeite an Vereinfachungen, und das werde auch die neue Regierung tun.
Zumindest Bayerns größter Verteilnetzbetreiber Bayernwerk wird es nach eigenen Angaben schaffen, bis Jahresende bei einem Fünftel der Stromproduzenten und -großverbraucher intelligente Stromzähler eingebaut zu haben - wie es gesetzlich vorgeschrieben ist. Viele kleinere Netzbetreiber sind jedoch noch nicht so weit. Das liegt laut Martin Eibl von der Firma EFR daran, dass es mit dem Ausbau der Zähler allein nicht getan ist: Im Hintergrund müssen die Netzbetreiber ihre EDV anpassen, wofür die Kleinen oft gar nicht die nötige Fachabteilung hätten. Der Systemanbieter EFR und auch andere bieten dafür jetzt zunehmend Software-Lösungen von außen an. Ob alle der allein in Bayern über 300 kleinen Verteilnetzbetreiber, die teils historisch aus Wassermühlen hervorgegangen sind, sich das leisten können, wird sich zeigen.
Netzbetreiber setzen auf intelligente Bauteile
Die gute Nachricht ist: Es braucht auch gar nicht jeder einzelne Haushalt einen steuerbaren Zähler, um ein Stromnetz mit hohem Erneuerbaren-Anteil vernünftig zu fahren. Außerdem gibt es weitere intelligente Bauteile, die ebenfalls helfen. Stromnetzbetreiber bauen jetzt Stück für Stück digitale Ortsnetztrafos ein. Bisher mussten die Ortsnetze mangels Sensoren und Einwirkmöglichkeiten in der Fläche mehr oder weniger "blind" gefahren werden. Das heißt: mit großen Sicherheitsmargen, um nicht irgendwo ein Bauteil zu überlasten, das dann durchbrennen könnte.
Je besser die Daten, desto mehr Strom kann fließen
Je mehr Daten aus intelligenten Stromzählern, Trafos und Verteilschränken in der Zentrale einlaufen, desto näher kann der Netzbetreiber an die tatsächliche Belastungsgrenze gehen.
"Wir schauen wirklich teilweise live in unsere unterlagerten Spannungsebenen rein, wissen dort dann ganz genau den Zustand. Und können dementsprechend viel besser planen und steuern", erläutert Marco Wagler von den Augsburger Lechwerken. Sie entwickeln zusammen mit weiteren Eon-Schwestergesellschaften ein Computermodell, das aus den bekannten Daten auch den Zustand in den übrigen Teilen des Verteilnetzes immer präziser hochrechnet.
Das heißt: Netze können passgenauer ausgebaut und ausgelastet werden. Der Netzbetreiber muss Stromeinspeiser wie Solarparks bei starker Sonne seltener drosseln. Die Digitalisierung im Stromnetz spart den Netzbetreibern so Aufwand und den Stromkundinnen und -kunden Kosten. Aber viele neue Leitungen wird es trotzdem brauchen. Es bleibt noch einiges zu tun.
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Quelle: BR24 15.05.2025 - 15:47 Uhr