Eine Hand greift zu einer Süßspeise, die zusammen mit anderen auf einem Tisch serviert wird.

Hamburg "Ramadanfest" oder "Zuckerfest"? Streit um Begrifflichkeiten

Stand: 31.03.2025 07:47 Uhr

Nach vier Wochen geht der Ramadan nun mit einem dreitägigen Fest zu Ende, das auf Arabisch "Eid" und auf Türkisch "Bayram" genannt wird. Den Begriff "Zuckerfest" kennt man nur im türkischen Kontext.

Von Abdul-Ahmad Rashid

"Die Bezeichnung 'Zuckerfest' (…) geht auf die osmanische Zeit zurück", erklärt der Wissenschaftler Yunus Ulusoy. "Es gibt unterschiedliche Legenden darüber, warum der Begriff Zuckerfest verwendet worden ist. Eine besagt, weil man gefastet hat und am Ende des Fastenmonats 'schükür', also Dankbarkeit aufweist, dass man es geschafft hat. 'Schükür' und 'scheker', also Zucker, haben denselben Wortstamm, sodass daraus im Laufe der Jahre 'scheker' geworden ist."

Der Mitarbeiter des Zentrums für Türkeistudien in Essen hat sich mit der Herkunft des Begriffs "Zuckerfest" beschäftigt. Er klärt das Missverständnis auf, dass es sich dabei in erster Linie um das Verteilen von Süßem handele - auch wenn das für manche eine Rolle spielt: "Wenn man morgens zum Bayram-Gebet geht, isst man nicht, aber man nimmt etwas Süßes zu sich - der Prophet hat Datteln oder etwas Süßes gegessen. Daraus hat sich dann der Begriff 'Zuckerfest' entwickelt."

Begriff "Ramazan Bayrami" verdrängt "Eid al-Fitr"

Bayram - dieses Wort stammt aus dem Osmanischen und wird daher in der Türkei und in anderen Ländern des früheren osmanischen Reiches wie Bosnien oder Albanien benutzt. In anderen Ländern der islamischen Welt benutzt man dagegen vorzugsweise das arabische Wort "Eid" für Fest, abgeleitet von dem Ausdruck "Eid al-Fitr", das "Fest des Fastenbrechens". Dieses Fest ist neben dem Opferfest, das vier Tage gefeiert wird, das zweite große Fest in der islamischen Tradition. Es wird auch "das kleine Fest" genannt, im Gegensatz zu dem größeren Opferfest. Auch in der Türkei wurde der Ausdruck "Eid al-Fitr" über Jahrzehnte hinweg benutzt, dann aber geändert, hin zum "Ramazan Bayrami", dem Ramadan-Fest, so Yunus Ulusoy: "Der Begriff Ramazan-Fest, wie wir es im Türkischen verwenden, ist etwas neuer. Man hat es früher entweder 'Eid al-Fitr' genannt oder eben 'Zuckerfest'."

Ramadan: Alltag einer Muslima in Schleswig-Holstein

Religiöse Türken kritisieren Begriff "Zuckerfest"

Es seien vor allem religiöse Türken, so Ulusoy, die darauf drängen würden, den Begriff "Zuckerfest" nicht mehr zu benutzen - und stattdessen den Begriff "Ramadanfest". Seit einigen Jahren sei eine Debatte um diese Begrifflichkeiten entstanden. "Heute meinen manche Kreise, die sich dem religiösen Spektrum zugehörig fühlen, durch die Bezeichnung 'Zuckerfest' werde der Ramadan abgewertet."

Von Seiten der religiösen Türken, auch in Deutschland, wird zudem oft behauptet, der Begriff "Zuckerfest" sei Mitte des letzten Jahrhunderts seitens der Kemalisten erfunden worden, um sich von dem Ramadan-Fest der Religiösen abzugrenzen - vergleichbar mit der ehemaligen DDR, wo beispielsweise die "Weihnachtsfeier" in "Jahresendfeier" umbenannt wurde. Wissenschaftler Ulusoy ordnet ein: "Wenn jemand Scheker-Bayram gesagt hat, hat er damit natürlich Ramadan-Fest verbunden. Man hat auch nie überlegt, ob man den richtigen oder den falschen Ausdruck verwendet, weil es einfach so gängig war. Dass dann jemand Begrifflichkeiten durchsetzen will, das ist etwas, was ich aus der Türkei kenne."

