
Bremen Bremer Sprengmeister: "So wird man in diesem Beruf unsterblich"
Thomas Richter leitet den Kampfmittelräumdienst in Bremen. Wie es dazu kam, wie man eine Bombe entschärft und ob der Job zukunftssicher ist, verrät er im Interview.
Seit 80 Jahren kümmert sich der Kampfmittelräumdienst um das, was von den zwei Weltkriegen in Bremen zurückblieb: Munition, Granaten, Brand- und Sprengbomben. Millionenfach wurden sie über der Hansestadt abgeworfen oder hier verschossen. Zwischen 10 und 20 Prozent dieser Kriegsmittel sind nie explodiert, schätzt Sprengmeister Thomas Richter. Bei der Bremer Polizei leitet er das siebenköpfige Team des Kampfmittelräumdienstes. Blindgänger im gesamten Bundesland zu finden und zu entschärfen, ist seine Aufgabe.

Sprengmeister Thomas Richter leitet den Kampfmittelräumdienst der Polizei Bremen.
Herr Richter, wann wurde ihnen erstmals klar, dass Sie beruflich gerne Bomben entschärfen würden?
Das begann Anfang der 2000er bei der Bundeswehr. Wobei es bei mir nicht direkt mit dem Bombenentschärfen losging. Es ging eher um Kampfmittelerkundung und Kampfmittelräumung. Also alles das, bevor man eine Bombe entschärfen kann. Das hat mich schon sehr gepackt, damals.
Weshalb ich mich nach der Bundeswehrzeit umgeschaut habe, ob ich auf diesem Gebiet auch im zivilen Markt tätig sein könnte. Da bin ich auch schnell darauf gestoßen, dass hier in Deutschland noch sehr viel zu tun ist. Und in dieser Zeit habe ich mich dann auch immer mehr dafür interessiert, selbst Bomben zu entschärfen.
Eine Ausbildung zum Sprengmeister gibt es nicht?
Das ist kein Lehrberuf. Es ist aber natürlich gut, wenn man schon entsprechende Vorkenntnisse mitbringt. Und wenn man für die zivile Kampfmittelräumung, also wir reden von den Kampfmitteln der beiden Weltkriege, tätig werden will, muss man entsprechende Schulungen machen. Das ist im deutschen Sprengstoffgesetz festgelegt.
Die Kampfmittelräumung ist auch ein so riesiges Themenfeld, da kann man gar nicht auslernen. Wer bei der Kampfmittelräumung sagt, er weiß alles über Munition, der lügt schon.
Wie läuft so eine Entschärfung? Haben Sie ein tausendseitiges Handbuch dabei?
Das läuft komplett ohne Handbuch. Unsere Lebensversicherung ist eine gute Ausbildung. In der Kampfmittelräumung in Deutschland haben wir für Bomben und Granaten so 50 bis 70 unterschiedliche Zündertypen – die sollte man wirklich aus dem FF beherrschen.

Munition (l.), Granaten, Brandbomben und Sprengbomben (r.) werden bis heute in Bremen gefunden. 50 bis 70 verschiedene Zündertypen müssen Sprengmeister kennen.
Sind Ihnen viele Fälle bekannt, wo genau das schiefgelaufen ist?
Ja. Es gibt eine große Statistik, was das Thema Kampfmittel angeht. Die meisten Unfälle passieren aber nicht mit Bomben, sondern mit kleineren Kampfmitteln wie Granaten. Es sind auch weniger die Mitarbeitenden der Kampfmittelräumdienste, die betroffen sind. Es sind eher Zivilpersonen, die Gefahren unterschätzen oder gar nicht erst erkennen.

Sprengmeister Thomas Richter nach der Entschärfung einer 500-Kilogramm-Bombe.
Eine rostige Granate aus dem Baggersee mitzunehmen halten Sie für keine gute Idee?
Nein. Genau das ist keine gute Idee. Es gibt aber Menschen, die stellen die sich ins Regal oder versuchen aus dem Sprengstoff einen Superböller zu basteln. Das knallt dann am Ende.
Was raten Sie dann bei Funden?
Finger weg, liegen lassen, den Fundort markieren und dann unverzüglich die Polizei verständigen.
Wie groß sind denn so typische Bomben, die in Bremen abgeworfen wurden?
Die kleinste war eine englische Stabbrandbombe – so 1,8 Kilogramm. Und die größte Bombe, die auf Bremen abgeworfen wurde, das war eine Bombe, die den Spitznamen "Grand Slam" hatte. Sie hatte ein Gewicht von mehr als zehn Tonnen. Solche Bomben wurden beispielsweise beim Bunker Valentin abgeworfen.

Die größte jemals über Bremen abgeworfene Bombe war die gut zehn Tonnen schwere "Grand Slam", die am Bunker Valentin einschlug.
Wie finden Sie heute noch Fliegerbomben?
Wir suchen derzeit beispielsweise gezielt nach Zeitzeugen, die sich bei uns melden können. In Bremen gibt es ansonsten die Besonderheit, dass wir das einzige Bundesland sind, bei dem die Kampfmittelräumung gesetzlich vorgeschrieben ist. Wer beispielsweise ein Haus bauen will, muss sich erst einmal bei uns melden und nachfragen, ob auf dem Baugrundstück ein Kampfmittelverdacht besteht. Wir prüfen das dann anhand eines von uns geführten Verdachtsflächenkatasters.
Wir suchen gezielt nach Zeitzeugen.
(Thomas Richter, Leiter des Kampfmittelräumdienstes der Polizei Bremen)
Wann besteht denn ein Verdacht?
Wir schauen uns erstmal an, ob ein Grundstück beispielsweise schonmal zu einem früheren Zeitpunkt abgesucht worden ist. Dann können wir da einen Haken dran machen. Wenn dem nicht so ist, schauen wir alte Luftbilder an, ob da möglicherweise eine Bombardierung stattgefunden hat. Danach wird festgelegt, ob auf dem Gelände ein Kampfmittelverdacht besteht.

Luftaufnahme von möglichen Bombentrichtern im Bremer Blockland.
Und wenn ein Verdacht besteht?
Dann müssen die Betroffenen ein Spezialunternehmen beauftragen, das das Grundstück absucht.
Die Bauherren zahlen das selbst?
Ja. Wenn jetzt aber ein Kampfmittel, also zum Beispiel eine Bombe, gefunden wird und viele Leute evakuiert werden müssen, trägt das Land Bremen die weiteren Kosten.
Gibt es da manchmal Ärger mit den Bauherren?
Man merkt schon, dass der Krieg jetzt 80 Jahre her ist. Da ist bei einigen Wenigen nicht ganz das Verständnis da. Da heißt es dann, der Krieg sei doch schon so lange her und es ist doch alles schon verrostet und durchgegammelt. Andere argumentieren, dass ihr Vater ihnen gesagt hätte, bei ihnen sei niemals eine Bombe runtergefallen. In den Luftbildern, die uns vorliegen, erkennen wir dann aber teilweise das Gegenteil.
Ist denn 80 Jahre nach Kriegsende der Tag in Sicht, an dem Ihr Job überflüssig wird?
Bis wir in Bremen alle Kampfmittel aus den beiden Weltkriegen gefunden und gegebenenfalls entschärft haben, da werden auch die nächsten hundert Jahre nicht reichen.
Dieses Thema im Programm:
buten un binnen, 15. April 2025, 19:30 Uhr