Disput wird in Social Media weitergeführt

Yunus Ulusoy, der selber fastet, beobachtet, dass die Diskussion um diese beiden Begriffe auch seit einigen Jahren in Deutschland unter den hier lebenden türkeistämmigen Muslim*innen geführt wird: "Der Eine hat vorbildlich 'Ramazan Bayrami' gratuliert, der Andere hat den Begriff 'Zuckerfest' verwendet. Der Unterschied war, dass beide gleichbedeutend waren und akzeptiert wurden. Heute gibt es vor allem durch die sozialen Medien diesen Disput, der dann weitergetragen wird, dass man korrigiert wird. Wenn Du auf Deiner Facebook-Seite sagst: Ich gratuliere allen Muslimen zum Zuckerfest - gibt es mit Sicherheit welche, die unten kommentieren, dass das aber kein Zuckerfest, sondern Ramadan-Fest ist."

Süße Speisen zum Abschluss des Ramadan

Durch die Arbeitsmigration hat sich auch in Deutschland seit Jahrzehnten der Begriff "Zuckerfest" etabliert. Doch egal, welche der möglichen Glückwunschformeln benutzt wird, letztendlich geht es auch bei dem Fest am Ende des Ramadans um den Genuss von süßen Speisen: "Man geht zur Moschee, verrichtet das Gebet, kommt nach Hause, und dann gibt es das Ritual 'Bayram lashmak', das heißt, man grüßt einander und gratuliert einander zum Fest. Man frühstückt gemeinsam, man empfängt viel Besuch und besucht andere, auch Ältere oder Nachbarn. Jeder bringt etwas mit, und das sind in der Regel Süßigkeiten."

Fünf Fragen und Antworten zum Ramadan
1. Was bedeutet Ramadan?
Ramadan leitet sich ab von dem arabischen Wort ramad, was so viel wie "Hitze" und "Trockenheit" des Bodens bedeutet. Neben der Erklärung, der Ramadan verbrenne die Sünden wie die Hitze den Boden, verweist das Wort auch auf das Gefühl von Durst während des Fastens. Zwischen dem Beginn der Morgendämmerung und dem Sonnenuntergang sollen Muslime nicht essen, trinken, rauchen oder Sex haben. Mit einem Abendessen wird das Fasten täglich im Familien- oder Freundeskreis gebrochen (auf Arabisch: Iftar). In Deutschland ist der Ramadan auch ein Monat der interreligiösen Begegnungen beim Iftar.
2. Warum wird gefastet?
Das Fasten geht auf ein koranisches Gebot zurück und gehört zu den sogenannten fünf Säulen des Islam, also zu den zentralen gottesdienstlichen Handlungen im Leben einer Muslimin oder eines Muslims. Es soll die Menschen gottesfürchtig machen, die Seele des Fastenden erfährt dadurch eine Reinigung und Läuterung.
3. Wer muss fasten?
Alle geistig gesunden Muslime, die die Pubertät erreicht haben und damit als mündig gelten. Es sei denn, sie gehen damit gesundheitliche Risiken ein. Reisende zum Beispiel oder Schwangere können die versäumten Fastentage später nachholen.
4. Können Nichtmuslime ihre fastenden Arbeitskollegen unterstützen?
An erster Stelle sollten Nichtmuslime respektieren, wie wichtig diese Zeit für gläubige Muslime ist. Sie können auch fastende Arbeitskollegen unterstützen, indem sie versuchen, sie körperlich weniger zu fordern oder ihnen beispielweise ermöglichen, ihre Arbeitszeiten während des Fastens flexibel zu gestalten.
5. Wie wird am Ende des Ramadan gefeiert?
Ramadan endet traditionell mit einem dreitägigen Fest. Auf Arabisch heißt es Eid al-Fitr (Fest des Fastenbrechens), auf Türkisch Şeker Bayramı (Zuckerfest). Muslime beginnen das Fest mit einem besonderen Gebet nach Sonnenaufgang. Danach feiern sie gemeinsam in der Familie und mit Freunden.

Dieses Thema im Programm:
NDR Kultur | Freitagsforum | 28.03.2025 | 15:20 Uhr